Kirgisistan: The Rule of Law Programme in the Kyrgyz Republic – 2nd phase (ROLPRO2)

Kirgisische Justizdelegation anlässlich eines Besuchs im Landesgericht für Strafsachen Wien im Dezember 2019 zum Thema Digitalisierung der Justiz: Mag. Friedrich Forsthuber (Mitte), Präsident des Landgerichts; Gulbara Kalieva (links daneben), Präsidentin des Obersten Gerichts von Kirgisistan; Christoph Kopecky (hinten Mitte), von der IRZ entsandter Langzeitexperte für das EU Programm zu Förderung der Rechtsstaatlichkeit in Kirgisistan
Kirgisische Justizdelegation anlässlich eines Besuchs im Landesgericht für Strafsachen Wien im Dezember 2019 zum Thema Digitalisierung der Justiz: Mag. Friedrich Forsthuber (Mitte), Präsident des Landgerichts; Gulbara Kalieva (links daneben), Präsidentin des Obersten Gerichts von Kirgisistan; Christoph Kopecky (hinten Mitte), von der IRZ entsandter Langzeitexperte für das EU Programm zu Förderung der Rechtsstaatlichkeit in Kirgisistan

EU-Grant-Projekt

The Rule of Law Programme, Kyrgyz Republic – 2nd phase (ROLPRO2)
Mai 2018 – Dezember 2022
IRZ Juniorpartner
Budget: 12,2 Mio. Euro
Teamleader: Dr. Stefanos Kareklas 

Zuständig bei der IRZ: Angela Schmeink, Angela Lummel

Seit 2014 finanziert die EU ein breit angelegtes Projekt zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit in Kirgisistan.

War die erste Phase bis Ende April 2018 mit 9,5 Millionen Euro dotiert, so wurde mit der Phase 2 ab Mai 2018 das Projekt mit einer Laufzeit bis 2022 bei einem Gesamtvolumen von 12,2 Millionen Euro nahtlos fortgesetzt und auf ein höherwertiges Programmniveau gehoben. Gleich geblieben wie in Phase 1 ist, dass auch das Programm von einem GIZ-geführten Konsortium umgesetzt wird, an dem die IRZ als zweitgrößter Partner mit zwei Langzeitexperten maßgeblich beteiligt ist. Die Langzeitexperten decken die Themenkomplexe Gerichtsorganisation, elektronische Justiz und Gesetzgebung ab und werden in ihrer Arbeit von Kurzzeitexpertinnen und Kurzzeitexperten aus Deutschland und anderen Ländern unterstützt.

In Phase 2 wurden die Zielvorgaben des Programms erweitert und decken nun neben einer Verfestigung eines rechtsstaatlich ausgerichteten Justiz- und Gerichtswesens und der Förderung im Bereich Gesetzgebungsverfahren auch als eigenen Themenschwerpunkt die Stärkung der Staatsanwaltschaft ab. Die vom Projekt unterstützten Reformbestrebungen der kirgisischen Regierung und der staatlichen Institutionen sind auf Erhöhung der Effektivität der Justizverwaltung, Schaffung von Transparenz und Glaubwürdigkeit für die Justiz- und Gerichtstrukturen sowie Bekämpfung der Korruption gerichtet. Die inhaltlichen Schwerpunkte der IRZ-Komponente umfassen die Modernisierung des Gerichtsbetriebs einschließlich der Einführung eines elektronischen Akten- und Gerichtsinformationssystems bzw. Gerichtsmanagements (eJustice) sowie Reformen in der Gesetzgebung.

Die Komponente Gesetzgebung

Die Komponente Gesetzgebung umfasst die internetbasierte öffentliche Beteiligung bei Gesetzgebungsverfahren sowie die Digitalisierung des Gesetzgebungsverfahrens.
Für die öffentliche Beteiligung bei Gesetzesentwürfen haben die IRZ-Experten mit ihren kirgisischen Partnern Anfang März 2020 ein Testportal im Internet online geschaltet. Zurzeit läuft die Weiterentwicklung des Testportals und die Feinabstimmung der verschiedenen Funktionalitäten. Der neue Suchmodus soll die Suche nach Schlüsselwörtern, einzelnen Rechtsgebieten und gesetzgebenden Organen vereinfachen, während die Newsletter-Funktion für eine regelmäßige Benachrichtigung aller Interessierten über neue Entwürfe sorgt. Es ist geplant, dass die kirgisischen Gesetzgebungsorgane in Zukunft auf dieser Website alle Gesetzentwürfe veröffentlichen, die von Bürgerinnen und Bürgern, Verbänden sowie anderen Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft kommentiert werden können. Da die Beantwortung dieser Kommentare durch die Gesetzgebungsorgane verpflichtend ist, wird das Gesetzgebungsverfahren insgesamt transparenter.

Für das Webportal unterstützen die IRZ-Experten die Bereitstellung der nötigen Hardware-Komponenten sowie die flächendeckende Durchführung der nötigen Schulungsmaßnahmen und die dazugehörigen Werbekampagnen in Kirgisistan. Nach der endgültigen Inbetriebnahme der Website, in Verbindung mit einer App für mobile Endgeräte, rechnet man mit einer größeren Beteiligung, verstärkter Transparenz und mehr Kommentaren zu Gesetzentwürfen.

Die IRZ-Experten arbeiten auch an der digitalen Unterstützung des Gesetzgebungsverfahrens. Bis Ende 2020 soll eine Software entwickelt werden, die Rechtsvorschriften in der richtigen Form und Struktur erfassen soll. In diesem Bereich ist eine verstärkte Zusammenarbeit mit deutschen Expertinnen und Experten sowie mit der EU Kommission vorgesehen, die für ein ähnliches europäisches Projekt namens LEOS („Legislation Editing Open Software“) zuständig ist und die momentan als Open Source Software entwickelt wird. Bei der Implementierung sollen die Erfahrungen von Deutschland mit „eNorm“ und mit dem laufenden Projekt „E-Gesetzgebung“ eine bedeutsame Rolle spielen. Die zweite Phase dieser Arbeit wird sich auf die Digitalisierung von Arbeitsprozessen im Gesetzgebungsverfahren (u.a. Dokumentenmanagement) beziehen. Die Unterstützung für die kirgisische Regierung umfasst darüber hinaus die Organisation von Fortbildungsveranstaltungen und die Ausarbeitung von Handbüchern für die Gesetzgebung.

Die Komponente Gerichtsverwaltung

In der Komponente Gerichtsverwaltung gibt es insbesondere Fortschritte zur Etablierung eines Modells für die „Geschäftsprüfung“ von Gerichten. Die vom Obersten Gericht Kirgisistans eingesetzte Arbeitsgruppe legte diesem im Herbst 2019 einen fertigen Entwurf zur Einführung eines Modells vor, das sich in Grundzügen stark an vergleichbaren Modellen in Österreich und Deutschland orientiert und auch von nationalen und internationalen Projektexperten begleitet wurde. Der Entwurf beinhaltet unter anderem ein Handbuch mit allgemeinen Grundsätzen, aber auch konkreten Handlungsanweisungen inklusive Checklisten zur Durchführung der Prüfung vor Ort. Im Kern sieht das Modell eine regelmäßige Überprüfung aller Gerichte mit dem Ziel vor, zeitgemäße sowie qualitätsvolle Justizdienstleistungen und eine Verbesserung der internen Abläufe zu gewährleisten. Während bei der gegenwärtigen, noch sowjetischen Tradition folgenden sogenannten „Proverka“ (Russisch für „Überprüfung“) der Schwerpunkt auf der Prüfung der Rechtsprechung im Gericht liegt, soll dieser Aspekt bei dem neuen Modell (im Einklang mit europäischen Standards) deutlich in den Hintergrund treten. Dieser Entwurf wird von der Justiz momentan geprüft, und das Interesse an der Einführung scheint recht groß zu sein. Dies zeigt sich auch daran, dass die Justiz für die zukünftige Einführungsphase bereits mit ersten Vorstellungen für konkrete Schulungsmaßnahmen und der Bitte um entsprechende Unterstützung an das Projektteam herangetreten ist.

Die Komponente eJustice

Im Bereich eJustice, in dem es um die Einführung eines elektronischen Akten- und Gerichtsinformationssystems - „AIS Suda“ -geht, gab es enorme Fortschritte. Angetrieben durch eine generell starke Digitalisierungsoffensive im öffentlichen Sektor, zog die Justiz mit und führte „AIS Suda“ im Jahr 2019 nach ursprünglich 3 Pilotgerichten an allen 64 erstinstanzlichen Gerichten ein. Das RoLPRO2 Projekt hat – wie auch in den Jahren davor – alle Implementierungsschritte nicht nur finanziell, sondern auch mit entsprechendem Know-how und logistischer Unterstützung begleitet. In kurzer Zeit wurden 2019 nicht nur rund 1.000 Benutzer landesweit geschult, sondern auch die technische Entwicklung und Funktionalitätserweiterung des Systems ständig vorangetrieben. Zum Aufgabenkreis zählte auch die Anbindung des Systems an andere bestehende elektronische Register über das staatliche digitale Portal „Tunduk“. Dank dieser Integration ist heute zum Beispiel ein Datenabgleich in „AIS Suda“ mit Daten zu natürlichen Personen aus dem staatlichen Registeramt möglich. Darüber hinaus wurde mit der vollständigen landesweiten Einführung von „AIS Suda“ das Versprechen einer automatischen Fallzuteilung umgesetzt. In Ermangelung eines festen Geschäftsverteilungsplans an den kirgisischen Gerichten teilt nun das System nach einem ausgeklügelten Algorithmus anstelle des Gerichtsvorsitzenden die Fälle den Richtern zu.

Betrieben wird „AIS Suda“ bereits seit über einem Jahr eigenständig durch den IT-Dienstleister der Justiz, „Adilet Sot“, in dessen eigenem Rechenzentrum; darüber hinaus stellt „Adilet Sot“ auch einen entsprechenden User Support sicher. Die private Softwarefirma, die von Anfang an das System entwickelt hat, ist bis heute für Weiterentwicklung und Fehlerbehebung verantwortlich. Die Justiz möchte in Zukunft auch diese Aufgaben vollständig übernehmen. Aktuelle Entwicklungsschwerpunkte sind die Ausarbeitung der vollständigen Funktionalität und Entwicklung von „AIS Suda“ für die 2. Instanz, Einbindung der 3. Instanz zum Daten- und Dokumentenaustausch zwischen allen gerichtlichen Instanzen sowie die Implementierung einer Datenschnittstelle zwischen „AIS Suda“ und dem elektronischen System der Staatsanwaltschaft in Strafsachen.

Autoren: Christoph Kopecky und Gergely Bánhegyi (Langzeitexperten des Projekts)

Funded by the European Union