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- Veröffentlicht: Montag, 04. September 2023
Kirgisistan – Jahresbericht 2022

Strategische Rahmenbedingungen
Rechtspolitische Ausgangslage
Seit der Wahl von Sadyr Dschaparow zum Staatspräsidenten im Januar 2021 und der Annahme einer neuen Verfassung im Mai 2021 kommt es zunehmend zu einer Machtkonzentration in der Hand des Staatspräsidenten. Der Posten des Ministerpräsidenten ist abgeschafft und durch einen sogenannten Ministerkabinettsvorsitzenden ersetzt, wobei der jeweilige Leiter der Präsidialverwaltung laut Verfassung gleichzeitig dieses Amt in Personalunion bekleidet. Auch die Bedeutung des Parlaments wurde in vielen Bereichen eingeschränkt und die Anzahl der Abgeordneten von 120 auf 90 reduziert.
Im Bereich der Justiz wurde der Einfluss des Präsidenten, insbesondere im Hinblick auf die Ernennung der Gerichtsvorsitzenden, erweitert. Die Stellung der Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden wurde zunehmend gestärkt, was zu erhöhter Kontrolle in allen Bereichen des Landes führt. In diesem Zusammenhang ist auch ein verstärkter Druck auf Medien und Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft zu beobachten. Zahlreiche Gesetzesinitiativen geben Anlass zur Sorge, dass die Arbeit unabhängiger Medien und Nichtregierungsorganisationen in Zukunft bewusst erschwert und vereinzelt sogar unmöglich gemacht werden soll.
Konzeption
Die IRZ ist als Juniorpartner am EU-Projekt „Rule of Law in the Kyrgyz Republic“ beteiligt. Die erheblichen politischen Änderungen wirkten sich teilweise auf die Projektaktivitäten aus, es wird Druck auf die Justiz ausgeübt, und es werden Ermittlungen gegen Funktionsträger durchgeführt. Zuletzt hat sich die Situation, insoweit es konkrete Auswirkungen auf das Projekt betrifft, aber erfreulicherweise gebessert.
Von der Europäischen Union finanziertes Projekt
EU-Grant-Projekt: „The Rule of Law Programme in the Kyrgyz Republic – 2nd Phase (RoLPRO2)“
Das Projekt zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit in Kirgisistan mit einer Laufzeit bis Ende 2022 befand sich seit Mai 2018 in seiner zweiten Phase. Die IRZ beteiligte sich neben mehreren Konsortialpartnern unter Führung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH mit zwei Langzeitexperten am Projekt, die von Kurzzeitexpertinnen und Kurzzeitexperten fachlich unterstützt wurden.
Die Konsortialpartner teilten sich die umfangreichen Aufgabengebiete in den folgenden drei Komponenten auf (wobei die deutschen Organisationen GIZ und IRZ Schwerpunktaufgaben in den ersten beiden Komponenten übernahmen):
Komponente 1: Modernisierung des Gesetzgebungsverfahrens
Komponente 2: Unterstützung der Justiz/des Gerichtssystems
Komponente 3: Unterstützung der Staatsanwaltschaft
In der Komponente Modernisierung des Gesetzgebungsverfahrens wurden die laufenden Vorhaben weiter ausgebaut und finalisiert. So wurden die Gesetzesdatenbank mit kostenfreiem Zugang und die Datenbank für das Monitoring von Gesetzesimplementierungen für das Justizministerium weiterentwickelt. Auch die digitale Unterstützung des Gesetzgebungsverfahrens wurde weiter ausgebaut. Mit projektseitiger Unterstützung führte das Justizministerium regelmäßig Schulungen zum Gesetzgebungsverfahren, fokussiert auf neue Staatsbedienstete, durch. So fanden zwei Sommerschulen zur Gesetzgebungstechnik für Beamtinnen und Beamte des Justizministeriums statt. Ebenso wurden weitere Schulungen zur Gestaltung der neuen einheitlichen Website des Justizministeriums durchgeführt, auf der Bürgerinnen und Bürger, Verbände und weitere Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft Gesetzentwürfe kommentieren und Vorschläge unterbreiten können.
In der Komponente Unterstützung der Justiz/des Gerichtssystems wurde das vom Projekt mitentwickelte Führungskräfteschulungsprogramm für neu ernannte Gerichtspräsidentinnen und Gerichtspräsidenten überarbeitet, in dem nun auch IT-Einsatz in der Justiz, Korruptionsprävention und geschlechtsspezifische Gewalt abgedeckt wird. Das dazu entwickelte Handbuch und das Schulungsmodul wurden 2022 überarbeitet und um neue Bereiche erweitert. Im Bereich Richterbeurteilung leistete das Projekt einen wesentlichen Beitrag zur Formulierung eines neuen Beurteilungsmodells. Im dritten Schwerpunkt in dieser Komponente, im Bereich Geschäftsprüfung an den Gerichten, schritt die Implementierung des 2021 beschlossenen neuen Geschäftsprüfungsmodells voran. Einzelne Prüfungen wurden an den Gerichten vorgenommen, aber noch fehlen die landesweite Umsetzung und eine systematische Analyse der Ergebnisse.
Entscheidende Meilensteine konnten in der Komponente E-Justiz erreicht werden. Nach dem positiven Abschluss des unabhängigen IT-Audits 2021 zum gerichtsinternen elektronischen Akten- und Informationssystem „AIS Suda“ übernahm die kirgisische Justiz Ende 2021 vollinhaltlich die Verantwortung für die Weiterentwicklung und Optimierung des Systems. Durch verstärkten, vom Projekt unterstützten Entwicklungseinsatz gelang es danach, alle 73 Gerichte auf sämtlichen drei Instanzen an das System anzubinden. Die Integration von „AIS Suda“ mit anderen staatlichen elektronischen Registern über ein einheitliches nationales eService-Portal wurde ebenso umgesetzt wie die Verbesserung der Gerichtsstatistik, die nun in Echtzeit landesweit Falldaten liefert. Besondere Beachtung inner- wie außerhalb der Justiz findet die automatische Fallzuteilung, die über „AIS Suda“ an allen Gerichten verpflichtend eingeführt wurde. Damit ist es in Ermangelung einer fixen Geschäftsverteilung erstmals in Kirgisistan gelungen, diese Aufgabe den Gerichtspräsidenten zu entziehen und stattdessen einem von der Justiz selbst mitentwickelten Algorithmus zu überantworten. „AIS Suda“ wird laufend weiterentwickelt und soll in naher Zukunft mit dem Start des neuen Justizportals auch außerhalb der Justiz Wirkung entfalten. Neben der Einsichtnahme in Gerichtsentscheidungen soll auch ein elektronischer Rechtsverkehr zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Justiz möglich werden.
Ausblick
Das Projekt endete zum 31. Dezember 2022, ein unmittelbares Folgeprojekt ist seitens der Europäischen Union nicht geplant.
Den gesamten Jahresbericht 2022 finden Sie auf unserer Website unter Mediathek – Jahresberichte.