Ägypten – Jahresbericht 2020

Strategische Rahmenbedingungen 

Rechtspolitische Ausgangslage 

Ägypten ist das bevölkerungsreichste Land der arabischen Welt. Geografisch zwischen Afrika und dem Nahen Osten gelegen, spielt es bei der Gestaltung sicherheitspolitischer und wirtschaftlicher Fragen in der Region eine wichtige Rolle. Im Rahmen des Nahost-Konflikts nimmt es eine Vermittlungsrolle zwischen Israel und der Hamas ein. Diese politische, wirtschaftliche und militärische Bedeutung sowie das niedrige Durchschnittsalter der Bevölkerung Ägyptens bergen ein großes Entwicklungspotenzial.

Allerdings steht das Land vor enormen Herausforderungen. Seit April 2017 gilt ein landesweiter Ausnahmezustand mit erweiterten Eingriffsbefugnissen für Sicherheitskräfte und Militär. Die Beschneidung der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger begründet die ägyptische Regierung mit terroristischen Bedrohungen im Land und der angespannten außenpolitischen Lage in der Region. Im April 2019 trat zudem eine Verfassungsänderung in Kraft, die erhebliche Eingriffe in die Gewaltenteilung, eine weitere Stärkung der Kontrolle des Militärs über das zivile Leben sowie die Änderung der Amtszeit des Staatspräsidenten beinhaltet. Sie ermöglicht es dem derzeitigen Präsidenten Al-Sisi bis 2030 im Amt zu bleiben. Auch sein Einfluss auf die Justiz wurde ausgeweitet. Bei der Bestellung hoher Justizämter sowie bei Budgetfragen der Judikative wurden ihm weitreichende Kompetenzen übertragen.

Auch Ägypten hat der Ausbruch der COVID-19-Pandemie hart getroffen. Ein mehrwöchiger Lockdown legte das öffentliche Leben komplett lahm. Der internationale Tourismus, eine der wichtigsten Einnahmequellen für Millionen Ägypterinnen und Ägypter, ist nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Es folgte ein stetiger Anstieg der Arbeitslosigkeit sowie der Armutsrate, was die sozialen Spannungen und politischen Konflikte im Land weiterhin verschärft. Seit September 2020 kommt es vermehrt zu Protesten. Hier werden die sich stetig verschlechternden Lebensbedingungen sowie die weitverbreitete Korruption im Land angeprangert, auch fordern viele Menschen den Rücktritt Al-Sisis. Das Regime reagiert darauf mit Repression und weiteren Einschränkungen der Versammlungs- und Meinungsfreiheit.

Konzeption

Die Rückschritte in der rechtsstaatlichen Entwicklung in Ägypten seit der Machtübernahme Al-Sisis 2014 führten 2015 zur Aussetzung der Zusammenarbeit zwischen der ägyptischen Justiz und der IRZ. 2019 kam es nach Gesprächen mit dem ägyptischen Justizministerium zu einer Wiederaufnahme der Kooperation zum Thema „Schutz von Frauen in der und durch die Justiz“. Der erfolgreiche Abschluss dieses vom Auswärtigen Amt finanzierten Projekts bildete eine positive und vertrauensvolle Ausgangslage für zukünftige Kooperationen mit dem Justizministerium. Folglich sollte 2020 die Zusammenarbeit mit dem ägyptischen Justizministerium sukzessive ausgeweitet werden. Insbesondere waren Maßnahmen zur Aus- und Fortbildung ägyptischer Richterinnen und Richter und zum Verbraucherschutz vorgesehen. Aufgrund der COVID-19-Pandemie mussten bereits organisierte Präsenzveranstaltungen in Kairo im Frühjahr 2020 kurzfristig abgesagt werden. Der pandemiebedingte Lockdown sowie umfangreiche Umstrukturierungen im ägyptischen Justizministerium erschwerten die Kommunikation. Die Durchführung der geplanten Veranstaltungen im Online-Format war aufgrund fehlender Genehmigungen nicht möglich.

Von der Europäischen Union finanziertes Projekt

EU-Twinning-Projekt: “Supporting and upgrading the institutional, technical and raising awareness capabilities of the Egyptian Patent Office (EGPO)”

Seit Januar 2020 unterstützt die IRZ als Juniorpartner zusammen mit den dänischen Patent- und Markenämtern und unter Federführung der spanischen Organisation FIIAPP (Internationale und Iberoamerikanische Stiftung für Verwaltung und öffentliche Politik) Ägypten im Rahmen des Twinning-Projekts zum Schutz des geistigen Eigentums. Die für 2020 geplanten Maßnahmen erforderten wegen der COVID-19-Pandemie weitgehend neue Planungen, da das Projekt für mehrere Monate ausgesetzt war.

Das Projekt zielt darauf ab, die Kapazitäten des EGPO in Zusammenarbeit mit den ägyptischen Kolleginnen und Kollegen in vielen unterschiedlichen Bereichen zu verbessern. Dies soll durch die Entwicklung einer Strategie für geistiges Eigentum und die Bereitstellung von Informationsaustauschmechanismen für das EGPO sowie durch die Erstellung eines Gesamtüberblicks über Strategien, Politik und Mechanismen im Bereich „Geistiges Eigentum“ erreicht werden. Eine geplante Aufklärung zum Thema „Geistiges Eigentum im öffentlichen und privaten Sektor in Ägypten“ wird auf diese Strategie aufbauen.

Die Verbesserung der fachlichen Kompetenzen der EGPO-Mitarbeiter wird durch ein Ausbildungsprogramm von Trainerinnen und Trainern angestrebt. Dabei werden die Expertinnen und Experten der IRZ den Ausbildungsbedarf in jeder Abteilung der EGPO ermitteln sowie eine Analyse der Abläufe und der einzelnen Arbeitsschritte erstellen. Auf Grundlage der Ergebnisse dieser Analyse sollen Empfehlungen zur Umstrukturierung einzelner Abteilungen sowie zu Änderungen von Arbeitsabläufen innerhalb der EGPO gegeben werden. Die Umsetzung des Projekts hat zum Ziel, die Leistung des EGPO zu verbessern und an die Standards ähnlicher Patentämter in der EU anzugleichen. Eine bessere Nutzung des Patentsystems wird zu einem verbesserten und stärkeren Schutz für ägyptische Innovationen führen.

Ausblick

Im Hinblick auf die stockende Zusammenarbeit im Jahr 2020 bemüht sich die IRZ, den Kontakt zum ägyptischen Justizministerium wiederherzustellen. Für das Jahr 2021 plant die IRZ, abhängig von der politischen Lage und der weiteren Entwicklung des Pandemiegeschehens in Ägypten, die Kooperation mit den ägyptischen Justizakteuren fortzusetzen. Die im Jahr 2020 ausgefallenen Maßnahmen sollen nachgeholt werden. Zudem wird eine verstärkte Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zu menschenrechtlich relevanten Themen angestrebt.

Insgesamt wird die weitere Zusammenarbeit davon abhängen, ob und inwieweit die Unterstützung einer rechtsstaatlichen Entwicklung möglich sein wird. Die IRZ wird daher die Lage in Ägypten weiterhin im Blick behalten und zukünftige Maßnahmen mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und dem Auswärtigen Amt abstimmen.