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- Veröffentlicht: Mittwoch, 10. Juli 2019
Kirgisistan - Jahresbericht 2018

Strategische Rahmenbedingungen
Rechtspolitische Ausgangslage
Das zweitkleinste Land Zentralasiens steht weiterhin vor der Herausforderung, den Übergang zum Rechtsstaat zu bewältigen. Die seit 2010 geltende Verfassung sieht eine parlamentarische Demokratie vor. Die Rechte von Parlament und Regierung wurden im Jahr 2016 durch eine Änderung der Verfassung gestärkt. Die frei und friedlich abgehaltenen Wahlen zum Staatspräsidenten 2017 – in der Region nicht selbstverständlich – stellten einen Beitrag zur politischen Stabilität dar. Allerdings gibt es in der Rechtswirklichkeit noch viele Unzulänglichkeiten.
Die Gewaltenteilung ist nicht verinnerlicht, langjährig etablierte Machtstrukturen, unzureichende Leistungsfähigkeit staatlicher Institutionen und Versuche zur Einflussnahme auf die Justiz erschweren die Entwicklung zu einem modernen Staat, der verfassungsrechtliche Garantien gewährt.
Zur Stabilisierung des Landes engagieren sich viele internationale bi- und multilaterale Akteure, wie beispielsweise die EU, die ihre Zentralasienstrategie ab 2019 mit neuer Ausrichtung auch im Rechts- und Justizbereich implementieren wird.
Konzeption
Die IRZ nahm ihre Tätigkeit in Kirgisistan 2010 auf und realisiert seitdem Beratungsmaßnahmen mit dem Justizministerium, dem Parlament, dem noch relativ jungen Anwaltsrat und der Generalstaatsanwaltschaft. Die Aktivitäten sind darauf gerichtet, die Kapazitäten zu professionalisieren, Best Practices zu diskutieren und schwerpunktmäßig zu ausgewählten Rechtsgebieten zu beraten.
Im Berichtsjahr beging die kirgisische Verfassungskammer beim Obersten Gericht ihr 25-jähriges Jubiläum und richtete aus diesem Anlass eine internationale Konferenz aus. Auf Bitten des Kammervorsitzenden entsandte die IRZ als Referenten den früheren Präsidenten des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt und des OLG Sachsen-Anhalt. Die Tagung bot erfreulich viel Raum für Diskussionen unter den Richterinnen und Richtern von Verfassungsgerichten aus insgesamt elf Ländern sowie Vertreterinnen und Vertretern der Venedig-Kommission. Dabei ging es um aktuelle, nationale Themen zu den unterschiedlichen Verfassungen und zur Rolle eines Verfassungsgerichts. Viel Aufmerksamkeit wurde dem deutschen Verfassungsrecht, dem Bundesverfassungsgericht und dessen Entscheidungen gewidmet. Dieses Interesse wurde darüber hinaus durch eine Vorlesung zur Unabhängigkeit der Justiz für Studierende an der Kirgisischen Staatlichen Juristischen Akademie gewürdigt.
Mit einem Expertengespräch zur internationalen Vertragsgestaltung, insbesondere für Darlehen von Entwicklungsbanken, griff die IRZ einen Themenwunsch des Justizministeriums auf. Die deutschen Kolleginnen und Kollegen vermittelten einschlägige Standards und Erfahrungswerte aus der deutschen Praxis und berieten zu Vertragsgestaltung und Verhandlungstechnik unter Wahrung staatlicher Interessen.
Neben den bilateralen Projekten beteiligt sich die IRZ als Juniorpartner an dem EU-Grant „Promotion of Rule of Law in the Kyrgyz Republic“, das für weitere viereinhalb Jahre fortgeführt wird.
Tätigkeitsschwerpunkte 2018
Verfassungsrecht / Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit
- Entsendung eines Verfassungsrechtsexperten zur Jubiläumskonferenz der Verfassungskammer beim Obersten Gericht nach Bischkek
- Vorlesung zum Verfassungsrecht an der Kirgisischen Staatlichen Juristischen Akademie in Bischkek
Zivil- und Wirtschaftsrecht
- Runder Tisch und Workshop zum internationalen Vertragsrecht mit dem Justizministerium in Bischkek
Von der Europäischen Union finanziertes Projekt
EU-Grant-Projekt: The Rule of Law Programme in the Kyrgyz Republic – 2nd phase (ROLPRO2)
Die EU finanziert seit 2014 ein breit angelegtes Projekt zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit in Kirgisistan. Das Projekt ging ab Mai 2018 in die Phase 2 über und wurde bei einer Laufzeit bis 2022 auf ein höherwertiges Programmniveau gehoben; ebenso wurde das inhaltliche Aufgabengebiet erweitert. Bei dem von der GIZ geführten Konsortium beteiligt sich die IRZ neben weiteren Konsortialpartnern weiterhin mit zwei Langzeitexperten, die gezielt bei konkreten Fragestellungen von Kurzzeitexpertinnen und -experten fachlich unterstützt werden.
Die Konsortialpartner teilen sich die umfangreichen Aufgabengebiete in drei Komponenten auf: Modernisierung des Gesetzgebungsverfahrens (Komponente 1), Unterstützung der Justiz / des Gerichtssystems (Komponente 2) und Unterstützung der Staatsanwaltschaft (Komponente 3). Den deutschen Organisationen GIZ und IRZ fallen dabei Schwerpunktaufgaben in der 1. und 2. Komponente zu, zu denen auch eine umfassende Verwaltungsrechtsreform gehört. Die vom Projekt unterstützten Reformbestrebungen der kirgisischen Regierung und der staatlichen Institutionen sind auf Erhöhung der Effektivität der Justizverwaltung, Schaffung von Transparenz und Glaubwürdigkeit für die Justiz- und Gerichtstrukturen sowie Bekämpfung der Korruption gerichtet.
Ausblick
In Zukunft wird die IRZ weiterhin Beratungsmaßnahmen, die das Engagement im EU-Projekt ergänzen, realisieren und dabei auf bewährte Formate setzen, in dem Know-how-Transfer und Praxisnähe im Vordergrund stehen.
In der zweiten Phase des EU-Projekts werden die Zielvorgaben des Programms erweitert und decken nun neben einer Verfestigung eines rechtsstaatlich ausgerichteten Justiz- und Gerichtswesens sowie der Förderung im Bereich Gesetzgebungsverfahren als eigenen Themenschwerpunkt auch die Stärkung der Staatsanwaltschaft ab. Zum Themenkomplex eJustice ist die Einführung eines elektronischen Gerichtsakten-Verwaltungssystems an drei Pilotgerichten hervorzuheben. Dieses System soll in der 2. Phase mit Unterstützung des Programms funktional erweitert werden und sukzessive bei allen Gerichten zum Einsatz kommen. Das Projektteam hat außerdem mit den Vorbereitungen für die Digitalisierung des Gesetzgebungsverfahrens begonnen.