Marokko – Jahresbericht 2024
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- Veröffentlicht: Donnerstag, 04. September 2025
Strategische Rahmenbedingungen
Rechtspolitische Ausgangslage
Die rechtspolitische Lage in den afrikanischen Partnerstaaten ist angespannt, dynamisch und sieht sich zahlreichen Herausforderungen ausgesetzt. Während in einigen Ländern auf dem Weg zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit Fortschritte zu verzeichnen sind, insbesondere in Marokko mit der Einführung alternativer Strafen und Alternativen zur Untersuchungshaft sowie in Sambia bei der Korruptionsbekämpfung und der Digitalisierung der Justiz, sehen sich andere mit erheblichen komplexen und vielschichtigen Schwierigkeiten und auch mit deutlicher internationaler Kritik konfrontiert. Trotz der Bemühungen, demokratische Reformen einzuführen, gibt es in einigen Partnerstaaten nach wie vor erhebliche Menschenrechtsprobleme einschließlich politischer Verfolgung und Einschränkungen der Meinungsfreiheit. Zusätzlich zu den mit der Migration von Flüchtlingen verbundenen Problemen, die die Region vor diverse rechtliche und humanitäre Herausforderungen stellen, haben die wirtschaftliche Instabilität und die hohe Arbeitslosigkeit insbesondere nach der Pandemie und dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, der globale Auswirkungen hat, zu sozialen Unruhen beigetragen und die politische Stabilität insgesamt erschwert. Diese Herausforderungen verdeutlichen die Notwendigkeit eines umfassenden und koordinierten regionalen Ansatzes, um den Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen zu fördern und damit einen Rahmen für eine besser funktionierende Wirtschaft zu schaffen, der zu mehr Stabilität und Entwicklung in der Region führt.
Konzeption
Die IRZ hat ihre Beratungen im Rahmen der Reformen im Justizbereich trotz der politischen und wirtschaftlichen Umbrüche in den afrikanischen Partnerstaaten fortgeführt, teils unter stärkerer Einbeziehung der Zivilgesellschaft. Die Justizreformen in den afrikanischen Partnerstaaten sind fortlaufende Prozesse, die erhebliche Anstrengungen und ein langfristiges Engagement erfordern, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Da viele Länder der Region vor ähnlichen Herausforderungen und Reformbedarfen stehen, konnten die Themen vielfach auf regionaler Ebene unter Einbeziehung mehrerer Partnerstaaten behandelt werden. Dabei sind Justizministerien und die Richterschaft die zentralen Partnerinstitutionen neben den Anwaltskammern, Hochschulen und zivilgesellschaftlichen Akteuren. In Tunesien fokussiert sich die Zusammenarbeit der IRZ zunehmend auf die zivilgesellschaftlichen Akteure wie Anwaltschaft, Notare und juristische Fakultäten.
Der Fokus wirtschaftsrechtlicher Themen lag in Sambia und Senegal insbesondere auf der wirtschaftlichen Mediation und der Schiedsgerichtsbarkeit sowie in Tunesien auf der Investitionsförderung und dem Investitionsschutz unter Einbeziehung weiterer Partnerstaaten der Region.
Neben dem wirtschaftsrechtlichen Fokus bildet seit mehreren Jahren die Unterstützung der Reform der Strafjustiz und der Strafgesetzgebung eine weitere Säule der Aktivitäten der IRZ in Afrika. Kernthemen der Zusammenarbeit lagen hier in der Modernisierung des Strafrechts in Mauretanien sowie der Fortbildung des Strafvollzugspersonals in Algerien. In Marokko hingegen wurde die Zusammenarbeit zum zivil- und familienrechtlichen Thema Jugendschutz vertieft.
Tätigkeitsschwerpunkte 2024
Zivil- und Wirtschaftsrecht
- Regionalkonferenz zum Thema „Optimierung des Investitionsklimas und Förderung von Investitionsanreizen und Investitionsschutz“ in Tunis in Kooperation mit der Bundesrechtsanwaltskammer und den Justizministerien von Algerien, Marokko und Jordanien
Strafrecht und Strafvollzugsrecht
- Online-Workshop mit dem sambischen Legal Aid Board und der Bundesrechtsanwaltskammer zum Thema „Anwaltlicher Umgang mit rechtsmedizinischen Gutachten“
- Themenübergreifende Studienreise von Vertretern der marokkanischen Generalstaatsanwaltschaft zum Observatorium für Kriminalität und präventive Strafpolitik nach Berlin
- Implementierungsphase des Tandemprojekts des BMJV und des Auswärtigen Amts in Algerien – Seminar zum Thema „Modernisierung der Aus- und Fortbildung des Strafvollzugspersonals“ in Zusammenarbeit mit der algerischen Strafvollzugsbehörde in Algerien
- Regionalkonferenz zum Thema „Alternative Strafen und Alternativen zur Untersuchungshaft“ in Marokko in Kooperation mit der marokkanischen Staatsanwaltschaft und den Justizministerien von Marokko, Tunesien und Mauretanien
Rechtspflege
- Schulung zur Einführung des elektronischen Postfachs mit dem sambischen Justizministerium und der Bundesrechtsanwaltskammer in Sambia
- Workshop zu Modernisierungen in der Schiedsgerichtsbarkeit in Zusammenarbeit mit dem Chartered Institute of Arbitrators (CIArb) – Zambia Branch, der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit und der Bundesrechtsanwaltskammer in Sambia
- Online-Seminarreihe zum Thema „Twinning of Mediation and Arbitration“ in Zusammenarbeit mit der Africa Mediation Association (AMA), Chartered Institute of Arbitrators (CIArb) – Zambia Branch und der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit
- Fortbildung der Anwaltschaft zum Thema „Zugang zur Justiz und Schutz von vulnerablen Gruppen“ in Zusammenarbeit mit der tunesischen Rechtsanwaltskammer und der Bundesrechtsanwaltskammer
Aus- und Fortbildung
- Schulung von Akteurinnen und Akteuren der Zivilgesellschaft zum Schutz von vulnerablen Gruppen in den Strafvollzugsanstalten und zur Rolle der Zivilgesellschaft bei der Resozialisierung von Inhaftierten in Tunis
- Fortbildung zu alternativen Strafen und Alternativen zur Untersuchungshaft in Tunis
- Herausgabe des juristischen Fachmagazins „Ecrits“ in arabischer und französischer Sprache mit Artikeln von Autorinnen und Autoren zu aktuellen rechtspolitischen Themen
- Blog für afrikanisches und deutsches Recht „IRZ Dialogue Juridique Afro-Allemand“ in deutscher, arabischer und französischer Sprache mit fortlaufenden Online-Beiträgen von Autorinnen und Autoren zu aktuellen rechtspolitischen Themen aus den IRZ-Partnerstaaten Tunesien, Marokko, Algerien und Senegal sowie aus Deutschland
Von der Europäischen Union finanziertes Projekt
EU-Twinning-Projekt „Peer-to-Peer institutional support to the Anti-Corruption Commission in Zambia“
Gemeinsam mit dem federführenden Partner HAUS (Finnish Institute of Public Management) implementiert die IRZ seit August 2021 ein Projekt zugunsten der Antikorruptionsbehörde (ACC) in Sambia. Das Projekt hat – nach einer Verlängerung von sechs Monaten bis zum Februar 2025 – insgesamt eine Laufzeit von 42 Monaten. Das Projektvolumen beträgt zwei Millionen Euro.
Das übergeordnete Ziel dieses Projekts ist es, die Kapazitäten der ACC auszubauen und dadurch die Rechenschaftspflicht, Transparenz und Effektivität bei der Verwaltung der öffentlichen Ressourcen zu verbessern. Daneben zielt das Projekt darauf ab, die Management- und fachlichen Kapazitäten der ACC zu stärken sowie die Zusammenarbeit mit anderen an der Korruptionsbekämpfung beteiligten Institutionen zu optimieren.
Standen die Projektaktivitäten in den ersten Jahren der Implementierung noch ganz im Zeichen von SWOT- und Bedarfsanalysen und der Erfassung des Status quo der Korruptionsbekämpfung in Sambia, so zielten die Einsätze in den Jahren 2023 und 2024 auf konkrete Handlungsempfehlungen und Trainingsmaßnahmen ab.
Von besonderem Interesse für die ACC war dabei die Einführung eines Whistleblower-Systems. Ein IRZ-Expertenteam schlug hierfür vor, ein webbasiertes Whistleblower-System einzurichten. Dieses Konzept wird auch von vielen Bundesländern in Deutschland erfolgreich umgesetzt und gewährleistet die Anonymität der hinweisgebenden Person. Offiziell eingeführt wurde es in der ersten Jahreshälfte 2024.
Ein weiterer Fokus der Arbeit der IRZ-Expertinnen und -Experten lag auf der Vorbereitung und Durchführung von Trainingseinheiten, welche die verbesserte Aufdeckung, Untersuchung und Verfolgung von Korruptionsfällen zum Ziel haben. Die ACC hat dabei ein hohes Interesse an Best Practices aus dem Bereich der Finanzermittlungen. Auf das bereits erfolgreich absolvierte Grundlagenseminar folgten im Laufe des Jahres 2024 weiterführende Workshops und Trainingseinheiten zu den Themen Geldwäsche, Kryptowährungen, Vermögensabschöpfungen sowie Aufspüren und Einfrieren von Vermögenswerten.
An der im Mai 2024 durchgeführten Konferenz „Transformation Talk on Asset Recovery & Forfeiture“ an der Universität von Sambia (UNZA) in Lusaka nahmen unter anderem die Botschafterinnen Deutschlands, Finnlands und der Europäischen Union, der Generaldirektor der sambischen Antikorruptionskommission (ACC), die Dekanin der UNZA, Vertreterinnen und Vertreter der Sambischen Nationalen Anklagebehörde (NPA) und von Transparency International teil. Der Generaldirektor der ACC betonte die Bedeutung des in Zusammenarbeit mit dem Twinning-Projekt entwickelten anonymen Online-Whistleblower-Systems, welches im Kampf Sambias gegen die Korruption einen großen Entwicklungsschritt bedeute. Lebhaft diskutiert wurden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der verschiedenen Rechtsordnungen und praktische Fragen zur Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten. Alle Teilnehmenden waren sich darin einig, dass Abschöpfung und Einziehung wichtige Aspekte der Verbrechensbekämpfung sind und diesen Themen eine große Bedeutung zukommt.
Ausblick
Ausgehend von den aktuellen Reformbedarfen der Partnerländer zielen auch die für 2025 vorgesehenen Aktivitäten in der Region darauf ab, die Umsetzung der Rechts- und Justizreform in den Partnerländern zu unterstützen. Wichtige Themen bleiben die Zusammenarbeit in den Bereichen der Modernisierung des Wirtschaftsrechts, des Zivil- und Strafrechts sowie der Korruptionsbekämpfung in Zusammenarbeit mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren. Auch der Schutz der vulnerablen Gruppen in der Justiz wird 2025 voraussichtlich ein wichtiges Thema bleiben.