Länderbericht Kirgisistan 2015Besuch der Justizministerin Mambetalieva und der Delegation des kirgisischen Justizministeriums im BMJV im März in Berlin: Justizministerin der Kirgisischen Republik Zhyldyz Mambetalieva (Mitte links), rechts daneben Christian Lange, Parlamentarischer Staatssekretär beim BMJV

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Unter den ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens stellt Kirgisistan eine Ausnahme dar. Nach Erlangung der Unabhängigkeit und nach der sogenannten Tulpenrevolution 2010 hat sich eine parlamentarische Demokratie entwickelt. Im Zuge dessen gab es mehrere Regierungsumbildungen, die eine Stabilisierung der demokratischen Strukturen erschwerten. Beim dritten Urnengang seit der Revolution wurden im Oktober 2015 erstmals sowohl die Wählerinnen und Wähler sowie deren Stimmen direkt elektronisch erfasst, um Wahlbetrug vorzubeugen. Der einzigartige Einsatz neuer Technologien brachte neben Erfolg auch Schwierigkeiten mit sich, weil eine Registrierung der biometrischen Daten der Wählerinnen und Wähler obligatorisch war. Nicht alle Wahlberechtigten waren dazu bereit, da teilweise ein Missbrauch der Daten befürchtet wurde. Die aufwendige Identifikation führte am Wahltag zu Schlangen und Wartezeiten vor den Abstimmungslokalen, so dass einige Wählerinnen und Wähler aus diesem Grund nicht teilnahmen.

Sechs Parteien konnten die 7-Prozent-Hürde überwinden und ins Parlament einziehen. Die regierenden Sozialdemokraten haben ihre Position verteidigt. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 60 Prozent. Auch wenn das gestiegene Vertrauen in die Wahlen ein Zeichen für gewachsene politische und gesellschaftliche Reife ist, ist die junge kirgisische Demokratie angesichts wirtschaftlicher und ethnischer Probleme immer noch ungefestigt. Internationale Beratung und Unterstützung spielen daher nach wie vor eine große Rolle.

Kirgisistan ist 2015 der Zollunion der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) beigetreten und erwartet dadurch einen positiven Einfluss auf die Wirtschaft des finanziell stark geschwächten Landes. Allerdings können hierdurch auch Veränderungen der politischen Einflüsse in den bilateralen Verbindungen in der Region nicht ausgeschlossen werden.

Konzeption

Die Zusammenarbeit mit dem Justizministerium mit der neuen Ministerin Jyldyz Mambetalieva an der Spitze wurde weiter vertieft und vertrauensvoll fortgesetzt.

Die im Vorjahr initiierte Modernisierung des kirgisischen Anwaltswesens bildete den Schwerpunkt der Rechtsberatung. Dazu organisierte die IRZ eine Studienreise für Vertreterinnen und Vertreter des Justizministeriums sowie für kirgisische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nach Deutschland. Das Programm umfasste Fachgespräche im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, beim Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamt der Länder Berlin und Brandenburg, bei der Bundesrechtsanwaltskammer, mit der Deutsch-Zentralasiatischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestags, in einer Anwaltskanzlei und beim Landgericht Berlin. Im Fokus des Austausches standen die Erfahrungen der deutschen Anwaltschaft auf dem Weg zur Selbstverwaltung und die Rolle des Anwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege für Justiz und Gesellschaft. Die Stärkung der Anwaltschaft und ihrer Unabhängigkeit wurden ebenso ausführlich behandelt wie die Anwendung und Auslegung der berufsspezifischen gesetzlichen Regelungen.

Bei einer weiteren Veranstaltung vor Ort zu diesem Themenkomplex lag ein besonderes Augenmerk auf der juristischen Ausbildung als Grundlage einer hohen Qualität juristischer Dienstleitungen sowie auf der fachlichen und gesellschaftlichen Anerkennung der Rechtsanwaltschaft. Die noch bestehenden post-sowjetischen Einflüsse erschweren die Optimierung des Prüfungsverfahrens und die Einführung eines fallorientierten Lernsystems, so dass auch diese Elemente für kontroverse Diskussionen sorgten. Die Berufsethik von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten stellt ein weiteres Feld des Fachaustausches dar, bei dem internationale Erfahrungen wesentliche Impulse geben können.

Tätigkeitsschwerpunkte 2015

Rechtspflege

  • Studienreise von Vertreterinnen und Vertretern des Justizministeriums sowie kirgisischer Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nach Berlin
  • Seminar zur juristischen Ausbildung und zum Berufsrecht der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mit dem Justizministerium und dem Anwaltsrat in Bischkek

Strafrecht und Strafvollzugsrecht

  • Zwei Workshops zum Jugendstrafrecht und Strafprozessrecht für die Generalstaatsanwaltschaft in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Ausbildungszentrum bei der Generalstaatsanwaltschaft in Bischkek

Ausblick

Die IRZ wird die Kooperation mit dem Justizministerium 2016 fortführen. Es sind weitere Beratungsleistungen in Form von Veranstaltungen vor Ort und in Deutschland zur effektiven Umsetzung des neuen Rechtsanwaltsgesetzes und zur weiteren Verfestigung der neu gegründeten berufsständischen Organe der Anwaltschaft beabsichtigt. Auch ihre fruchtbare Kooperation mit der Generalstaatsanwaltschaft und der Friedrich-Ebert-Stiftung wird die IRZ mit praxisorientierten Workshops fortsetzen.