Vietnam - Jahresbericht 2019

Konferenz zum verbesserten Schutz der Kinderrechte in Hanoi: Vortrag von Lukas Pieplow (am Rednerpult), Fachanwalt für Strafrecht bei Esche & Partner, Köln
Konferenz zum verbesserten Schutz der Kinderrechte in Hanoi: Vortrag von Lukas Pieplow (am Rednerpult), Fachanwalt für Strafrecht bei Esche & Partner, Köln

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Die politischen Rahmenbedingungen sind weiterhin durch den alleinigen Machtanspruch der Kommunistischen Partei geprägt. Gleichzeitig führt die Verwirklichung einer Marktwirtschaft „sozialistischer Prägung“ zu einem seit Jahren anhaltenden Wirtschaftswachstum, sodass sich Vietnam mittlerweile zu einem „Middle Income“-Staat entwickelt hat und zu den dynamischsten Volkswirtschaften im südostasiatischen Raum zählt. In diesem Zusammenhang sind deutliche Verbesserungen bei wirtschaftlichen und sozialen Rechten erkennbar, welchen wiederum starke Einschränkungen bei Meinungs-, Presse-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit gegenüberstehen.

Die Modernisierung der staatlichen Strukturen sowie die Reformierung der Rechtsordnung und der Justiz dauern an. Es gibt eine rege Gesetzgebungstätigkeit und zahlreiche Vorhaben zur Umsetzung internationaler Verträge sowie Maßnahmen, um die personellen und institutionellen Kapazitäten zu stärken. Im Jahr 2020 wird Vietnam den ASEAN-Vorsitz sowie einen Sitz im UN-Sicherheitsrat übernehmen. Folglich ist angesichts der damit einhergehenden internationalen Aufmerksamkeit insgesamt auch mit starken nationalen Reformbemühungen zu rechnen.

Konzeption

Die EU und Vietnam unterhalten intensive Beziehungen, insbesondere das Verhältnis zwischen Vietnam und Deutschland ist sehr eng. Seit 2010 ist die IRZ in Vietnam tätig und realisiert Projekte im deutsch-vietnamesischen Rechtsstaatsdialog, der 2008 durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in Kooperation mit dem vietnamesischen Justizministerium ins Leben gerufen wurde. Im September 2019 wurde ein neues Dreijahresarbeitsprogramm unterzeichnet, welches einen noch stärkeren Fokus auf menschenrechtliche und rechtsstaatliche Themen legt.

Die IRZ unterhält hierbei vielfältige Kooperationen mit dem Justizministerium, der Justizakademie, der Rechtsanwaltskammer, dem Obersten Volksgericht, der Obersten Volksstaatsanwaltschaft, dem Institut für Menschenrechte, der Rechtshochschule und verschiedenen anderen Institutionen.

Die Zusammenarbeit konzentriert sich geografisch auf die beiden Metropolen Hanoi und Ho Chi Minh Stadt, doch werden zunehmend auch Veranstaltungen in weiteren Provinzen angestrebt, um den Adressatenkreis breiter zu streuen.

Insgesamt nimmt die juristische Aus- und Fortbildung eine zentrale Schlüsselfunktion in der Zusammenarbeit ein. Denn das vietnamesische (Berufs-) Bildungssystem wird den steigenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anforderungen weder quantitativ noch qualitativ gerecht, vor allem angesichts der jungen und stark wachsenden Bevölkerung. Insbesondere herrscht ein großer Mangel an praxisorientierten Angeboten, da die Schul-, Berufs- und Universitätsausbildung sehr theorielastig ist. Daher erfährt der internationale Erfahrungsaustausch mit Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwendern aus verschiedenen Bereichen regelmäßig sehr große Wertschätzung.

Den Fokus ihrer Tätigkeit richtet die IRZ auf die Umsetzung menschenrechtlicher Garantien, unter anderem auf die Förderung der Justizgrundrechte im Strafverfahren. Schwerpunkte bilden die Stärkung der Verteidigerrechte nach der neuen Strafprozessordnung und der Schutz von Kinderrechten im Strafjustizsystem.

Die Veranstaltungen der IRZ richten sich insbesondere an die Anwaltschaft und Richterschaft, da beide Berufsgruppen hinsichtlich der praktischen Umsetzung der neuen Vorgaben und der Wahrnehmung ihrer jeweiligen Rolle im Verfahren hohen Beratungsbedarf haben.

Tätigkeitsschwerpunkte 2019

Verfassungsrecht/Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Zwei rechtsvergleichende Konferenzen mit Mitteln des Auswärtigen Amts und ifa (Institut für Auslandsbeziehungen) zum verbesserten Schutz der Kinderrechte im Rahmen der UN-Kinderrechtskonvention und zum Aufbau einer Jugendgerichtsbarkeit mit dem Vietnamesischen Institut für Menschenrechte in Ho Chi Minh Stadt und Hanoi
  • Tagungsband (Auflage: 500) zu den Konferenzen für die relevanten Akteure und Studierende

Straf- und Strafvollzugsrecht

  • Zwei Workshops zur praktischen Anwendung der Verteidigerrechte nach der neuen Strafprozessordnung sowie zur Vernehmungs- und Befragungstechnik mit der Vietnamesischen Rechtsanwaltskammer in Hanoi und Nha Trang
  • Studienreise zu praktischen Fragen der Strafverteidigung und zum Thema Fachanwaltschaft für Vertreterinnen und Vertreter der Vietnamesischen Rechtsanwaltskammer nach Berlin
  • Leitfaden für Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger zur Anwendung der neuen Strafprozessordnung mit den Schwerpunkten Vorbereitung der Hauptverhandlung sowie Vernehmungs- und Befragungstechnik
  • Online-Workshop zu Grundzügen des deutschen Jugendstrafrechts im Rahmen eines monatlichen Newsletters vom Obersten Volksgericht an sämtliche Gerichte landesweit, als Video-Download nachträglich abrufbar

Aus- und Fortbildung

  • Zwei Workshops zur juristischen Methodenlehre und zum Gewohnheitsrecht in der Rechtsprechung mit dem Schwerpunkt Zivilrecht mit dem Obersten Volksgericht in Da Lat und in Sa Pa
  • Zwei Workshops für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu Fragen der anwaltlichen Vertretung bei minderjährigen Täterinnen und Tätern sowie Opfern und bei der Vertretung von Opfern häuslicher Gewalt mit der Justizakademie in Hanoi

Ausblick

2020 wird die IRZ ihre Kooperation mit den bewährten Partnern fortsetzen, indem sie die diesjährigen Tätigkeitsschwerpunkte mit Fokus auf das (Jugend-)Strafverfahren mit dem Ziel vertieft, die Justizgrundrechte weiter zu stärken. Auch die juristische Aus- und Fortbildung wird weiterhin ein elementarer Bestandteil der Tätigkeit sein.