Erste Reihe (v. li. n. re.): Naureda Llagami, Präsidentin des Obersten Justizrats der Republik Albaniens und Dr. Daniela Brückner, Staatssekretärin im Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen Albanien
Eine dreitägige Studienreise der IRZ führte eine Delegation der Obersten Justizrats der Republik Albanien zum Benchmarking nach Deutschland.
Die dreitägige Studienreise unter der Leitung der Präsidentin des Obersten Justizrats Albaniens Naureda Llagami ermöglichte den Vertreterinnen und Vertretern des Obersten Justizrats sowie den mitgereisten Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichtern einen Einblick in die praktische Arbeit der deutschen Verwaltungsgerichtsgerichtsbarkeit und der Justizverwaltung.
Vom 26. bis zum 30. September 2022 diskutierte die albanische Delegation bei Fachgesprächen mit deutschen Kolleginnen und Kollegen in Aachen, Düsseldorf und Münster organisatorische, personelle und infrastrukturelle Fragestellungen.
Am Verwaltungsgericht Aachen lernte die Delegation den Aufbau und die prozessualen Besonderheiten in der Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Richterausbildung in Deutschland (Studium und Referendariat) kennen und nahm außerdem an zwei Sitzungen des Gerichts teil.
Die Staatssekretärin Frau Dr. Daniela Brückner empfing die Teilnehmenden im Ministerium der Justiz des Landes NRW. Bei den anschließenden Fachgesprächen standen der Aufbau und die Aufgaben der Justiz in Deutschland, die Grundsätze der Personalverwaltung von Richterinnen und Richtern in NRW sowie Disziplinarverfahren gegen Richterinnen und Richtern im Fokus.
Am Oberverwaltungsgericht in Münster nahmen die Delegationsmitglieder an einer weiteren mündlichen Verhandlung zum Normenkontrollverfahren teil und führten Fachgespräche über die richterliche Fortbildung als Mittel der Qualitätssicherung, das Einstellungsverfahren für den richterlichen Dienst und effizientes Arbeiten im Spruchkörper zweiter Instanz.
Fachgespräche am Verwaltungsgericht Düsseldorf befassten sich schließlich mit den Themen Personalführung und Beurteilungspraxis an einem Verwaltungsgericht, effektivem Verfahrensmanagement sowie Fortbildungen.
Das Auswärtige Amt finanzierte die Studienreise im Rahmen einer Projektförderung zum Thema „Gerichtsorganisation“.
Für 2022 plant die IRZ weitere Veranstaltungen im Rahmen dieses Projekts.
Die Delegation des Obersten Gerichts der Republik Albanien zu Besuch am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Albanien
Vom 28. und 29. Juni 2022 hielt sich eine Delegation des Obersten Gerichts der Republik Albanien auf Einladung der IRZ zu Fachgesprächen in Leipzig und Berlin auf. Zum Auftakt des Studienbesuchs wurden die sechs Richterinnen und Richter des Obersten Gerichts am Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig von Prof. Dr. Ingo Kraft (Vorsitzender Richter am BVerwG) und Herrn Martin Steinkühler (Richter am BVerwG) empfangen.
Themen des fachlichen Austauschs waren die Rolle, Aufgabe und Zuständigkeiten des Bundesverwaltungsgerichts, die verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle sowie die Abgrenzung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht. Fragen der Zulassungsgründe der Berufung und der Revision im Verwaltungsprozess sowie die Bedeutung der mündlichen Verhandlung in der deutschen Praxis standen ebenfalls im Fokus.
Am Folgetag wurde der Fachaustausch über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Räumlichkeiten des Deutschen Richterbundes in Berlin weitergeführt. Dr. Axel Schreier, Richter am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, stellte den Aufbau und die Aufgaben der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland vor und thematisierte die Verwerfungskompetenz von Verwaltungsgerichten sowie die konkrete Normenkontrolle aus der Sicht des vorlegenden Verwaltungsgerichts. Im Zuge des Besuchs der Delegation am Verfassungsgericht des Landes Berlin stand die Kompetenzverteilung zwischen der Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit im Mittelpunkt der Gespräche.
Hintergrund der Studienreise ist die Einführung einer selbstständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit in Albanien durch das Gesetz Nr. 49/2012 „Über die Organisation und Funktionsweise von Verwaltungsgerichten und Verwaltungsstreitigkeiten“ im Jahr 2012. Im Fokus des zweitägigen Fach- und Erfahrungsaustausches standen daher Fragen, die sich in der albanischen Richterpraxis aus der Etablierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit ergeben und sich aus der nötigen Kompetenzabgrenzung u. a. zu der Verfassungsgerichtsbarkeit stellen. Die Studienreise bot somit die Möglichkeit die im deutschen Verwaltungsrecht existierenden Parallelfragen vorzustellen und gemeinsam Lösungsansätze zu identifizieren.
Die Studienreise wurde im Rahmen einer Projektförderung durch das Auswärtige Amt zum Thema „Gerichtsorganisation“ finanziert. Für 2022 sind weitere Fachgespräche in Kooperation mit dem Obersten Gericht geplant.
Der Fokus der bilateralen Projektarbeit der IRZ in Albanien lag zwischen Februar und Mai 2022 auf der Zusammenarbeit mit der albanischen Magistratenschule, welche für die Aus- und Fortbildung der Justiz in der Republik Albanien zuständig ist.
Infolge des Vetting-Verfahrens spielt die Magistratenschule in der Nachbesetzung von Richterinnen und Richtern und Staatsanwältinnen und Staatsanwälten eine zentrale Rolle. Die Aus- und Fortbildungskapazitäten der Magistratenschule sind in den vergangenen Jahren daher erhöht worden und auch der Bedarf nach deutschen und europäischen Erfahrungen in Hinblick auf die Rechtsausbildungspraxis ist beständig gestiegen.
In diesem Zusammenhang unterstützt die IRZ auch 2022 die Magistratenschule im Rahmen ihres Lehrplans mit der Aus- und Fortbildung von Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten zu verschiedenen Themenbereichen:
Justiz und Medien
Am 10. Februar 2022 fand ein erstes hybrides Seminar zum Thema „Justiz und Medien“ in den Räumlichkeiten der Magistratenschule statt. Im Auftrag der IRZ referierte Frau Brigitte Koppenhöfer, Vorsitzende Richterin am Landgericht Düsseldorf a.D. zum (Spannungs-) Verhältnis von Justiz und Medien im Hinblick auf die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Gerichten und Strafverfolgungsbehörden. Im Fokus der Veranstaltung standen albanische, deutsche und europäische best practices, Rechtsgrundlagen, Voraussetzungen und (Krisen-) Strategien für eine proaktive und verfahrensbegleitende Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
Kompetenzverteilung zwischen Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit
Am 15. März 2022 veranstaltete die IRZ gemeinsam mit der albanischen Magistratenschule ein weiteres hybrides Seminar zur Frage der Kompetenzverteilung zwischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Verfassungsgerichtsbarkeit in Albanien. Von deutscher Seite wirkte im Auftrag der IRZ Prof. Dr. Michaela Wittinger, Professorin für Staats- und Verfassungsrecht an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Mannheim an der Veranstaltung mit. Vor dem Hintergrund der vergleichsweise jungen Verwaltungsgerichtbarkeit, welche in Albanien 2012 als separater Gerichtszweig eingeführt wurde, lag das Hauptaugenmerk der Veranstaltung auf den jeweiligen Zuständigkeiten, der nötigen Kompetenzabgrenzung und dem Zusammenspiel zwischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und Verfassungsgerichtsbarkeit.
Cyberkriminalität
Am 28. März und am 6. Mai 2022 richtete die IRZ in Kooperation mit der Magistratenschule zwei hybride Veranstaltungen zum Thema „Cyberkriminalität“ aus. Gegenstand der Seminare war die Anpassung der albanischen Rechtsordnung an das Budapester Übereinkommen über Computerkriminalität mit besonderem Augenmerk auf rassistische und fremdenfeindliche Handlungen im Netz (28. März 2022) sowie die Frage der Sicherung und Verwertung digitaler Beweismittel im Strafverfahren (6. Mai 2022). Für die Darstellung des deutschen und europäischen Rechtsrahmens und der deutschen Praxis konnte die IRZ Herrn Andreas May, Leitender Oberstaatsanwalt von der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main, als Experten gewinnen.
An den vier Veranstaltungen, welche durch die Mittel des Bundesministeriums der Justiz finanziert wurden, nahmen rund 80 Vertreterinnen und Vertreter der albanischen Richterschaft und Staatsanwaltschaft teil. Die Durchführung der Seminare in den Räumlichkeiten der Magistratenschule förderte ein lebhaftes und vertrauensvolles Diskussionsklima und einen regen Fach- und Erfahrungsaustausch zwischen den albanischen Teilnehmenden und den deutsch-albanischen Referententeams.