Kosovo - Jahresbericht 2013

Landesbericht Kosovo 2013Workshop zur Verfassungsbeschwerde und zu den Menschenrechten (EMRK) in Pristina

Allgemeines – Konzeptionelle Ausrichtung

Rechtspolitische Ausgangslage

Die Republik Kosovo, die 2008 ihre Unabhängigkeit erklärt hat, ist mittlerweile von der Mehrzahl der UN-Mitgliedstaaten als unabhängiger Staat anerkannt worden, darunter von 23 der 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union und von den Vereinigten Staaten von Amerika. Der Internationale Gerichtshof stellte im Juli 2010 in einem rechtlich nicht bindenden Gutachten fest, dass die Unabhängigkeitserklärung Kosovos nicht gegen das Völkerrecht verstößt. Die Europäische Kommission klassifiziert Kosovo unter Hinweis auf die UN-Resolution 1244, die den endgültigen völkerrechtlichen Status offenlässt, als potenziellen EU-Beitrittskandidaten. Eine Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen und vielen anderen internationalen Organisationen bleibt Kosovo bis heute vorenthalten. Nach dem Krieg im Jahr 1999 wurde Kosovo unter die Verwaltungshoheit der Vereinten Nationen (UNMIK) gestellt. Seit Ende 2008 wird der Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen in einem multiethnischen Staat zudem durch die „EULEX Kosovo" unterstützt, wobei EULEX in gewissem Rahmen neben Mentoring, Monitoring und Advising auch exekutive Befugnisse im justiziellen und polizeilichen Bereich zustehen. Mit Blick auf den Ausbau der Kapazitäten der kosovarischen Behörden wurde das Mandat von EULEX 2012 neu zugeschnitten, bis Juni 2014 verlängert und vom Umfang her verringert. Im September 2012 wurde die Überwachung der Unabhängigkeit Kosovos beendet und der Internationale Zivile Repräsentant (ICR) im September 2012 abberufen, nachdem Kosovo den dafür erforderlichen Verfassungs- und Rechtsrahmen geschaffen hatte.

Der aktuelle Fortschrittsbericht der EU für Kosovo weist das Jahr 2013 als historisch für Kosovo auf seinem Weg in die Europäische Union aus. Kosovo ist den in der Machbarkeitsstudie für ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen vom Oktober 2012 benannten Anforderungen in den Bereichen der Rechtsstaatlichkeit, der öffentlichen Verwaltung, des Minderheitenschutzes und des Handels nachgekommen. Zudem haben sich die Beziehungen zu Serbien deutlich verbessert. Nunmehr sind Verhandlungen für ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Kosovo aufgenommen worden.

Mit Blick auf die Erfüllung der Vorgaben aus einem Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen muss Kosovo weitere Schritte unter anderem in den Bereichen der Rechtsstaatlichkeit, des Justizwesens, der öffentlichen Verwaltung, der Wahlreform, des Parlaments, der Menschen- und Grundrechte, des Minderheitenschutzes, des Handels und des Binnenmarktes unternehmen. Dabei stehen insbesondere auch die Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Korruption, das Erlassen von Sicherheitsmaßnahmen für Justizpersonal und Verfahrensbeteiligte, der Abbau von Verfahrensrückstau und die Beachtung prozessrechtlicher Vorschriften im Vordergrund.

Bisherige Zusammenarbeit

Die IRZ hat in Kosovo seit 2001 eine Reihe von bilateralen Projekten, Drittmittelprojekten und Twinning-Projekten geleitet. Das Jahr 2013 war geprägt durch eine intensive bilaterale Zusammenarbeit mit dem Verfassungsgericht der Republik Kosovo, der Rechtsfakultät der Universität Pristina und dem Kosovo Judicial Institute (KJI). Die intensive bilaterale Zusammenarbeit mit dem KJI diente insbesondere der Nachhaltigkeit des im Jahre 2012 erfolgreich abgeschlossenen Twinning-Projekts „Legal Education System Reform". Die weitere Verfolgung dieses Zweckes wird im Jahr 2014 von dem Ende des Jahres 2013 angelaufenen Drittmittelprojekt „Further Support to Kosovo Legal Education Reform" übernommen werden. Dieses Projekt läuft unter der Federführung der IRZ. Im Jahr 2013 wurde darüber hinaus mit der Implementierung des Twinning-Projekts „Strengthening International Legal Cooperation" begonnen, ebenfalls unter der Federführung der IRZ. Zwei weitere Twinning-Projekte („Improving the Approximation of Laws and Coherence of the Legal Framework" und „Strengthening the Correctional and Probation Services in Kosovo") befanden sich seit 2013 in der Vorbereitungsphase und werden in der ersten Jahreshälfte 2014 unter der Federführung der IRZ anlaufen.

Wichtige Partner

  • Verfassungsgericht
  • Kosovo Judicial Institute
  • Juristische Fakultät der Universität Pristina
  • Kosovarische Rechtsanwaltskammer
  • Justizministerium

Strategie und Vorgehensweise

Das Besondere an der Arbeit in Kosovo ist, dass das Land in einem Maße von ausländischen Organisationen unterstützt wird, das die Aufnahmefähigkeit der dortigen Projektpartner zu überschreiten droht. Deshalb ist vor jeder Maßnahme eingehend deren Notwendigkeit zu prüfen, um einer Duplizierung von Anstrengungen und Kosten vorzubeugen. Über die genannten Drittmittel- und Twinning-Projekte hinaus setzt die IRZ im bilateralen Bereich vorwiegend Projekte mit bewährten Partnern fort, z.B. dem kosovarischen Verfassungsgericht, bei deren Planung sie sich mit anderen Organisationen abstimmt.

Tätigkeitsschwerpunkte 2013

Verfassungsrecht / Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Beschaffung verfassungsrechtlicher Literatur für die Bibliothek des kosovarischen Verfassungsgerichts
  • Teilnahme des Präsidenten, des Vizepräsidenten und der Generalsekretärin des Verfassungsgerichts der Republik Kosovo sowie einer Professorin für Internationales Recht an der Universität Pristina/ehemaligen Richterin am kosovarischen Verfassungsgericht an dem XV. Internationalen Kongress für europäisches und vergleichendes Verfassungsrecht in Regensburg in Zusammenarbeit mit der Universität Regensburg
  • Seminar mit Richterinnen und Richtern des kosovarischen Verfassungsgerichts und des kosovarischen Obersten Gerichts mit dem Ziel, die Nachhaltigkeit der Entscheidungen des kosovarischen Verfassungsgerichts im Rahmen von Verfassungsbeschwerden zu gewährleisten
  • Seminar mit Richterinnen und Richtern des kosovarischen Verfassungsgerichts und des kosovarischen Obersten Gerichts zum Thema „Konkrete Normenkontrolle" in Zusammenarbeit mit der Britischen Botschaft in Pristina
  • Studienreise für sechs Ausbilder und den Direktor des Kosovo Judicial Institute (KJI) zum Thema „Menschenrechte" nach Straßburg in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und dem Europarat
  • Vorlesung zum Verfassungsrecht an der Universität Pristina
  • Hospitation einer Professorin für Internationales Recht an der Universität Pristina/ehemaligen Richterin am kosovarischen Verfassungsgericht zu Themen der Verfassungsgerichtsbarkeit und des Sozialrechts an der Universität Regensburg
  • Teilnahme von zwei kosovarischen Parlamentariern aus dem Rechtsausschuss des kosovarischen Parlaments an der III. Internationalen Konferenz der parlamentarischen Rechtsausschüsse zum Thema „Der Weg der Gesetzgebung – Rolle und Einfluss der daran beteiligten Institutionen" in Berlin

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Teilnahme des Präsidenten der kosovarischen Wettbewerbskommission an der 16. Internationalen Kartellkonferenz in Berlin in Zusammenarbeit mit dem Bundeskartellamt

Rechtspflege

  • Vier Seminare zum Thema „Mediation" für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Pristina in Zusammenarbeit mit dem Kosovo Judicial Institute (KJI)
  • Dreitägiger Workshop für zukünftige Ausbilderinnen und Ausbilder am KJI zum Thema „Mediation" in Pristina

Öffentliches Recht

  • Studienreise für fünf Ausbilderinnen und Ausbilder am KJI im Europarecht und einer weiteren Mitarbeiterin am KJI zum Thema „Ausarbeitung von Lehrplänen zum Europarecht" in Trier und Luxemburg in Zusammenarbeit mit der Europäischen Rechtsakademie in Trier und dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg

Aus- und Fortbildung

  • Studienreise für zehn Vertreterinnen und Vertreter verschiedener kosovarischer rechtlicher Institutionen zur Deutschen Richterakademie in Wustrau zum Thema „Organisation und Arbeitsweise der Deutschen Richterakademie, Verwaltung, Finanzielles und internationale Beziehungen, Kommunikation und Zusammenarbeit" in Wustrau und Berlin in Zusammenarbeit mit der Deutschen Richterakademie
  • Teilnahme zweier Studenten der Rechtswissenschaft (Universität Pristina) am Rechtsterminologiekurs am Goethe-Institut Bonn

Ausblick

Die IRZ plant 2014 die weitere bilaterale Zusammenarbeit mit den bisherigen Partnerinstitutionen. Sie will das Verfassungsgericht beim Aufbau einer eigenständigen Verfassungsgerichtsbarkeit in Kosovo weiter unterstützen. Basierend auf im Jahr 2013 durchgeführten Seminaren soll ein Leitfaden für die Urteilsverfassungsbeschwerde und Richtervorlage an das Verfassungsgericht der Republik Kosovo herausgegeben werden, der die Interaktion zwischen dem Verfassungsgericht und anderen Gerichten Kosovos, insbesondere dem Obersten Gericht, verbessern soll. Einen weiteren Fokus legt die IRZ auf die Zusammenarbeit mit der Rechtsfakultät der Universität in Pristina sowie auf die Unterstützung der Rechtsanwaltskammer. Darüber hinaus ist die Beratung des Conditional Release Panel am kosovarischen Obersten Gericht zum Thema „Strafaussetzung zur Bewährung" geplant.