Albanien – Jahresbericht 2024
- Details
- Veröffentlicht: Donnerstag, 04. September 2025
Strategische Rahmenbedingungen
Rechtspolitische Ausgangslage
Neun Jahre nachdem Albanien den Kandidatenstatus vom Rat der Europäischen Union erhalten hat, wurde im September 2024 der EU-Beitrittsprozess des Landes von dem Prozess Nordmazedoniens abgekoppelt. Bei der Beitrittskonferenz mit Albanien am 15. Oktober 2024 erfolgte die offizielle Eröffnung der ersten Verhandlungspakete, darunter auch Kapitel 23 (Justiz und Grundrechte) und Kapitel 24 (Recht, Freiheit und Sicherheit). Die EU legte für diese Kapitel Zwischenkriterien fest, die erfüllt werden müssen, bevor weitere Schritte im Verhandlungsprozess gemacht werden können.
Im gemeinsamen Standpunkt der EU wurden die Fortschritte Albaniens insbesondere im Hinblick auf die Justizreform und das Vetting-Verfahren anerkannt. Das Verfahren, durch welches die Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte auf fachliche Eignung, Vermögensverhältnisse und Integrität geprüft werden, hatte zunächst zu großen Vakanzen in der albanischen Justiz und einem Rückstau der Gerichtsverfahren geführt. In diesem Zusammenhang regte die EU verstärkte Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung und eine Stärkung der für die Ausbildung der Richter- und Staatsanwaltschaft zuständigen Magistratenschule an. Auch bei der Umsetzung der Grund- und Menschenrechte, wie Meinungsfreiheit, Gleichstellung der Geschlechter und Antidiskriminierung, sieht die Europäische Union Reformbedarf.
Konzeption
Die Projekte der IRZ in Albanien finanzieren sich aus institutionellen Mitteln des BMJV und aus Projektmitteln des Auswärtigen Amts und der Europäischen Union. Die verschiedenen Finanzierungsarten setzt die IRZ gezielt und ergänzend bei der Projektkonzeption der beitrittsrelevanten Themen ein, um Synergien und Aufnahmekapazitäten der Schlüsselinstitutionen der Justiz bestmöglich zu nutzen.
Der enorme Schulungsbedarf der im Zuge des Vetting-Verfahrens neu ernannten Richterinnen und Richter stellte den Bereich Fortbildungen 2024 erneut in den Fokus der durchgeführten Maßnahmen. Hier kooperiert die IRZ traditionell mit der Magistratenschule. Inhaltlich konzentrierten sich die Seminare auf die Förderung der Effektivität der Justiz durch Behandlung von Querschnittsthemen, wie zum Beispiel dem Abfassen von Urteilen oder Rechtsdidaktik.
Tätigkeitsschwerpunkte 2024
Rechtspflege
- Schulungen von Mitarbeitenden der Dokumentationsabteilung des Obersten Gerichts im Umgang mit und zur Pflege der 2022 bereitgestellten Dokumentationssoftware in Tirana
Aus- und Fortbildung
- Training mit der Richterschaft zum Abfassen von Urteilen in Tirana
- Training of the Trainers (ToT) mit der Richterschaft zum Thema Rechtsdidaktik in Tirana
- Training für die Richterschaft zum Thema „Beweis im Strafrecht“ in Tirana
Von der Europäischen Union finanziertes Projekt EU-Service-Projekt JUSTAL
Das Projekt „Support to the Implementation of the Crosscutting Justice Strategy“ (kurz: JUSTAL-Projekt) führt die seit 2014 von der IRZ – ebenfalls federführend – umgesetzten EU-Projekte EURALIUS IV und EURALIUS V zur umfassenden Justizreform thematisch fort. Es hat unter der Federführung der IRZ kurz vor Eröffnung der Beitrittsgespräche in Tirana im Juli 2022 im albanischen Justizministerium seine Arbeit aufgenommen. Juniorpartner der IRZ ist die Firma DAI Global.
Das JUSTAL-Projekt hat eine Laufzeit von zweieinhalb Jahren, verfügt über ein Projektbudget von rund 2,1 Millionen Euro und wird in der Form des „Service Contracts“ umgesetzt. Das Projektteam besteht aus drei erfahrenen internationalen Expertinnen und Experten, die bestens mit der Justizreform in Albanien vertraut und daher auch in der Lage sind, das albanische Justizministerium in der wichtigen Phase der EU-Beitrittsvorbereitungen kompetent und engmaschig zu begleiten. Flankiert werden sie durch ein Team nationaler und internationaler Kurzzeitexpertinnen und Kurzzeitexperten, das im laufenden Projektbetrieb bedarfsorientiert zum Einsatz kommt.
Die Projektziele sind:
- Stärkung der Koordinierungs- und Managementkapazitäten des Justizministeriums zur effektiven Umsetzung der sogenannten „Crosscutting Justice Strategy“ (im Folgenden: „Justizstrategie“) samt dazugehörigem Aktionsplan.
- Unterstützung der an der Umsetzung der Justizstrategie beteiligten Justizinstitutionen bei den Koordinierungsmechanismen, insbesondere im Hinblick auf das Zusammenstellen relevanter Daten und die Erfüllung von in der Justizstrategie vorgesehenen Berichtspflichten.
- Zusammenarbeit mit der Kodifizierungsabteilung des Justizministeriums zwecks Qualifikation der Mitarbeitenden sowie Unterstützung bei der Harmonisierung der nationalen Gesetzgebung mit dem EU-Acquis im Hinblick auf Albaniens EU-Beitritt.
- Stärkung der Kommunikationskapazitäten der Justizinstitutionen mit Blick auf die Umsetzung der Justizstrategie und deren Ergebnisse.
Das albanische Justizministerium hat das JUSTAL-Projekt zudem um Unterstützung bei der umfassenden Überarbeitung bzw. Neufassung des albanischen Zivilgesetzbuchs gebeten.
Auch im Hinblick auf das im Rahmen der EU-Beitrittsmaßnahmen erforderliche Screening-Verfahren wird das Projektteam in Abstimmung mit der EU-Delegation über den Projektvertrag hinausgehend maßgebliche Beratungsleistungen erbringen. Diese werden sich im Wesentlichen auf die Erstellung der komplexen Konkordanztabellen konzentrieren, die das nationale albanische Recht dem EU-Recht gegenüberstellen und Brüssel ein laufendes Monitoring über die EU-Rechtsangleichung ermöglichen.
Das albanische Justizministerium ist die hauptbegünstigte Institution des JUSTAL-Projekts. Ihm kommt bei der Umsetzung der Inhalte dieser Justizstrategie sowie bei der Koordination der an dem komplexen mehrstufigen Umsetzungsprozess beteiligten unabhängigen Justizinstitutionen die federführende Koordinatorenrolle zu. Aufgrund erfolgreicher Umsetzung und ermittelten Mehrbedarfs wurde das Projekt mit zusätzlichen 0,5 Millionen Euro bis einschließlich Januar 2025 verlängert.
Ausblick
Nach Auslaufen des JUSTAL-Projektes im ersten Halbjahr 2025 wird die IRZ die Rechts- und Justizreformen und die Konsolidierung rechtsstaatlicher Strukturen in Albanien bilateral weiter aktiv unterstützen. Für 2025 plant die IRZ außerdem einen thematischen Schwerpunkt im Bereich Zugang zur Justiz der Bevölkerung im Allgemeinen und von vulnerablen Gruppen im Besonderen und wird auch ein Augenmerk auf eine stärkere Nutzung des Instruments der Verfassungsbeschwerde richten.