Studienreise einer Delegation der Sonderberufungskammer Albaniens nach Baden-Württemberg und Straßburg

Richterinnen und Richtern der Sonderberufungskammer im Hauptverhandlungsraum des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Richterinnen und Richtern der Sonderberufungskammer im Hauptverhandlungsraum des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Albanien

Die IRZ initiierte im vergangenen Jahr die Zusammenarbeit mit der albanischen Sonderberufungskammer. Nun erhielten fünf Richterinnen und Richter sowie sieben Mitarbeitende der Kammer auf Einladung der IRZ die Möglichkeit, sich im Rahmen einer Studienreise vom 13. bis 17. November 2023 zum Thema „Richterliche Ethik und disziplinarrechtliche Verantwortlichkeit von Richterinnen und Richtern“ in Karlsruhe, Stuttgart und Straßburg fortzubilden.

Zum Auftakt der Studienreise besuchte die Delegation den Bundesgerichtshof und lernte die Grundsätze der Arbeitsweisen, Methoden und Verfahrensabläufe im Hinblick auf Disziplinarsachen gegen Richterinnen und Richter kennen sowie die Rolle des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht und die Grundzüge des Bundesrichter- und Bundesdisziplinargesetzes.  

Im Rahmen des Besuchs am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg diskutierten die Teilnehmenden und Vertreterinnen und Vertreter des EGMR gemeinsam die Rechtsprechung des EGMR in Bezug auf Disziplinarsachen. Sie setzten sich besonders mit Artikel 6 (Recht auf ein faires Verfahren) und Artikel 8 (Achtung des Privat- und Familienlebens) der Europäischen Menschrechtskonvention (EMRK) auseinander. Anschließend erhielten sie Einblicke in den Jurisconsult sowie die Plattform für Wissensaustausch und lernten die Vorgehensweise des Gerichtshofs beim Filtern und Registrieren von Klagen kennen.

Der Deutsche Richterbund Baden-Württemberg empfing die Delegation in Stuttgart, referierte über die richterliche Selbstverwaltung in Deutschland und diskutierte mit den Teilnehmenden die richterlichen Werte, die aus Sicht des Deutschen Richterbundes für den Beruf prägend sind und selbstbewusste und verantwortungsvolle Richterinnen und Richter auszeichnen. Ein Gespräch am Verwaltungsgericht Stuttgart über das Spannungsverhältnis zwischen richterlicher Unabhängigkeit und disziplinarrechtlicher Befugnisse der Behördenleitung rundete das Programm ab.

Finanziert mit Mitteln des Auswärtigen Amtes, folgte der Studienreise im Dezember 2023 eine Konferenz zum Thema „Richterliche Ethik, Integrität und Unabhängigkeit“ in Tirana.

Seminar zum Thema „Elektronische Beweismittel in Zivilverfahren“

Christian Schmitz-Justen, Vizepräsident des Oberlandesgerichts Köln, während seines Vortrags in der albanischen Magistratenschule.
Christian Schmitz-Justen, Vizepräsident des Oberlandesgerichts Köln, während seines Vortrags in der albanischen Magistratenschule.
Albanien

Anknüpfend an die langjährige Zusammenarbeit mit der albanischen Magistratenschule, beteiligte sich die IRZ am 21. und 22. Juni an einer Fortbildungsveranstaltung, die sich dem Thema „Elektronische Beweismittel in Zivilverfahren“ widmete.

In Anwesenheit von zwölf Richterinnen und Richtern fand das Seminar vor dem Hintergrund der fortschreitenden Bedeutung elektronischer Beweismittel in der albanischen Justiz sowie den jüngsten Anpassungen in der Zivilprozessordnung statt.

Im Fokus der Maßnahme stand dabei eine umfassende rechtsvergleichende Betrachtung der in Albanien und Deutschland gängigen Praxis im Umgang mit elektronischen Beweismitteln, wobei Lösungsansätze und Best Pratice für den Alltag der albanischen Richterschaft und Staatsanwaltschaft identifiziert werden sollten.

Als deutschen Experten konnte die IRZ Christian Schmitz-Justen, Vizepräsident des Oberlandesgerichts Köln, gewinnen.

Im Wechselspiel mit dem albanischen Expertenteam, bestehend aus Dr. Flutura Kola (Professorin an der Universität Tirana), Emona Muci (Richterin am Bezirksgericht Tirana) und Dashamir Kore (Lehrbeauftragter der Magistratenschule), beleuchteten die Referierenden die Bedeutung und Würdigung elektronischer Beweise im albanischen und deutschen Zivilprozess. Die unterschiedlichen Rechtspraktiken und Verwaltungsstrukturen, die sich in diesem Zusammenhang herauskristallisierten, führten zu lebhaften Diskussionen unter den Teilnehmenden.

Christian Schmitz-Justen ging auch ausführlich auf die Rolle der Sachverständigen und der Zeugen im Zivilprozess ein und stellte anschießend die elektronische Aktenführung und die Verwaltungsstruktur des Oberlandesgerichts Köln vor. Er thematisierte auch die Einflussnahme künstlicher Intelligenz auf die Rechtsprechung. Zum letzteren Thema schilderte er den US-amerikanischen Fall Loomis vs. Wisconsin, im Rahmen dessen ein Angeklagter auf Grundlage eines von einer Software errechneten Rückfallrisikos zu einer hohen Haftstrafe verurteilt wurde. Herr Schmitz-Justen machte dabei deutlich, dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz stets mit Unklarheiten hinsichtlich der verwendeten Parameter einhergeht, weshalb die Rechtsprechung in Deutschland und Europa von derlei Technologie unabhängig bleiben sollte.  

Finanziert aus Mitteln des Bundesministeriums der Justiz, wird der rechtsvergleichende Fach- und Erfahrungsaustausch mit der Magistratenschule auch in Zukunft fortgesetzt.

Seminar zum Thema „Geldwäscheprävention in der Anwaltschaft“

Auf dem Podium von links nach rechts: Agim Muslia (FIU Albanien), Edmond Konini (Generalsekretär der albanischen Rechtsanwaltskammer), Prof. Dr. Maksim Haxhia (Präsident der albanischen Rechtsanwaltskammer), Dr. Philip Seel (Experte), Dr. Veronika Denninger (Geschäftsführerin der Bundesrechtsanwaltskammer).
Auf dem Podium von links nach rechts: Agim Muslia (FIU Albanien), Edmond Konini (Generalsekretär der albanischen Rechtsanwaltskammer), Prof. Dr. Maksim Haxhia (Präsident der albanischen Rechtsanwaltskammer), Dr. Philip Seel (Experte), Dr. Veronika Denninger (Geschäftsführerin der Bundesrechtsanwaltskammer).
Albanien

In Zusammenarbeit mit der albanischen Rechtsanwaltskammer und der Bundesrechtsanwaltskammer führte die IRZ am 19. und 20. Juni 2023 ein Seminar zum Thema „Geldwäscheprävention in der Anwaltschaft“ durch.

Hintergrund der Veranstaltung war die Überarbeitung des Gesetzes „Über den Anwaltsberuf in der Republik Albanien“ im Jahr 2018. Demgemäß ist die Anwaltschaft unter der Aufsicht der Rechtsanwaltskammer verpflichtet, Verdachtsfälle von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung innerhalb des eigenen Mandantenstammes der Financial Intelligence Unit (FIU) zu melden.

Für die Darstellung des deutschen und europäischen Rechtsrahmens konnte die IRZ durch Vermittlung der Bundesrechtsanwaltskammer Herrn Dr. Philip Seel, Rechtsanwalt und Notar von der Kanzlei STREITBÖRGER PartGmbB in Hamm, gewinnen.  

Zu den wichtigsten Diskussionsthemen zählten:

  • Aufbau und Struktur der selbstverwaltenden anwaltlichen Geldwäscheaufsicht
  • Phänomenologie der Geldwäsche im Bereich der Anwaltschaft
  • Praxis der Geldwäscheaufsicht durch die Rechtsanwaltskammern
  • EU-Initiativen zur Geldwäschebekämpfung

Herr Dr. Seel ging ausführlich auf die deutsche Rechtspraxis im Bereich der Geldwäscheprävention und -bekämpfung ein und brachte den 22 teilnehmenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten am Beispiel seiner ehrenamtlichen Funktion als Vorstand der Rechtsanwaltskammer Hamm die dahingehenden Aufgaben und Herangehensweisen der deutschen Kammern näher. Herr Edmond Konini, Generalsekretär der albanischen Rechtsanwaltskammer und Herr Agim Muslia, Leiter der albanischen FIU, spiegelten diese Vorträge anhand der albanischen Gesetzeslage. In der anschließenden Fachdiskussion kommentierten die Teilnehmenden in zahlreichen Wortbeiträgen die Themen.

Im Laufe des Seminars wurde deutlich, dass sich die albanische Anwaltschaft aufgrund der Gesetzesänderung in einem Spannungsverhältnis zwischen dem öffentlichen Interesse an der Geldwäschebekämpfung und ihrer Verschwiegenheitsverpflichtung gegenüber den Mandantinnen und Mandanten sieht. Wenngleich sich die albanischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte als „Verpflichtete des Gesetzes“ sehen, äußerten einige Teilnehmende zunächst den Wunsch nach Klärung, ob und durch wen eine Risikoanalyse des Mandantenstammes durchgeführt werden muss. Aufgrund des finanziellen und personellen Mehraufwands, der mit dieser Risikoanalyse einhergeht, wurden Befürchtungen laut, dass die Position der Rechtsanwaltschaft in Albanien geschwächt werden könnte.

Die Veranstaltung wurde aus Mitteln des Bundesministeriums der Justiz finanziert und knüpft an die jahrelange intensive Zusammenarbeit mit der albanischen Rechtsanwaltskammer an. Langfristig hat der Austausch zum Ziel, albanische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte fachlich und praxisnah zu unterstützen sowie europäische und deutsche Best Practices aufzuzeigen, um einen Beitrag zu einer effektiven und effizienten Geldwäschebekämpfung in Albanien zu leisten.