Christian Schmitz-Justen, Vizepräsident des Oberlandesgerichts Köln, während seines Vortrags in der albanischen Magistratenschule. Albanien
Anknüpfend an die langjährige Zusammenarbeit mit der albanischen Magistratenschule, beteiligte sich die IRZ am 21. und 22. Juni an einer Fortbildungsveranstaltung, die sich dem Thema „Elektronische Beweismittel in Zivilverfahren“ widmete.
In Anwesenheit von zwölf Richterinnen und Richtern fand das Seminar vor dem Hintergrund der fortschreitenden Bedeutung elektronischer Beweismittel in der albanischen Justiz sowie den jüngsten Anpassungen in der Zivilprozessordnung statt.
Im Fokus der Maßnahme stand dabei eine umfassende rechtsvergleichende Betrachtung der in Albanien und Deutschland gängigen Praxis im Umgang mit elektronischen Beweismitteln, wobei Lösungsansätze und Best Pratice für den Alltag der albanischen Richterschaft und Staatsanwaltschaft identifiziert werden sollten.
Als deutschen Experten konnte die IRZ Christian Schmitz-Justen, Vizepräsident des Oberlandesgerichts Köln, gewinnen.
Im Wechselspiel mit dem albanischen Expertenteam, bestehend aus Dr. Flutura Kola (Professorin an der Universität Tirana), Emona Muci (Richterin am Bezirksgericht Tirana) und Dashamir Kore (Lehrbeauftragter der Magistratenschule), beleuchteten die Referierenden die Bedeutung und Würdigung elektronischer Beweise im albanischen und deutschen Zivilprozess. Die unterschiedlichen Rechtspraktiken und Verwaltungsstrukturen, die sich in diesem Zusammenhang herauskristallisierten, führten zu lebhaften Diskussionen unter den Teilnehmenden.
Christian Schmitz-Justen ging auch ausführlich auf die Rolle der Sachverständigen und der Zeugen im Zivilprozess ein und stellte anschießend die elektronische Aktenführung und die Verwaltungsstruktur des Oberlandesgerichts Köln vor. Er thematisierte auch die Einflussnahme künstlicher Intelligenz auf die Rechtsprechung. Zum letzteren Thema schilderte er den US-amerikanischen Fall Loomis vs. Wisconsin, im Rahmen dessen ein Angeklagter auf Grundlage eines von einer Software errechneten Rückfallrisikos zu einer hohen Haftstrafe verurteilt wurde. Herr Schmitz-Justen machte dabei deutlich, dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz stets mit Unklarheiten hinsichtlich der verwendeten Parameter einhergeht, weshalb die Rechtsprechung in Deutschland und Europa von derlei Technologie unabhängig bleiben sollte.
Finanziert aus Mitteln des Bundesministeriums der Justiz, wird der rechtsvergleichende Fach- und Erfahrungsaustausch mit der Magistratenschule auch in Zukunft fortgesetzt.
Auf dem Podium von links nach rechts: Agim Muslia (FIU Albanien), Edmond Konini (Generalsekretär der albanischen Rechtsanwaltskammer), Prof. Dr. Maksim Haxhia (Präsident der albanischen Rechtsanwaltskammer), Dr. Philip Seel (Experte), Dr. Veronika Denninger (Geschäftsführerin der Bundesrechtsanwaltskammer). Albanien
In Zusammenarbeit mit der albanischen Rechtsanwaltskammer und der Bundesrechtsanwaltskammer führte die IRZ am 19. und 20. Juni 2023 ein Seminar zum Thema „Geldwäscheprävention in der Anwaltschaft“ durch.
Hintergrund der Veranstaltung war die Überarbeitung des Gesetzes „Über den Anwaltsberuf in der Republik Albanien“ im Jahr 2018. Demgemäß ist die Anwaltschaft unter der Aufsicht der Rechtsanwaltskammer verpflichtet, Verdachtsfälle von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung innerhalb des eigenen Mandantenstammes der Financial Intelligence Unit (FIU) zu melden.
Für die Darstellung des deutschen und europäischen Rechtsrahmens konnte die IRZ durch Vermittlung der Bundesrechtsanwaltskammer Herrn Dr. Philip Seel, Rechtsanwalt und Notar von der Kanzlei STREITBÖRGER PartGmbB in Hamm, gewinnen.
Zu den wichtigsten Diskussionsthemen zählten:
Aufbau und Struktur der selbstverwaltenden anwaltlichen Geldwäscheaufsicht
Phänomenologie der Geldwäsche im Bereich der Anwaltschaft
Praxis der Geldwäscheaufsicht durch die Rechtsanwaltskammern
EU-Initiativen zur Geldwäschebekämpfung
Herr Dr. Seel ging ausführlich auf die deutsche Rechtspraxis im Bereich der Geldwäscheprävention und -bekämpfung ein und brachte den 22 teilnehmenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten am Beispiel seiner ehrenamtlichen Funktion als Vorstand der Rechtsanwaltskammer Hamm die dahingehenden Aufgaben und Herangehensweisen der deutschen Kammern näher. Herr Edmond Konini, Generalsekretär der albanischen Rechtsanwaltskammer und Herr Agim Muslia, Leiter der albanischen FIU, spiegelten diese Vorträge anhand der albanischen Gesetzeslage. In der anschließenden Fachdiskussion kommentierten die Teilnehmenden in zahlreichen Wortbeiträgen die Themen.
Im Laufe des Seminars wurde deutlich, dass sich die albanische Anwaltschaft aufgrund der Gesetzesänderung in einem Spannungsverhältnis zwischen dem öffentlichen Interesse an der Geldwäschebekämpfung und ihrer Verschwiegenheitsverpflichtung gegenüber den Mandantinnen und Mandanten sieht. Wenngleich sich die albanischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte als „Verpflichtete des Gesetzes“ sehen, äußerten einige Teilnehmende zunächst den Wunsch nach Klärung, ob und durch wen eine Risikoanalyse des Mandantenstammes durchgeführt werden muss. Aufgrund des finanziellen und personellen Mehraufwands, der mit dieser Risikoanalyse einhergeht, wurden Befürchtungen laut, dass die Position der Rechtsanwaltschaft in Albanien geschwächt werden könnte.
Die Veranstaltung wurde aus Mitteln des Bundesministeriums der Justiz finanziert und knüpft an die jahrelange intensive Zusammenarbeit mit der albanischen Rechtsanwaltskammer an. Langfristig hat der Austausch zum Ziel, albanische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte fachlich und praxisnah zu unterstützen sowie europäische und deutsche Best Practices aufzuzeigen, um einen Beitrag zu einer effektiven und effizienten Geldwäschebekämpfung in Albanien zu leisten.
Seminar zum Thema „Cyberkriminalität – Hetze im Internet“ in Kooperation mit der albanischen Magistratenschule am 18. und 19. Mai 2023. Albanien
Am 18. und 19. Mai 2023 richtete die IRZ in Kooperation mit der albanischen Magistratenschule ein Seminar zum Thema „Cyberkriminalität“ aus. Aufbauend auf die bisherigen Beratungen wurde im Rahmen der Veranstaltung die Anpassung der albanischen Rechtsordnung an das Budapester Übereinkommen über Computerkriminalität diskutiert. Der Fokus lag hier auf dem Bereich der Anfeindung von Menschen in Bezug auf deren Herkunft, sexueller Orientierung sowie physischen und/oder psychischen Einschränkungen. Ferner wurde die Verbreitung von religiösem Extremismus und Holocaust- oder Völkermordleugnungen behandelt.
Für die Darstellung des deutschen und europäischen Rechtsrahmens hatte die IRZ Herrn Frank-Michael Laue, Leitender Oberstaatsanwalt von der Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet / Niedersachsen (ZHIN), eingeladen.
Zu den wichtigsten Diskussionsthemen zählten:
Kriminalitätsphänomen der Hasskriminalität im Internet
Budapester Übereinkommen über Computerkriminalität
Materiell-rechtliche Normen und Gesetzesänderungen zur strafrechtlichen Bekämpfung von Hasskriminalität in Albanien und Deutschland
Herangehensweise deutscher Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Hetze im Internet
Strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen und einschlägige strafprozessuale Vorschriften in Albanien und Deutschland
Darstellung der Meldewege zu den Strafverfolgungsbehörden in Deutschland
Sicherstellung und Verwendung elektronischer Beweismittel
Gemeinsam mit den albanischen Referierenden, Frau Denisa Asko (Staatsanwältin, Staatsanwaltschaft Tirana) und Herr Edmond Koloshi (Staatsanwalt, Staatsanwaltschaft Durres), wurden die Themen im deutsch-albanischen Rechtsvergleich dargestellt, sodass den 18 anwesenden Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten Ansatzpunkte für Fragen und Diskussionen geboten werden konnte.
Während im Laufe der Vorträge von albanischer Seite ersichtlich wurde, dass Hetze im Internet zumeist nicht strafrechtlich verfolgbar ist, machte Herr Laue deutlich, dass es auch in Deutschland eines Präzedenzfalls bedurfte, um gegen derlei Straftaten vehementer vorgehen zu können: die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Jahr 2019. Diese Geschehnisse führten unter anderem dazu, dass einige Bundesländer Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet errichteten, von deren Aufbau und Herangehensweise Herr Laue am Beispiel der Zentralstelle in Niedersachsen berichtete.
Die Veranstaltung wurde aus Mitteln des Bundesministeriums der Justiz finanziert und knüpft an die jahrelange intensive Zusammenarbeit mit der Magistratenschule an, im Rahmen derer die Aus- und Weiterbildung der albanischen Richterschaft und Staatsanwaltschaft unterstützt wird.