Vietnam – Jahresbericht 2022
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- Veröffentlicht: Montag, 04. September 2023
Strategische Rahmenbedingungen
Rechtspolitische Ausgangslage
Durch die im Zuge des globalen Krisenmodus neu ausgerichtete Asienpolitik der Bundesregierung und aufgrund des wirtschaftlichen Potenzials kommt Vietnam in Südostasien eine strategische Schlüsselposition zu.
Im letzten Jahr rief das Land die Strategie zum Aufbau und zur Vervollkommnung des sozialistischen Rechtsstaats bis 2030 mit Vision 2045 aus. Zu deren Umsetzung stieß die Regierung verschiedene Restrukturierungsprozesse sowie Reformen zur Rechtsordnung und in der Justiz an. Die Grenzen gibt die politische Führung vor. So bleibt die Kontrolle über die staatlichen Gewalten bei der Kommunistischen Partei Vietnams. Kritik an der staatlichen Macht wird nach wie vor hart verfolgt und die Meinungs- und Pressefreiheit ist sehr eingeschränkt.
Die wirtschaftliche Prosperität – Vietnam konnte seine Exporte steigern und wird zunehmend in Freihandelsabkommen und Lieferketten eingebunden – zieht viele Investoren an. Entsprechend hoch ist der Bedarf, ein leistungsfähiges Rechtssystem mit effizienter Justiz auszubauen.
Konzeption
Die IRZ ist einer der Akteure im deutsch-vietnamesischen Rechtsstaatsdialog zwischen dem Bundesministerium der Justiz und dem vietnamesischen Ministerium der Justiz. Die Unterzeichnung des Dreijahresarbeitsprogramms 2022 bis 2025 im September 2022 steht für die Fortsetzung dieser Partnerschaft, bekräftigt durch den Besuch des vietnamesischen Justizministers Le Thanh Long im November 2022 im Bundesministerium der Justiz in Berlin.
Jährliche Arbeitsprogramme konkretisieren mit bilateral geplanten Maßnahmen die Kooperation auf den einzelnen Rechtsgebieten und zu Justizprojekten. Im Jahr 2022 realisierte die IRZ die Projekte aus dem Arbeitsplan 2021 bis 2022, im Oktober 2022 verabschiedeten die Justizministerien den Arbeitsplan bis Oktober 2023 – die Grundlage für die Aktivitäten der IRZ im Jahr 2023.
Die Justizreformen, die auf eine klarere Abgrenzung der Befugnisse der staatlichen Organe auf legislativer, exekutiver und judikativer Ebene zielen, veranlassten das Oberste Volksgericht Anfang Juli 2022 zu einem Besuch in Berlin und Karlsruhe. Eine elfköpfige Delegation unter Leitung des Präsidenten Nguyen Hoa Binh führte intensiv auf Grundlage eines vorbereiteten Fragenkatalogs Fachgespräche zu Gerichtsverwaltung und Geschäftsverteilung und zum Instanzenzug (Rechtsmittel, Nichtzulassungsbeschwerde) beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe. In Berlin suchten die vietnamesischen Besucherinnen und Besucher den Expertenaustausch zur Fach-, Laien- und Jugendgerichtsbarkeit mit dem Bundesministerium der Justiz und dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten. Aufgrund des konkreten Bedarfs konnten wichtige strukturelle Regelungen eingehend vermittelt und anhand der gelebten Praxis dargelegt werden.
Tätigkeitsschwerpunkte 2022
Zivil- und Wirtschaftsrecht
- Hybrid-Workshop zur Gleichstellung der Geschlechter im Familienrecht (ehe- und familienrechtliche Stellung der Frauen) in Zusammenarbeit mit dem Justizministerium
- Hybrid-Workshop in Zusammenarbeit mit der Bundesrechtsanwaltskammer zur Stärkung der Verhandlungs- und Beratungskompetenzen beim Abschluss von
- Merger- & Acquisition-Verträgen und bei der Übertragung von Immobilien mit der Rechtsanwaltskammer Vietnams
Öffentliches Recht
- Hybrid-Workshop zum Verwaltungsrecht, zum Verwaltungsprozessrecht und zu praktischen Erfahrungen bei Verwaltungsgerichtsfällen mit dem Obersten Volksgericht
Rechtspflege
- Studienreise (in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium der Justiz) zu aktuellen Justizreformen: Gerichtsorganisation, Fach- und Jugendgerichtsbarkeit für das Oberste Volksgericht
Straf- und Strafvollzugsrecht
- Online-Expertenbeteiligung beim Austausch zu internationalen Erfahrungen zum Gesetzentwurf zur Jugendgerichtsbarkeit mit dem Obersten Volksgericht
- Hybrid-Workshops zur Bekämpfung von Korruption und Wirtschaftskriminalität und zur Korruptionsprävention in Kooperation mit dem Ministerium für öffentliche Sicherheit
Ausblick
Mit Verabschiedung des Arbeitsprogramms 2022 bis Oktober 2023 ist der Boden für die Fortsetzung der Projekte bereitet. Die Themen umfassen menschenrechtliche Garantien in Strafverfahren, Menschenrechte und Wirtschaft, Zivilprozessrecht, Medizinrecht, Stärkung der rechtsanwaltlichen Fähigkeiten, Schulungen zur juristischen Methodik, Wirtschaftsstrafrecht, Jugendstrafrecht, Korruptionsprävention, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR), einen Austausch über internationale Erfahrungen betreffend die Politik zur Todesstrafe sowie internationales Seerecht.
Den gesamten Jahresbericht 2022 finden Sie auf unserer Website unter Mediathek – Jahresberichte.