EU-Projekt in Kirgisistan: Fortschritte in der Komponente Gerichtsverwaltung – Geschäftsprüfung der Gerichte in Kirgisistan startet

Arbeitsgruppe des Obersten Gerichts Kirgisistans zur Geschäftsprüfung nationaler Gerichte: Anarchan Bazaralieva (links oben), Vorsitzende der Arbeitsgruppe; IRZ-Kurzzeitexpertin Guldzhan Esenalieva (rechts), Richterin a.D.
Arbeitsgruppe des Obersten Gerichts Kirgisistans zur Geschäftsprüfung nationaler Gerichte: Anarchan Bazaralieva (links oben), Vorsitzende der Arbeitsgruppe; IRZ-Kurzzeitexpertin Guldzhan Esenalieva (rechts), Richterin a.D.
Kirgisistan

Der Richterrat der Kirgisischen Republik hat Ende 2020 die Annahme eines Modells für die Geschäftsprüfung der nationalen Gerichte beschlossen. Mit diesem Modell soll in Kirgisistan erstmals eine Überprüfung der Verwaltungspraxis und Führung der Gerichte auf Grundlage eines standardisierten Verfahrens ermöglicht werden. Die Arbeitsgruppe, die vom Obersten Gericht mit der Ausarbeitung beauftragt worden war, nahm dabei ganz bewusst Anleihe bei europäischen Vorbildern, insbesondere bei vergleichbaren deutschen und beim landesweit einheitlichen österreichischen Modell.

Unterstützt wurden diese Arbeiten durch das EU-Programm "The Rule of Law Programme in the Kyrgyz Republic – 2nd Phase (RoLPRO2)". Dieses EU-Programm, an dem die IRZ unter Leitung der GIZ maßgeblich in den Fachbereichen „Gesetzgebung“, „Court Management“ und „e-Justice“ beteiligt ist, unterstützte die Arbeitsgruppe vor allem mit europäischer Expertise. Nicht zuletzt dank dieses Einsatzes konnte im Ergebnis sichergestellt werden, dass die neue kirgisische Geschäftsprüfung – im Gegensatz zum bisherigen, noch sowjetisch geprägten Modell der „Proverka“ (zu Deutsch „Überprüfung“) – Fragen der Verwaltung und Führung der Gerichte, und nicht wie bisher üblich die Überprüfung von deren Rechtsprechung in den Vordergrund stellt.

Mit der Durchführung der ersten Geschäftsprüfungen wird zum Jahresende 2021 gerechnet. Die kirgisische Justiz erwartet sich von dem neuen Instrument erstmals die Möglichkeit einer landesweiten Überprüfung der Leistungen und des Serviceniveaus jedes einzelnen Gerichts. Langfristig sollen damit die Verwaltungspraxis in Kirgisistan vereinheitlicht und gleichzeitig die Qualität der Leistungen nachhaltig verbessert werden.

Im April 2021 hat das Oberste Gericht der Kirgisischen Republik nun die entsprechenden Umsetzungsmaßnahmen in Angriff genommen. Dazu zählt unter anderem die Erarbeitung eines Schulungsmoduls für die zukünftigen Prüfer. Im Rahmen der Schulung sollen vor allem die Vorgaben zu den Zielen, zum Umfang, zur Durchführung (anhand von Checklisten) und Erstellung des Geschäftsprüfungsabschlussberichts erörtert und vermittelt werden. Die ersten konkreten Trainingsveranstaltungen sollen an der Justizakademie der Kirgisischen Republik, der nationalen Fortbildungseinrichtung der Justiz, in der zweiten Jahreshälfte abgehalten werden. Das EU-Programm wird sowohl diese als auch andere Maßnahmen im Rahmen seiner „Court Management“ Aktivitäten weiterhin tatkräftig unterstützen.

Neben der Geschäftsprüfung steht die Herstellung einer zweiten verbesserten und erweiterten Auflage eines Handbuches für Gerichtspräsidentinnen und Gerichtspräsidenten zu Gerichtsverwaltungsfragen im Mittelpunkt der „Court Management“-Bemühungen des EU-Programmes. Die 2. Auflage, deren Erscheinen ebenfalls für dieses Jahr geplant ist, soll an den Erfolg der 1. Auflage anschließen. Damals gab es ein sehr positives Echo aus der Richterschaft über die Nützlichkeit dieses Leitfadens. Beide Bereiche, Geschäftsprüfung und Handbuch, gehen jedenfalls Hand in Hand und sollen gemeinsam einen Beitrag leisten, das Serviceniveau der Gerichte zu verbessern und damit langfristig das Ansehen der Justiz in der Bevölkerung zu heben.

Verfasser: Christoph Kopecky, IRZ-Langzeitexperte für das EU-Programm zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit in Kirgisistan

Website zur öffentlichen Beteiligung bei Gesetzentwürfen im Testbetrieb

Screenshot der Website zur öffentlichen Beteiligung bei Gesetzentwürfen in Kirgisistan
Screenshot der Website zur öffentlichen Beteiligung bei Gesetzentwürfen in Kirgisistan
Kirgisistan

Im Rahmen des EU-Programms „The Rule of Law Programme in the Kyrgyz Republic – 2nd Phase“, das von der GIZ als Konsortial-Lead mit mehreren Partnern in Kirgisistan implementiert wird, unterstützt die IRZ die Komponenten Gesetzgebung, elektronische Justiz und Gerichtsorganisation. Der Themenkomplex Gesetzgebung umfasst die Digitalisierung des Gesetzgebungsverfahrens sowie die internetbasierte öffentliche Beteiligung bei Gesetzgebungsverfahren. Für die öffentliche Beteiligung bei Gesetzentwürfen hat die IRZ mit ihren kirgisischen Partnern ein Testportal im Internet eingerichtet, das seit Anfang März 2020 online ist.

Auch wenn die öffentliche Beteiligung an Gesetzentwürfen in Kirgisistan verpflichtend ist, werden in der Praxis bislang nur wenige Entwürfe tatsächlich kommentiert. Selbst in solchen Fällen geschieht dies in der Regel nur durch einen begrenzten Kreis von Nichtregierungsorganisationen. Erschwert wird eine breitere Beteiligung auch dadurch, dass jedes Gesetzgebungsorgan seine Entwürfe auf den eigenen Websites veröffentlicht. Hinzu kommt, dass diese Websites oft wenig nutzerfreundlich gestaltet sind, z.B. dadurch, dass es keine oder nur unzureichende Suchmöglichkeiten auf diesen Websites gibt. Außerdem bekommen diejenigen, die sich beteiligen, nur wenig Rückmeldungen zu den eigenen Anregungen, da die Gesetzgebungsorgane nicht dazu verpflichtet sind, Kommentare und Vorschläge zu beantworten.

Diese Probleme sollen mit der Entwicklung und Einführung der neuen einheitlichen Website für die öffentliche Beteiligung an Gesetzentwürfen in Kirgisistan behoben werden. Zurzeit arbeiten Beamtinnen und Beamte zusammen mit Entwicklerinnen und Entwicklern sowie anderen Expertinnen und Experten daran, das Testportal weiterzuentwickeln und dessen verschiedene Funktionalitäten zu verbessern. Der Suchmodus soll die Suche nach Schlüsselwörtern, einzelnen Rechtsgebieten und gesetzgebenden Organen vereinfachen, während die Newsletter-Funktion für eine regelmäßige Benachrichtigung aller Interessierten über neue Entwürfe sorgt. Auf der neuen Website werden nicht nur die Entwürfe, sondern auch alle Begleitdokumente (Begründungen, Sachverständigengutachten usw.) zur Verfügung gestellt.

Es ist geplant, dass die kirgisischen Gesetzgebungsorgane in Zukunft auf dieser Website alle Gesetzentwürfe veröffentlichen, die von Bürgerinnen und Bürgern, Verbänden sowie anderen Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft kommentiert werden können. Da die Beantwortung dieser Kommentare durch die Gesetzgebungsorgane verpflichtend ist, wird das Gesetzgebungsverfahren insgesamt transparenter. Die IRZ unterstützt dabei in den kommenden Monaten die Bereitstellung der nötigen Hardware-Komponenten sowie die flächendeckende Durchführung der nötigen Schulungsmaßnahmen und die dazugehörige Werbekampagne in Kirgisistan. Nach der endgültigen Inbetriebnahme der Webseite, der eine App für mobile Endgeräte zur Seite gestellt wird, rechnet man mit einer größeren Beteiligung, verstärkter Transparenz und mehr Kommentaren zu Gesetzentwürfen.

Delegation des Obersten Gerichts zum Erfahrungsaustausch in Baden-Württemberg

Die Delegation im Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit Gastgeber Prof. Dr. Henning Radtke (Mitte), Richter des BVerfG, und Delegationsleiter Emil Oskonbaev (rechts daneben), stellvertretender Vorsitzender der Verfassungskammer des Obersten Gerichts
Die Delegation im Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit Gastgeber Prof. Dr. Henning Radtke (Mitte), Richter des BVerfG, und Delegationsleiter Emil Oskonbaev (rechts daneben), stellvertretender Vorsitzender der Verfassungskammer des Obersten Gerichts
Kirgisistan

Zur Fortsetzung der bisherigen erfolgreichen Kooperation lud die IRZ vom 8. bis zum 12. Juli 2019 eine Delegation der Verfassungskammer des Obersten Gerichts der Kirgisischen Republik zum Erfahrungsaustausch zu verfassungsrechtlichen Themen nach Stuttgart, Karlsruhe und Heidelberg ein. Die Studienreise diente dem Austausch kirgisischer Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter mit deutschen Kolleginnen und Kollegen zu Rolle und Aufgaben eines Verfassungsgerichts im Rechtsstaat und zum deutschen Verfassungsrecht.

Den Höhepunkt des Besuchs bildete das Fachgespräch beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Als Gericht wacht das Bundesverfassungsgericht über die Einhaltung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, gleichzeitig hat die Arbeit dieses Verfassungsorgans auch eine politische Wirkung. Diese besondere Ausprägung innerhalb des modernen demokratischen Verfassungsstaats wurde eingehend thematisiert. Das 70-jährige Jubiläum des Grundgesetzes und die damit zusammenhängenden Errungenschaften und Erfahrungen in Deutschland wurden gewürdigt. Im Fokus der Diskussion standen aber auch praktische Fragen und Beispiele. Dabei ging es um die Themen Zuständigkeit, Verfahren und Arbeitsweise sowie Durchsetzung und Bindungswirkung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.

Die kirgisische Delegation führte außerdem Fachgespräche mit Anwälten der Rechtsanwaltskanzlei Deubner & Kirchberg in Karlsruhe, beim Ministerium der Justiz und für Europa des Landes Baden-Württemberg und beim Verfassungsgericht des Landes Baden-Württemberg in Stuttgart. Thematisiert wurden verschiedene Aspekte der Verfassungsgerichtsbarkeit, z.B.:

  • die anwaltliche Beteiligung bei Verfassungsstreitigkeiten,
  • der Föderalismus der Bundesrepublik Deutschland sowie
  • die Auswirkungen von Verfassungsgerichtsurteilen auf Bürgerinnen und Bürger, Exekutive und Legislative.

Die kirgisischen Gäste interessierten sich außerdem besonders für die Ausbildung von Einheitsjuristen in Deutschland. Denn Qualitätssteigerung und ein hohes fachliches Niveau von Richterinnen und Richtern sind erklärte Ziele in Kirgisistan.

Beim abschließenden Fachgespräch im Max-PIanck-Institut für ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg wurden die Perspektiven einer wissenschaftlichen deutsch-kirgisischen Kooperation zu verfassungsrechtlichen Themen erörtert.

Die deutschen Kolleginnen und Kollegen der genannten Institutionen schafften eine vertrauensvolle Atmosphäre während der Gespräche, in der die kirgisischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer die ihnen wichtigen Punkte offen ansprachen und den Austausch auf Kollegenebene suchten. Der Erfahrungsaustausch leistete damit einen wichtigen Beitrag zur Stärkung internationaler Kontakte der noch jungen kirgisischen Verfassungsgerichtsbarkeit.