Erschöpfte, aber zufriedene Gesichter nach dem Mock Trial in Ho-Chi-Minh-Stadt Vietnam
Vietnam hat 2024 ein neues Jugendstrafrecht verabschiedet und geht damit einen bedeutenden Schritt in Richtung einer moderneren und jugendgerechteren Strafrechtspflege. Die Entstehung des Gesetzes, das Anfang 2026 in Kraft treten wird, ist langjährig von der IRZ fachlich begleitet worden.
Ähnlich wie im deutschen Strafrecht steht nun der Erziehungsgedanke im Fokus. Ziel ist es, durch Elemente wie die Einbindung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern oder Nutzung ambulanter Maßnahmen wie Freizeitarbeiten oder Kompetenztrainings, auf die Entwicklung der jungen Menschen positiv einzuwirken.
Um die vietnamesische Justiz auf die Anwendung des neuen Rechts in der Praxis vorzubereiten, hat die IRZ daher im August gleich mehrere Maßnahmen mit verschiedenen Partnern in Ho-Chi-Minh-Stadt zum Thema durchgeführt. Ein besonderes Highlight war hier ein sog. Mock Trial mit der vietnamesischen Justizakademie, also eine simulierte Gerichtsverhandlung auf Basis eines Übungsfalls. Hier konnten die künftigen Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwender in verschiedenen Rollen die Anwendung des Rechts in der Praxis erproben und wurden so für die spezifischen Aspekte des Jugendstrafrechts sensibilisiert. Auch unsere deutschen Experten zeigten anhand des Übungsfalls einen möglichen Ablauf nach deutschem Recht, was im Anschluss eine tiefgehende Analyse und fruchtbaren Austausch zu Gemeinsamkeiten, Unterschieden und Besonderheiten im Jugendstrafrecht von Vietnam und Deutschland führte.
Zudem wurde mit dem Obersten Volksgerichtshof eine erfolgreiche Fortbildung zur Anwendung und Durchsetzung des Jugendstrafrechts in der Praxis, an der ca. 40 Richterinnen und Richter aus verschiedenen Regionen Vietnams teilnahmen, durchgeführt. Auf besonderes Interesse stieß hier unser Schulungsfilm „Raub einer Weste“ zum Jugendstrafrecht, der ebenfalls im Rahmen einer Gastvorlesung an der Universität von Saigon sowie bei vorherigen Fortbildungen zum Einsatz kam und sogar in der Vietnamesischen Nationalversammlung gezeigt wurde.
Mitte: Vizejustizminister Nguyen Khanh Ngoc, 3. v. r: Leiter der Abteilung für interna-tionale Kooperation: Nguyen Huu Huyen, links daneben: Anne Zimmermann, Refe-ratsleiterin im Bundesministerium der Justiz, 4.v. links: Dr. Mario Györi, Politischer Referent in der deutschen Botschaft Hanoi Vietnam
Basierend auf dem Arbeitsplan 2024 des deutsch-vietnamesischen Rechtsstaatsdialogs führte die IRZ in Zusammenarbeit mit dem vietnamesischen Justizministerium am 10. Dezember 2024 einen Workshop zur Abschaffung der Todesstrafe durch. Im Zusammenhang mit der Evaluierung des vor zehn Jahren reformierten Strafgesetzbuchs gibt es Überlegungen, weitere Straftatbestände, die mit der Todesstrafe bedroht sind, zu reduzieren. Prof. Dr. Henning Rosenau, Lehrstuhlinhaber für Strafrecht, Strafprozessrecht und Medizinrecht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sowie Geschäftsführender Direktor des Interdisziplinären Zentrums Medizin - Ethik - Recht, beleuchtete die weltweiten Tendenzen zur Abschaffung der Todesstrafe. Im Austausch mit den vietnamesischen Teilnehmenden stand der langfristige Prozess, wie die Todesstrafe eliminiert werden kann, im Mittelpunkt.
Ein Workshop zu dem für die Wirtschaft wichtigen Thema der Handelsschiedsgerichtsbarkeit wurde vom 10. bis 11. Dezember 2024 mit der Vietnam Lawyers Association besetzt. Für die IRZ waren Prof. Dr. Stephan Wernicke, Chefjustitiar der DIHK und Vizepräsident des Kuratoriums der IRZ und Rechtsanwalt Jan Schäfer im Einsatz. Sie bewirkten mit den Teilnehmenden aus vietnamesischen Schiedsinstitutionen, der Wissenschaft, der ordentlichen Gerichtsbarkeit u.a. interessante und lebhafte Diskussionen, wie moderne und für Investoren attraktive Schiedsgerichtsmodelle aufgestellt werden können. Das relevante vietnamesische Gesetz aus 2011 soll 2025 novelliert werden, so dass die IRZ die Beratung fortsetzen möchte.
Die letzte der Veranstaltungen war eine Vorlesung von Prof. Henning Rosenau zu „Sterbehilfe und Recht auf selbstbestimmtes Sterben“ an der Hanoi Law University für ca. 80 Studierende, die die anschließende Diskussion mit vielen Fragen bereicherten.
Gemeinsam mit Anne Zimmermann, Leiterin des Referates Internationale rechtliche Zusammenarbeit im Bundesministerium der Justiz und dem politischen Referenten an der deutschen Botschaft, Dr. Mario Györi, besuchte die Projektbereichsleiterin Angela Schmeink das vietnamesische Justizministerium, um mit dem Abteilungsleiter für internationale Zusammenarbeit, Herrn Nguyen Huu Huyen, über den Arbeitsplan 2025 im deutsch-vietnamesischen Rechtsstaatsdialog zu sprechen.
Projektbereichsleiterin Angela Schmeink und Vizejustizminister Nguyễn Khánh Ngọc während der Verleihung des Ordens Vietnam
Im Rahmen einer feierlichen Zeremonie des Vizejustizministers Nguyễn Khánh Ngọc wurde Angela Schmeink, Projektbereichsleiterin der IRZ für die Länder Vietnam und Ukraine, der „Orden für die Verdienste für die Justiz“ verliehen, die höchste Auszeichnung des Justizministeriums für ausländische Bürgerinnen und Bürger. In der Laudatio wurde ihr Engagement für die deutsch-vietnamesische Kooperation für die vergangenen 15 Jahre gewürdigt.