Vietnam – Jahresbericht 2024
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- Veröffentlicht: Donnerstag, 04. September 2025
Strategische Rahmenbedingungen
Rechtspolitische Ausgangslage
Die Kommunistische Partei dominiert die politische Führung in Vietnam in allen staatlichen Organen und sichert die Stabilität im Land, ungeachtet der relativ raschen personellen Wechsel in den höchsten Ämtern. So ernannte die Nationalversammlung im Oktober 2024 den Armeegeneral Luong Cuong zum Staatspräsidenten, der vierte innerhalb von zwei Jahren.
Die vom ehemaligen, langjährigen Generalsekretär Nguyen Phu Trong in jüngerer Vergangenheit initiierte Antikorruptionskampagne führte zur strafrechtlichen Verfolgung zahlreicher hochrangiger Beamtinnen und Beamter. Infolgedessen entschied die Nationalversammlung in einer Sondersitzung über die Neubesetzung von Spitzenpositionen. Dies geschah auch bei einigen der IRZ-Kooperationspartner, wie beim Obersten Volksgericht, beim Justizministerium, bei der Obersten Volksstaatsanwaltschaft und beim Ministerium für öffentliche Sicherheit. Die Korruptionsbekämpfung als anhaltend relevantes Thema fand sich auch programmatisch in der Zusammenarbeit mit vietnamesischen Partnerinstitutionen wieder.
Die rechtspolitische Ausrichtung Vietnams hat sich in der Vergangenheit kaum geändert. Die Entwicklung eines sozialistischen Rechtsstaats im Verständnis der Kommunistischen Partei, die dazu verschiedene Resolutionen herausgegeben hat, dauert an. Dazu werden auf dem 14. Parteitag Anfang 2026 neue Anstöße erwartet.
Konzeption
Der seit 2009 laufende deutsch-vietnamesische Rechtsstaatsdialog ist die Grundlage für die Tätigkeit der IRZ in Vietnam. Die Aktivitäten werden in einem jährlichen Arbeitsplan zwischen dem BMJV und dem vietnamesischen Justizministerium vereinbart und von den jeweiligen Partnern gemeinsam umgesetzt. Die Inhalte spiegeln aktuelle Reformvorhaben wider, was sich auf mehrere Jahre erstrecken kann. Beispielsweise beriet die IRZ das Oberste Volksgericht zur Entwicklung eines modernen Standards entsprechenden Jugendgerichtsgesetzes, das der Nationalversammlung im Oktober 2024 zur Verabschiedung vorgelegt wurde.
Die Lage der Menschenrechte in Vietnam ist weiterhin prekär, weshalb auch künftig eine besondere Beachtung mit Blick auf menschenrechtliche Schwerpunkte gesetzt werden soll. Im Berichtsjahr konnte dieser Schwerpunkt durch ein Seminar zur Abschaffung der Todesstrafe in Zusammenarbeit mit dem Justizministerium, bei dem im Mittelpunkt internationale Tendenzen zur Reduzierung der Todesstrafe und ihre rechtliche Einordnung standen, sowie die laufende Beratung zum Gesetzesprojekt „Rechte für transgeschlechtliche Menschen“ umgesetzt werden.
Dieses Gesetzgebungsvorhaben ist beträchtlichen Herausforderungen ausgesetzt, da zahlreiche Anpassungen in der bestehenden Rechtsordnung erforderlich wären und einige Teile der Gesellschaft die Regelungsmaterie als äußerst progressiv wahrnehmen.
Als neuer Fokus ergab sich die Handelsschiedsgerichtsbarkeit, die 2025 novelliert werden soll, um Vietnam als attraktiven Standort für außergerichtliche Streitbeilegung zu entwickeln.
Tätigkeitsschwerpunkte 2024
Verfassungsrecht/Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit
- Internationaler Erfahrungsaustausch mit dem vietnamesischen Justizministerium und in Zusammenarbeit mit dem BMJV zu Tendenzen, die Todesstrafe zu reduzieren oder abzuschaffen, in Hanoi
Zivil- und Wirtschaftsrecht
- Workshop zum Gesetzgebungsvorhaben „Rechte für transgeschlechtliche Menschen“ mit dem Justizministerium in Hanoi
- Studienreise zur Novellierung des Zivilprozessrechts hinsichtlich der Klagebefugnis schutzbedürftiger Gruppen bzw. Betroffener mit Bezug zum öffentlichen Interesse und Erfahrungsaustausch zu Cyberkriminalität und zu Vernehmungsmethoden mit der Obersten Volksstaatsanwaltschaft in Berlin
- Fachgespräche mit dem Justizministerium und in Zusammenarbeit mit dem BMJV anlässlich der Studienreise zum Erfahrungsaustausch zu den Themen Notariat, Vollstreckung zivilrechtlicher Urteile/Zwangsvollstreckung und Gerichtsvollzieherwesen in Berlin
- Workshop zur Handelsschiedsgerichtsbarkeit mit der vietnamesischen Juristenvereinigung in Hanoi
Rechtspflege
- Workshop zum Erfahrungsaustausch zur anwaltlichen Ethik (berufsrechtliche Fragen, berufsrechtliche Verletzungen) mit der Justizakademie und in Zusammenarbeit mit der Bundesrechtsanwaltskammer in Hanoi
Straf- und Strafvollzugsrecht
- Seminar in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Öffentliche Sicherheit zur Entwicklung eines Verhaltenskodex für Justizvollzugsbeamtinnen und Justizvollzugsbeamte, zu Aspekten der Korruptionsprävention und von Compliance-Regelungen sowie zu Vernehmungsmethoden in Hanoi
- Workshop in Zusammenarbeit mit dem Obersten Volksgericht zum Gesetzgebungsvorhaben zur Jugendgerichtsbarkeit in Hanoi
- Studienreise zur Militärgerichtsbarkeit mit dem Obersten Volksgericht nach Potsdam/Berlin
Ausblick
Die Zusammenarbeit bei Gesetzgebungsprojekten mündet häufig in Anschlussberatungen zur Rechtsanwendung und Implementierung neuer Regelungen. Daher kann die IRZ hierzu weiteren Bedarf erwarten (zum Beispiel zum Jugendstrafrecht), was in einem Arbeitsplan für 2025 festgehalten werden wird. Darüber hinaus wird es Kooperationen zu neuen Gesetzesvorhaben wie der Novelle der Handelsschiedsgerichtsbarkeit und zur Institutionenstärkung geben.