Online-Fachgespräch zum Thema „Zivile Lebenspartnerschaften“

Herr Ministerialrat a.D. Dr. Thomas Meyer im BMJ während des Online-Fachgesprächs über zivile Lebenspartnerschaften am 12. April 2023.
Herr Ministerialrat a.D. Dr. Thomas Meyer im BMJ während des Online-Fachgesprächs über zivile Lebenspartnerschaften am 12. April 2023.
Ukraine

Gemäß dem bereits am 23. Juni 2021 in der Ukraine verabschiedeten Aktionsplan zur Umsetzung der Nationalen Strategie im Bereich der Menschenrechte für die Jahre 2021-2023 ist unter anderem auch die Einführung des Instituts der eingetragenen zivilen Lebenspartnerschaft vorgesehen. In der gegenwärtigen Situation bekommt dieses Thema zudem eine besondere Bedeutung und Relevanz, da eine große Anzahl von Vertreterinnen und Vertretern der LGBTQI-Community in den Reihen der Streitkräfte dienen und die Ukraine verteidigen. Ein entsprechender Gesetzentwurf wird daher ausgearbeitet.

Auf Wunsch des Justizministeriums der Ukraine organisierte die IRZ daher am 12. April 2023 ein Online-Fachgespräch zum Thema „Zivile Lebenspartnerschaften“. Als deutscher Experte konnte Herr Ministerialrat a.D. Dr. Thomas Meyer gewonnen werden, der derzeit als langjähriger Referatsleiter im Bundesministerium der Justiz die Ausarbeitung des deutschen Lebenspartnerschaftsgesetz begleitete. In seinem ersten Vortrag ging Herr Dr. Meyer auf die damalige allgemeine gesellschaftliche und politische Situation sowie die Entstehung und Entwicklung des deutschen Lebenspartnerschaftsgesetzes ein. Im zweiten Teil erörterte er die Regelungen des deutschen Lebenspartnerschaftsgesetzes im Einzelnen sowie dessen weitere Überarbeitung bis hin zur Einführung der Ehe für alle im Jahr 2017.

An dem Online-Fachgespräch nahmen Vertreterinnen und Vertreter des Justizministeriums der Ukraine, darunter der Stellvertretende Justizminister der Ukraine Dr. Oleksandr Banchuk und die Stellvertretende Justizministerin der Ukraine für europäische Integration, Valeriia Kolomiiets, sowie auch Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft teil (Wohltätigkeitsorganisation „100 Prozent Leben“ und Nationales LGBTI-Konsortium #LGBTI_PRO).

Hinsichtlich der geplanten Einführung eines Gesetzes über „Zivile Lebenspartnerschaften“ berief man sich in den ukrainischen Beiträgen zum Fachgespräch auf das Diskriminierungsverbot in Art. 24 der Verfassung der Ukraine und Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Die ukrainischen Partner betonten, dass es nicht um eine gleichgeschlechtliche Ehe, sondern zunächst nur um eine eingetragene Lebenspartnerschaft gehe. Denn erstens sei die Ehe in der Verfassung der Ukraine und im Familiengesetzbuch als Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau festgelegt – und eine Änderung der Verfassung sei während der Geltung des Kriegsrechts verboten – und zweitens müsse man, so positiv die Ergebnisse von Meinungsumfragen über das Recht auf eine eingetragene Lebenspartnerschaft in letzter Zeit auch waren, eingestehen, dass diese Veränderung für einen großen Teil der ukrainischen Gesellschaft ziemlich revolutionär sei.

Diese Entwicklung gilt übrigens nicht nur für die Ukraine. Viele europäische Länder, darunter auch Deutschland, haben zunächst das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft eingeführt und erst im Laufe der Jahre homo- und heterosexuelle Paare vollständig gleichgestellt, wobei es in einigen Ländern immer noch nur das Institut der Lebenspartnerschaft gibt.

Arbeitsbesuch einer Delegation der Generalstaatsanwaltschaft und des Justizministeriums der Ukraine

Symbolbild
Symbolbild
Ukraine

In der letzten Märzwoche hielt sich eine Delegation der Generalstaatsanwaltschaft und des Justizministeriums der Ukraine zu einem Arbeitsbesuch zum Völkerstrafrecht in Berlin auf. Die Idee zu diesem Arbeitsbesuch geht zurück auf eine Begegnung des Generalstaatsanwalts der Ukraine, Andriy Kostin, mit Generalbundesanwalt Dr. Peter Frank am Rande des G 7-Justizminister-Treffens im Herbst 2022 in Berlin.

Der ukrainischen Bitte, sich zu Ermittlungsmethoden hinsichtlich Völkerstrafrecht und Kriegsverbrechen fachlich auszutauschen, sind die Bundesanwaltschaft und das Bundesministerium der Justiz gerne nachgekommen. So konnten sich auf Einladung der IRZ, die diesen Arbeitsaufenthalt organisatorisch betreute, Vertreterinnen und Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft und des Justizministeriums der Ukraine zu dreitägigen Fachgesprächen im Bundesministerium der Justiz aufhalten und mit ihren Kolleginnen und Kollegen der Bundesanwaltschaft und des Bundeskriminalamtes sowie mit Oberstaatsanwalt Klaus Hoffmann, der derzeit im Rahmen der Atrocity Crimes Advisory Group in der Ukraine tätig ist, relevante Fragen zur Ermittlung von Völkerstraftaten intensiv erörtern.

Erfahrungsaustausch des Berufungsgerichts Kyiv und des Oberlandesgerichts Oldenburg

Die Vizepräsidentin des Berufungsgerichts Kyiv, Hanna Kryzhanivska (Mitte), mit Richterkolleginnen und -kollegen während des Online-Fachgespräches am 22.03.2023.
Die Vizepräsidentin des Berufungsgerichts Kyiv, Hanna Kryzhanivska (Mitte), mit Richterkolleginnen und -kollegen während des Online-Fachgespräches am 22.03.2023.
Ukraine

Die von der IRZ initiierte und gepflegte Zusammenarbeit des Oberlandesgerichts Oldenburg mit dem Berufungsgericht Kyiv besteht bereits seit 2016. Durch den regelmäßigen kollegial-fachlichen Austausch zwischen beiden Gerichten wird ein europäisches richterliches Selbstverständnis gefördert.

Ursprünglich für Ende 2022 vorgesehen, musste das Online-Treffen aufgrund kriegsbedingt aufgetretenen Stromausfalles zweimal abgebrochen werden. Am 22. März 2023 fand der Austausch – trotz Luftalarm in Kyiv – schließlich statt. Schwerpunkt des Fachgesprächs war das Thema „E-Justiz“.

Die Teilnehmenden des Online-Fachgesprächs erörterten zuerst die derzeitige Lage und Rechtsprechung der ukrainischen Justiz und des Berufungsgerichts Kyiv unter den aktuellen Kriegsbedingungen. Die Richter des Berufungsgerichts Kyiv Borys Levenets und Yurii Tryasun schilderten in ihrem Vortrag die Arbeitsorganisation des Gerichts in den ersten Monaten des Krieges sowie die aktuellen Besonderheiten des Gerichtsverfahrens unter den Bedingungen des Kriegsrechts.

Ein weiteres Diskussionsthema war die Einführung der elektronischen Akte in der Justiz. Dr. Jana Bruns-Klaes, Richterin am Oberlandesgericht Oldenburg, erörterte folgende Punkte: elektronischer Rechtsverkehr und elektronische Akte, Auswirkungen für die Rechtssuchenden sowie Auswirkungen für die Justiz. Im Anschluss berichtete die stellvertretende Vorsitzende des Berufungsgerichts Kyiv, Hanna Kryzhanivska, über die diesbezüglichen Erfahrungen ihres Gerichts und die spezifischen Herausforderungen der elektronischen Justiz.

Der Erfahrungsaustausch zwischen Richterinnen und Richtern des Berufungsgerichts Kyiv und des Oberlandesgerichts Oldenburg soll auch in Zukunft fortgesetzt werden – sofern es möglich ist, auch wieder in Präsenz, beispielsweise durch einen Arbeitsbesuch in Oldenburg. Die Präsidentin des Oberlandesgerichts Oldenburg, Anke van Hove, und die IRZ betonten, wie wichtig es sei, den Dialog zwischen den beiden Gerichten gerade jetzt aufrecht zu erhalten und bekräftigten ihre Bereitschaft, diese Zusammenarbeit fortzusetzen.