Am 18. und 19. Mai 2023 richtete die IRZ in Kooperation mit der albanischen Magistratenschule ein Seminar zum Thema „Cyberkriminalität“ aus. Aufbauend auf die bisherigen Beratungen wurde im Rahmen der Veranstaltung die Anpassung der albanischen Rechtsordnung an das Budapester Übereinkommen über Computerkriminalität diskutiert. Der Fokus lag hier auf dem Bereich der Anfeindung von Menschen in Bezug auf deren Herkunft, sexueller Orientierung sowie physischen und/oder psychischen Einschränkungen. Ferner wurde die Verbreitung von religiösem Extremismus und Holocaust- oder Völkermordleugnungen behandelt.
Für die Darstellung des deutschen und europäischen Rechtsrahmens hatte die IRZ Herrn Frank-Michael Laue, Leitender Oberstaatsanwalt von der Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet / Niedersachsen (ZHIN), eingeladen.
Zu den wichtigsten Diskussionsthemen zählten:
Kriminalitätsphänomen der Hasskriminalität im Internet
Budapester Übereinkommen über Computerkriminalität
Materiell-rechtliche Normen und Gesetzesänderungen zur strafrechtlichen Bekämpfung von Hasskriminalität in Albanien und Deutschland
Herangehensweise deutscher Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Hetze im Internet
Strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen und einschlägige strafprozessuale Vorschriften in Albanien und Deutschland
Darstellung der Meldewege zu den Strafverfolgungsbehörden in Deutschland
Sicherstellung und Verwendung elektronischer Beweismittel
Gemeinsam mit den albanischen Referierenden, Frau Denisa Asko (Staatsanwältin, Staatsanwaltschaft Tirana) und Herr Edmond Koloshi (Staatsanwalt, Staatsanwaltschaft Durres), wurden die Themen im deutsch-albanischen Rechtsvergleich dargestellt, sodass den 18 anwesenden Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten Ansatzpunkte für Fragen und Diskussionen geboten werden konnte.
Während im Laufe der Vorträge von albanischer Seite ersichtlich wurde, dass Hetze im Internet zumeist nicht strafrechtlich verfolgbar ist, machte Herr Laue deutlich, dass es auch in Deutschland eines Präzedenzfalls bedurfte, um gegen derlei Straftaten vehementer vorgehen zu können: die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Jahr 2019. Diese Geschehnisse führten unter anderem dazu, dass einige Bundesländer Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet errichteten, von deren Aufbau und Herangehensweise Herr Laue am Beispiel der Zentralstelle in Niedersachsen berichtete.
Die Veranstaltung wurde aus Mitteln des Bundesministeriums der Justiz finanziert und knüpft an die jahrelange intensive Zusammenarbeit mit der Magistratenschule an, im Rahmen derer die Aus- und Weiterbildung der albanischen Richterschaft und Staatsanwaltschaft unterstützt wird.
Anlässlich des 110. Jubiläums des Obersten Gerichtshofs der Republik Albanien fand am 10. Mai 2023 in Tirana eine internationale Konferenz zum Thema „Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs: von nationaler Identität zu universellen Werten" statt. Die IRZ und Richterin am Bundesgerichtshof Frau Babette Pohl waren Ehrengäste der Jubiläumsfeier.
Die Konferenz stand im Zeichen der albanischen Justizreform, des EU-Integrationsprozesses sowie der Rolle Oberster Gerichte für die Harmonisierung nationaler justizieller Praxen mit internationalen Standards.
Zu den Teilnehmenden der Konferenz zählten Richterinnen und Richter der Obersten Gerichte und Verfassungsgerichte aus Albanien, Italien, Frankreich, Aserbaidschan, der Türkei, Nordmazedonien, Kosovo, Montenegro, Deutschland, sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesfinanzhofs der USA.
In den Eröffnungsreden betonten der Vizepräsident des Obersten Gerichtshofs Albaniens, Herr Sokol Sadushi, und die Präsidentin des Verfassungsgerichts Albaniens, Frau Holta Zaçaj, die Bedeutung eines unabhängigen Justizsystems als Essenz des Rechtsstaats und als Grundlage für das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz. Präsident Bajram Begaj erklärte, dass der Oberste Gerichtshof Albaniens einen unverzichtbaren Beitrag dazu leiste, die albanische Rechtsprechung in Einklang mit den Grundsätzen der europäischen Justiz zu bringen und den Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten. Frau Naureda Llagami, Vorsitzende des Hohen Justizrates Albaniens, hob wiederum die Notwendigkeit, aber auch die fortbestehenden Herausforderungen im Zuge der albanischen Justizreform hervor.
Von internationaler Seite unterstrich Frau Christiane Hohmann, Botschafterin der Europäischen Union in Albanien, die Bedeutsamkeit einer qualitativen und unabhängigen Justiz als einen der wichtigsten Grundpfeiler der EU-Integration. Sie betonte, dass Richter- und Staatsanwaltsräte die hohen Standards der Überprüfung einhalten sollten, um die Unabhängigkeit, Rechenschaftspflicht und angemessene Funktionsweise der Justiz sicherzustellen. Auch Frau Yuri Kim, Botschafterin der Vereinigten Staaten von Amerika in Albanien, bekräftigte die Unverzichtbarkeit einer strikten Gewaltenteilung.
Im Rahmen der Konferenz diskutierten rund 15 Panellisten vor über 150 Teilnehmenden ausgewählte Fragestellungen im Zusammenhang mit:
der Rolle der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bei der Gestaltung der nationalen Rechtskultur (Panel I)
der Berücksichtigung internationaler Standards in der Rechtsprechung Oberster Gerichte (Panel II)
dem Weg zur EU-Integration: Historische Perspektiven und aktuelle Herausforderungen bei der Ausgestaltung der Rolle Oberster Gerichte (Panel III und IV)
Die Konferenz bot den Teilnehmenden eine wertvolle Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch und zur Diskussion gemeinsamer Herausforderungen. Die Bedeutung einer unabhängigen, integren und professionellen Justiz als Fundament des Rechtsstaats und des EU-Integrationsprozesses stand dabei stets im Vordergrund der Gespräche. Insbesondere wurde die essenzielle Rolle des Obersten Gerichtshofs Albaniens bei der Umsetzung der Justizreform herausgestellt.
Auf Einladung der IRZ referierte Frau Babette Pohl, LL.M., Richterin am Bundesgerichtshof, über das Verhältnis zwischen den europäischen Gerichten und dem Gerichtshof der Europäischen Union. In ihrem Vortrag hob Frau Pohl vor allem das Vorabentscheidungsverfahren gemäß Artikel 267 AEUV zur Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung des Unionsrechts hervor und betonte die Widerstandsfähigkeit des europäischen Justizsystems trotz jüngster Auseinandersetzungen nationaler Verfassungsgerichte mit dem Gerichtshof der Europäischen Union. Der Vortrag endete mit dem Appell, dass die europäische Rechtsprechung ein wesentliches Instrument für den Schutz der Grundrechte, den Schutz von Minderheiten und den Erhalt der Rechtsstaatlichkeit in Europa sei.
Begleitet wurde Frau Pohl von Frau Dr. Frauke Bachler, Hauptgeschäftsführerin der IRZ, und von Frau Anja Finke, Stellvertretende Leiterin im Projektbereich Südosteuropa II / Südkaukasus. Im Rahmen der Feierlichkeiten führten sie zahlreiche Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Partnerorganisationen der IRZ aus Albanien und der Region.
Die IRZ unterstützte auch 2022 die Dokumentationsstelle des albanischen Obersten Gerichts, die im Juni 2021 ihre Arbeit aufgenommen hat. Diese Zusammenarbeit findet im Rahmen eines vom Auswärtigen Amt geförderten Projekts zum Thema „Gerichtsorganisation“ statt.
Studienreise für Mitarbeitende der Dokumentationsstelle des albanischen Obersten Gerichts zum Bundesverwaltungsgericht
Vom 23. bis 25. November 2022 hatten die acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dokumentationsstelle des albanischen Obersten Gerichts die Möglichkeit, sich mit den Methoden und Abläufen der Rechtsdokumentation am Bundesverwaltungsgericht vertraut zu machen und einen praxisnahen Einblick in dessen vielfältigen Aufgaben zu erhalten.
Prof. Dr. Andreas Korbmacher, Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, eröffnete die Studienreise. Herr Benjamin Weber, Leiter der Rechtsdokumentation am Bundesverwaltungsgericht, stellte gemeinsam mit seinem Team die Aufgaben und Organisation seiner Abteilung vor. Anschließend lernten die Teilnehmenden im Rahmen einer Führung durch das Gerichtsgebäude die ersten beiden hausinternen Dienste, den Zeitschrifteninhaltsdienst und den Aufsatzdienst kennen.
Am zweiten Veranstaltungstag gewannen die albanischen Dokumentarinnen und Dokumentare eine umfassende Übersicht über den Weg eines Entscheidungsdokuments am Bundesverwaltungsgericht und die Dokumentation einer Entscheidung in juris – dem juristischen Informationssystem für die Bundesrepublik Deutschland. Außerdem erhielt die Delegation einen Einblick in die Dokumentations- und Recherchemöglichkeiten in juris.
Der letzte Veranstaltungstag widmete sich der Präsentation der sogenannten „Dokumentationsstelle für Umwelt- und Planungsrecht“ sowie der europäischen Zusammenarbeit im Bereich der Rechtsdokumentation. In diesem Zusammenhang präsentierten die Veranstalter die Datenbank JuriFast sowie das Justizielle Netzwerk der Europäischen Union (JNEU).
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer führten einen sehr lebendigen und interessierten Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen des Bundesverwaltungsgerichts. Sie sammelten Fachwissen, Erfahrungen und Impulse für den weiteren Aufbau der Dokumentationsabteilung am Obersten Gericht in Albanien.
Neue Dokumentationssoftware für das Oberste Gericht
In Kooperation mit der IRZ entwickelte der Start-up „jurmatix“ im 2022 eine Software für eine Rechtsprechungsdatenbank am Obersten Gericht der Republik Albanien. Hier erfolgt in Zukunft die Dokumentation der Entscheidungen des albanischen Obersten Gerichts durch die Dokumentationsabteilung. Auch eine Rechercheoberfläche steht den Richterinnen und Richtern zur Verfügung.
Die IRZ unterstützte die Rechtsprechungstätigkeit am albanischen Obersten Gericht maßgeblich und leistete einen Beitrag zu einer effizienteren und transparenteren Gerichtsverwaltung. Sie wird auch in 2023 die Dokumentationsabteilung des albanischen Obersten Gerichts fördern und gemeinsame Seminare im Bereich der Rechtsdokumentation ausrichten.