Studienreise der Magistratenschule Albanien nach Trier und Mainz

Staatssekretär und IRZ-Kuratoriumsmitglied Philipp Fernis (rechts, stehend) begrüßt die albanische Delegation
Staatssekretär und IRZ-Kuratoriumsmitglied Philipp Fernis (rechts, stehend) begrüßt die albanische Delegation
Albanien

Auf Einladung der IRZ nutzte eine zwölfköpfige Delegation der Magistratenschule Albanien vom 10. bis 13. Dezember 2018 die Gelegenheit, sich in Trier und Mainz Einblicke in das deutsche System zur Aus- und Fortbildung von Richterinnen und Richtern zu verschaffen. Die albanischen Gäste informierten sich darüber hinaus über die Arbeitsweise von Akademien und bildeten sich im Bereich „Online-Kommentare“ weiter.

Dr. Stefan Tratz, Direktor der Deutschen Richterakademie, eröffnete den fachlichen Teil, indem er auf die Gründung, Finanzierung und Arbeitsweise der Deutschen Richterakademie einging. Er erläuterte, dass die rund 5000 Kursplätze im Jahr nicht nur für juristische Themen (v.a. Strafrecht und Zivilrecht) zur Verfügung stehen, sondern die aktiven Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte verstärkt auch im Bereich Soft-Skills geschult werden.

Im Anschluss daran war die Delegation bei der auf Initiative des Europäischen Parlaments 1992 gegründeten Europäischen Rechtsakademie zu Gast. Pro Jahr werden zwischen 6000 und 8000 Teilnehmende aus der Richterschaft, der Staatsanwaltschaft, der Anwaltschaft sowie aus Wirtschaft und Verwaltung im Europäischen Recht fortgebildet, wobei verstärkt Online-Kurse angeboten werden, erläuterte Dr. Wolfgang Heusel, Direktor der Europäischen Rechtsakademie.

Philipp Fernis, Staatssekretär und IRZ-Kuratoriumsmitglied, hieß die Gäste am nächsten Tag in Mainz im Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz willkommen und begrüßte die internationale Zusammenarbeit mit einem EU-Beitrittskandidaten wie Albanien in Zeiten verstärkten Nationalismus‘. Anschließend führten Katharina Will, Richterin am Amtsgericht, und Susanne Boysen, Ministerialrätin, in den auf das Jurastudium folgenden Ablauf der Staatsexamina und des Referendariats ein und brachten den albanischen Gästen Karrieremöglichkeiten für Volljuristinnen und Volljuristen in Deutschland näher. Dr. Isabel Eggers-Wronna, Richterin am Finanzgericht, schilderte danach das Bewerbungsverfahren und die Einstellungsvoraussetzungen für den Richterdienst in Rheinland-Pfalz. Abschließend erklärte Regierungsdirektor Ruben Tomić die Funktion des Referats für Fortbildungen, welches für das zentrale Fortbildungsprogramm in Rheinland-Pfalz verantwortlich ist.

In Anknüpfung an den Vortag referierte Prof. Dr. Ekkehard Hofmann von der Universität Trier zum Jurastudium in Deutschland und verdeutlichte der Delegation die unterschiedlichen Prüfungssysteme, die u.a. mit dem föderalen System zu erklären sind. Bevor Prof. Dr. Thomas Rüfner zu einer Stadtführung in Trier einlud, beschloss er den fachlichen Teil der Studienreise mit einem Vortrag zum Thema Online-Kommentare, indem er den Teilnehmenden aktuelle Fälle und Gesetzesentscheidungen vorstellte, die in Online-Datenbanken zur Verfügung stehen.

Seminar in Kooperation mit der albanischen Magistratenschule zu EU-Verbraucherrechten

Die Referentinnen der Magistratenschule, Arbena Ahmeti und Fjoralba Caka, sowie Dr. Oisín Morris, Richter am Amtsgericht Hamburg-Wandsbek (v.l.n.r.)
Die Referentinnen der Magistratenschule, Arbena Ahmeti und Fjoralba Caka, sowie Dr. Oisín Morris, Richter am Amtsgericht Hamburg-Wandsbek (v.l.n.r.)
Albanien

Albanien nähert sich der Europäischen Union an und damit auch der Teilnahme am EU-Binnenmarkt. Vor diesem Hintergrund führte die IRZ in Kooperation mit der albanischen Magistratenschule am 26. und 27. November 2018 ein Seminar zum Thema EU-Verbraucherschutz durch, an dem etwa 20 angehende Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte teilnahmen.

Spielten Verbraucherrechte zu Beginn der europäischen Integrationsbestrebungen nur eine untergeordnete Rolle, wurden vor allem seit der Unterzeichnung der Maastrichter Verträge 1992 Rechtsvorschriften erlassen, die Verbraucherrechte beim Erwerb von Waren oder Dienstleistungen aus anderen EU-Ländern schützen sowie die allgemeine Produktsicherheit auf dem Binnenmarkt gewährleisten, erläuterte IRZ-Experte Dr. Oisín Morris, Richter am Amtsgericht Hamburg-Wandsbek.

Er ging im Folgenden auf Bestimmungen zu Fernabsatzverträgen, außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen sowie anderen Verträgen als Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (Richtlinie 2011/83/EU) ein und erläuterte die Umsetzung der EU-Bestimmungen im deutschen Recht. Im Zusammenspiel mit den Referentinnen der Magistratenschule konnten so Vergleiche zwischen dem albanischen und dem deutschen bzw. dem EU-Verbraucherrecht angestellt werden.

Die Referentinnen Fjoralba Caka, Ardjana Shehi und Arbena Ahmeti präsentierten zudem aktuelle albanische Fälle und führten in folgende Themenfelder ein:

  • Unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (Richtlinie 2005/29/EG),
  • Alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (Richtlinie 2013/11/EU) sowie
  • Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (Verordnung 524/2013).

Zweites Seminar zur Verfassungsbeschwerde für die albanische Anwaltschaft in Tirana

Frank Hupfeld, Projektbereichsleiter IRZ; Prof. Dr. Jan Bergmann, Senatsvorsitzender am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg; Dr. Arta Vorpsi, wissenschaftl. Mitarbeiterin am Verfassungsgericht Albanien; Rezarta Abdiu, Rechtsanwaltskammer Albanien (Stirnseite Tisch v.l.n.r.)
Frank Hupfeld, Projektbereichsleiter IRZ; Prof. Dr. Jan Bergmann, Senatsvorsitzender am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg; Dr. Arta Vorpsi, wissenschaftl. Mitarbeiterin am Verfassungsgericht Albanien; Rezarta Abdiu, Rechtsanwaltskammer Albanien (Stirnseite Tisch v.l.n.r.)
Albanien

Seit 2014 Beitrittskandidat der EU, hat Albanien in den vergangenen Jahren umfassende Reformen im Justizwesen durchgeführt. Infolge der Verfassungsänderung von 2016 haben Bürgerinnen und Bürger nun das Recht, sich mit Individualbeschwerden direkt an das Verfassungsgericht zu wenden. Um dieses Recht in der Öffentlichkeit verbreiten und somit auch die Menschenrechtslage in dem Balkanstaat verbessern zu können, hatte die IRZ bereits im Juli 2018 ein erstes Seminar mit der Rechtsanwaltskammer in Tirana durchgeführt. Das zweite folgte am 25. und 26. Oktober.

Grundlage hierfür war die 2017 erschienene IRZ-Publikation „Die Verfassungsbeschwerde – Ein Handbuch für Praktikerinnen und Praktiker aus deutscher und albanischer Sicht“, das gemeinsam mit den Referierenden, Dr. Arta Vorpsi, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Verfassungsgerichts, sowie Professor Dr. Jan Bergmann, Senatsvorsitzender am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, erstellt worden war.

Die etwa 30 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte wurden während des Seminars insbesondere hinsichtlich der Verfahrensvorgaben und Ausgestaltung der Verfassungsbeschwerde, der Zulässigkeitsvoraussetzungen sowie der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte geschult.

„Wo kein Kläger, da kein Richter“: Da zum Zeitpunkt des Seminars noch keine Verfassungsbeschwerde erhoben worden war, ermutigte Professor Dr. Bergmann die Anwaltschaft, passende Fälle beim Verfassungsgericht einzureichen, um so auch das albanische Rechtssystem stetig weiterentwickeln zu können. Er empfahl dabei, in den Klageschriften nicht nur die albanische Verfassung und die Europäische Konvention für Menschenrechte heranzuziehen, sondern im Hinblick auf eine zukünftige EU-Mitgliedschaft auch die Charta der Europäischen Union zu zitieren.

Die IRZ und die Rechtsanwaltskammer planen, Folgeveranstaltungen außerhalb Tiranas durchzuführen, um noch mehr albanische Anwältinnen und Anwälte für dieses Thema sensibilisieren zu können.