Vietnam - Jahresbericht 2016

Delegation des Vietnamesischen Instituts für Menschenrechte beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe

Delegation des Vietnamesischen Instituts für Menschenrechte beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Die IRZ realisiert seit 2010 Projekte im deutsch-vietnamesischen Rechtsstaatsdialog, der 2009 zwischen dem Bundesministerium der Justiz und dem vietnamesischen Justizministerium ins Leben gerufen wurde. Seit 2009 wurden drei Arbeitsprogramme für jeweils drei Jahre verabschiedet, zuletzt im April 2015 ein Programm mit einer Laufzeit bis April 2018.

Die IRZ arbeitet kontinuierlich mit verschiedenen Partnern aus der Justiz, den juristischen Ausbildungseinrichtungen und der Wissenschaft zusammen. Die rechtlichen Reformprozesse in Vietnam sind äußerst dynamisch. Als Ergebnis des Inkrafttretens der neuen Verfassung 2014 und der damit angestrebten Vereinheitlichung und Novellierung des Rechts- und Justizsystems werden anhaltend Reformvorhaben angestoßen.

Dem Ausbau des Rechtsstaates wird große Bedeutung zugeschrieben und mit großem Interesse mit deutschen Partnern diskutiert. Die IRZ greift dies regelmäßig auf und realisiert vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen entsprechende Beratungsprojekte mit verschiedenen Partnern.

Konzeption

Das vietnamesische Justizministerium ist weiterhin ein wichtiger Kooperationspartner, mit dem 2016 zwei Workshops durchgeführt wurden. Das rechtswissenschaftliche Forschungsinstitut des Justizministeriums hatte vietnamesische Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Parlament, Regierung und Zivilgesellschaft eingeladen, um mit deutschen Kolleginnen und Kollegen die Gründung des nationalen Instituts für Menschenrechte zu diskutieren. Die bemerkenswert offenen Debatten behandelten das vietnamesische Selbstverständnis der staatlichen Gewaltenteilung und die staatlich geduldeten Menschenrechtsverletzungen.

Die andere Veranstaltung beinhaltete einen Erfahrungsaustausch zum Jugendstrafrecht, das in Vietnam nicht eigenständig kodifiziert ist, sich aber zunehmend durch die Praxis entwickelt und dessen Bedeutung durch ein erstes spezialisiertes Gericht in Ho-Chi-Minh-Stadt hervorgehoben ist.

Die im Geschäftsbereich des Justizministeriums tätige Justizakademie ist ein der IRZ langjährig verbundener Partner. Sie ist die zentrale Ausbildungseinrichtung für angehende Juristinnen und Juristen aus der Richterschaft, Staatsanwaltschaft, Rechtsanwaltschaft, dem Notariat sowie anderen juristischen Berufen. Einer der Schwerpunkte der IRZ liegt auf praxisorientierten Maßnahmen für junge Juristinnen und Juristen, da die juristische Ausbildung in Vietnam insbesondere im Hinblick auf die Vorbereitung auf den beruflichen Alltag ausbaufähig ist.

In Kooperation mit der Justizakademie wurde bereits zum zweiten Mal ein Seminar zur Falllösungsmethodik durchgeführt, in dem die Bearbeitung von Sachverhalten mit Hilfe der Subsumtions- und Relationstechnik sowie verschiedener Methoden vermittelt wurde. Wegen der großen Nachfrage wird nun ein entsprechendes Handbuch erstellt, das auch außerhalb der Seminare als Lehrmittel für junge Juristinnen und Juristen – nicht nur in Vietnam – dienen kann.

Ebenfalls mit der Justizakademie wurde – wie seit 2013 einmal jährlich –ein Moot Court (simuliertes Gerichtsverfahren) durchgeführt. Nachdem diese Moot Courts für das Zivil-, Straf- und Verwaltungsrecht durchgeführt wurden, kann festgestellt werden, dass regelmäßig die größte Aufmerksamkeit auf vietnamesischer Seite dem Beweisrecht – Erhebung, Würdigung, Aufnahme, Verwertung – galt. Darüber hinaus waren Frage- und Vernehmungstechnik im Umgang mit Zeuginnen und Zeugen ein Schwerpunkt.

Ein Fokus der IRZ liegt auf der Stärkung der Menschenrechte in Vietnam. So knüpfte die IRZ auch im Berichtsjahr an die seit 2011 laufende Kooperation mit dem Vietnamesischen Institut für Menschenrechte (VIMR) an. Das dazu konzipierte Projekt zur Stärkung des Menschen- und Grundrechtsschutzes in Vietnam durch Rechtsstaat und unabhängige Justiz mit einem Studienbesuch in Deutschland und einer rechtsvergleichenden Konferenz in Ho-Chi-Minh-Stadt wurde mit Mitteln des Auswärtigen Amts gefördert. Die Besuche bei verschiedenen deutschen Einrichtungen zeigten, wie die diskutierten rechtsstaatlichen Prinzipien in der Praxis in Deutschland konkretisiert werden und wie zentrale Institutionen des Menschenrechtsschutzes ihre Funktion wahrnehmen. Höhepunkt des Aufenthaltes war der Besuch beim Bundesverfassungsgericht, das in Vietnam auf besonderes Interesse trifft, da es eine solche spezialisierte Gerichtsbarkeit dort nicht gibt, aber regelmäßig thematisiert wird.

Die vietnamesische Rechtsanwaltskammer trägt regelmäßig das Anliegen an die IRZ heran, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in der Ausübung ihrer Tätigkeit zu stärken. So wurden Workshops in Hanoi und in Ho-Chi-Minh-Stadt sowie eine Studienreise nach Berlin durchgeführt. Schwerpunkte waren unter anderem Prozessführung, Beweisführung im Strafprozess und Befragungs- und Vernehmungstechnik – vor allem im Hinblick auf die novellierte Strafprozessordnung, die 2017 in Kraft treten wird.

Weitere Aktivitäten zum Strafrecht wurden mit der Obersten Volksstaatsanwaltschaft realisiert, indem ein Seminar zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität in Ho-Chi-Minh-Stadt durchgeführt wurde.

Wirtschaftsrechtliche Themen bediente das Seminar zu Handelsschiedsgerichtsbarkeit und internationaler Investitionsschiedsgerichtsbarkeit mit dem Rechtsamt Ho-Chi-Minh-Stadt. Südvietnam ist die zentrale Wirtschaftsregion des Landes und zieht viele ausländische Investoren an. Für die zahlreichen Investitionsprojekte braucht es verbindliche Regeln. Dementsprechend waren Regelungen für die Gestaltung und Abwicklung von Verträgen sowie für Verfahren zur Streitbeilegung Themen der Veranstaltung.

Tätigkeitsschwerpunkte 2016

Verfassungsrecht / Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Konferenz zur Stärkung des Menschenrechtsschutzes durch Rechtsstaatlichkeit und unabhängige Justiz, in Zusammenarbeit mit dem Vietnamesischen Institut für Menschenrechte (VIMR), gefördert durch das Auswärtige Amt, in Ho-Chi-Minh-Stadt
  • Studienreise einer vietnamesischen Delegation des VIMR nach Karlsruhe und Berlin
  • Workshop zur Einrichtung einer nationalen Institution zum Menschenrechtsschutz mit dem Justizministerium in Hanoi
  • Vorlesung zu den Grundzügen des deutschen Verfassungsrechts an der Rechtshochschule in Ho-Chi-Minh-Stadt

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Seminar zur Handelsschiedsgerichtsbarkeit und internationalen Investitionsschiedsgerichtsbarkeit mit dem Rechtsamt Ho-Chi-Minh-Stadt
  • Vorlesung zur Handelsschiedsgerichtbarkeit und zur internationalen Investitionsschiedsgerichtsbarkeit an der Wirtschaftsuniversität Ho-Chi-Minh-Stadt

Strafrecht und Strafvollzugsrecht

  • Beratung zur Novellierung des Jugendstrafrechts mit dem Justizministerium in Hanoi
  • Seminar zu Prävention und Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität mit der Obersten Volksstaatsanwaltschaft in Ho-Chi-Minh-Stadt
  • Studienreise zur neuen Strafprozessordnung und zu Prozess- / Beweisführung mit der vietnamesischen Rechtsanwaltskammer nach Berlin
  • Seminare zur Befragungs-/ Vernehmungstechnik und zur Beweisführung im Strafprozess mit der vietnamesischen Rechtsanwaltskammer in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt
  • Vorlesung zu Verfahrensgrundsätzen im deutschen Strafverfahren bei der Rechtshochschule Hanoi

Aus- und Fortbildung

  • Seminar zur juristischen Falllösungstechnik mit der Justizakademie in Hanoi
  • Durchführung eines Moot Court im Strafprozessrecht mit der Justizakademie in Hanoi
  • Seminar zum Beweisrecht mit der Justizakademie in Hanoi, insbesondere zur Beweisführung; Folgemaßnahme zum Moot Court 2015
  • Veröffentlichung eines Tagungsbandes zu Grundzügen der Methodik zur juristischen Falllösung mit der Justizakademie

Ausblick

Das Arbeitsprogramm des Rechtsstaatsdialoges bis April 2018 enthält umfangreiche Beratungskomponenten in allen oben genannten Schwerpunktbereichen, und die IRZ wird auch weiterhin Projekte im deutsch-vietnamesischen Rechtsstaatsdialog implementieren. Mit Blick auf die bislang gewonnenen Erfahrungen werden vorrangig praxisnahe und möglichst interaktive Formate geplant, um die Rechtsanwendung in den verschiedenen juristischen Berufen auszubauen.

Laden Sie hier den gesamten Jahresbericht der IRZ im PDF-Format herunter: Jahresbericht 2016.