Mohamed Aujjar, Justizminister des Königreichs Marokko (Mitte) gemeinsam mit Taoufik Maimouni, Präsident des Ausschusses für Justiz, Gesetzgebung und Menschenrechte im marokkanischen Parlament; Prof. Dr. Michael Bohnert, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Würzburg; Asma Dhib, IRZ; Andreas Stüve, Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf (v.l.n.r.) Marokko
Am 3. Juli 2019 fand in der Repräsentantenversammlung (Unterhaus) des marokkanischen Parlaments in Rabat unter Beteiligung der Presse ein weiteres hochrangiges Expertentreffen zum Gesetzentwurf einer Berufsordnung für Rechtmedizinerinnen und Rechtsmediziner in Marokko statt. Der Gesetzentwurf soll Ende des Jahres verabschiedet werden.
Das Treffen in Rabat war die Fortsetzung der ersten Gesprächsrunde zwischen Abgeordneten sowie Vertreterinnen und Vertretern der marokkanischen Staatsanwaltschaft und der Rechtsmedizin vom 27. März dieses Jahres. Zur Begrüßung waren der marokkanische Justizminister, Mohamed Aujjar, sowie der Präsident des Ausschusses für Justiz, Gesetzgebung und Menschenrechte im Parlament, Taoufik Maimouni, anwesend. Der Justizminister sprach in seinem Grußwort die bestehenden Schwierigkeiten und Probleme im Bereich der Rechtsmedizin deutlich an und stellte mehr Unterstützung seitens des Justizministeriums in Aussicht.
Zu dem Treffen waren Mitglieder des Ausschusses für Justiz, Gesetzgebung und Menschenrechte im marokkanischen Parlament, Vertreterinnen und Vertreter des marokkanischen Justizministeriums, der marokkanischen Gesellschaft für Rechtsmedizin (SMML) sowie der marokkanischen Staatsanwaltschaft geladen. Von großer Bedeutung war auch die Teilnahme von Vertreterinnen und Vertretern des marokkanischen Nationalen Rats für Menschenrechte (Conseil national des droits de l’Homme/CNDH). Als IRZ-Experten nahmen Prof. Dr. Michael Bohnert, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Würzburg, sowie Oberstaatsanwalt Andreas Stüve, Staatsanwaltschaft Düsseldorf, an dem Fachtreffen teil.
Die Veranstaltung bot allen beteiligten Akteuren die Möglichkeit, an die Ergebnisse des letzten Expertengesprächs anzuknüpfen und gemeinsam über die noch offenen aktuellen Fragen zum Gesetzentwurf zu diskutieren. Themenschwerpunkte waren:
die Wahrung menschenrechtlicher Werte in der Arbeitspraxis der Rechtsmedizin,
die Rolle der Rechtsmedizin im strafrechtlichen Verfahren sowie
besondere Schwierigkeiten und Herausforderungen im Bereich der Rechtsmedizin in Marokko.
Alle Beteiligten waren sich einig, dass der vorliegende Gesetzentwurf eine große Unterstützung für die Arbeit der Rechtsmedizin in Marokko wie auch für die marokkanische Justiz allgemein darstellt und dass für einen Erfolg des Gesetzes auch die hierfür notwendigen Maßnahmen zur finanziellen, institutionellen und organisatorischen Umsetzung getroffen werden müssen.
Im Herbst dieses Jahres soll ein abschließendes Expertengespräch in der Ratsversammlung (Oberhaus) des marokkanischen Parlaments stattfinden, bei dem der Gesetzentwurf vor der offiziellen Verabschiedung nochmals geprüft und gegebenenfalls weitere Fragen zur Umsetzung des Gesetzes geklärt werden sollen. Von marokkanischer Seite besteht sehr großes Interesse an der Teilnahme deutscher Fachexpertise im Rahmen dieser Gesprächsrunde.
Die marokkanische Delegation zu Besuch im BMJV Marokko
Vom 10. bis 14. Juni 2019 empfing die IRZ im Rahmen einer Studienreise zum Thema „Wege zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Justiz und Rechtsmedizin“ eine marokkanische Delegation in Berlin. Die Studienreise fand im Rahmen des Projekts „Zusammenarbeit mit dem Königreich Marokko auf dem Gebiet der Rechtsmedizin unter besonderer Berücksichtigung der Belange der dortigen Justiz“ statt, das die IRZ seit 2017 bis 2019 im Rahmen der Projektförderung des Auswärtigen Amtes (Transformationspartnerschaften mit Nordafrika/ dem Nahen Osten) umsetzt. Ziele des Projekts sind:
Förderung einer unabhängigen Rechtsmedizin in Marokko durch Aus- und Weiterbildung der Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner,
Unterstützung der marokkanischen Partner bei der Entwicklung einer Berufsordnung,
Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Justiz und Rechtsmedizin durch die Weiterbildung von Richterinnen, Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten zu rechtsmedizinischen Themen.
Das erste Fachgespräch fand bei der Staatsanwaltschaft Berlin statt, wo die Bedeutung der Rechtsmedizin sowie der Rechtsmedizinerin oder des Rechtsmediziners am Tatort erörtert wurde. Des Weiteren diskutierten die Teilnehmer mit ihren Gastgebern über Verständnisschwierigkeiten bei der Auswertung rechtsmedizinischer Gutachten und über Fragen zur Kostenübernahme für DNA-Untersuchungen. Beim Termin mit dem Landeskriminalamt Berlin wurde vor allem über die Zusammenarbeit der Mordkommission mit der Staatsanwaltschaft und der Rechtsmedizin sowie die Bedeutung der Priorisierung von Spuren am Tatort gesprochen. Die Kommunikation zwischen Staatsanwaltschaft, Rechtsmedizin und Polizei ist für den Erfolg des Ermittlungsverfahrens von großer Bedeutung.
Während des Besuchs im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) lag der Fokus auf der Bedeutung rechtmedizinischer Gutachten im Verfahren. Der Umgang mit dem Gutachten bleibt für Richterinnen und Richter eine Herausforderung, vor allem in Bezug auf die verwendete Fachsprache. Aus diesem Grund ist die Anhörung der Rechtsmedizinerin oder des Rechtsmediziners als Sachverständige/r vor Gericht relevant. Dabei kann sie oder er auch Verständnisfragen zum Gutachten beatworten.
Das Gespräch bei der Charité begann mit der Vorstellung der Möglichkeiten der Rechtsmedizin und ihrer Bedeutung für die Justiz. Ein weiterer Diskussionspunkt betraf die Finanzierung der Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner. Im Anschluss wurden die marokkanischen Gäste durch die Abteilungen des Instituts, u.a. in den Obduktionssaal, geführt.
Bei dieser Studienreise hatten die zehn eingeladenen marokkanischen Teilnehmer die Gelegenheit, von der deutschen Expertise zu profitieren. Sie waren bei allen Gesprächen aktiv beteiligt und haben dabei auch sehr offen über aktuelle Probleme der Rechtsmedizin in Marokko gesprochen.
Am 20. und 21. Juni 2019 fand in Rabatt das vierte Seminar zum Thema „Menschenwürdige Behandlung von Inhaftierten im marokkanischen Strafvollzug“ statt, dass die IRZ in Kooperation mit der „Generaldirektion für Strafvollzug und Resozialisierung (DGAPR)“ durchführte. Rahmen dieses Seminars ist das durch das Auswärtige Amt geförderte Projekt zur „Zusammenarbeit mit dem Königreich Marokko auf dem Gebiet des Strafvollzugs“, das die IRZ seit 2017 bis 2020 umsetzt.
Die IRZ wurde bei der Durchführung des Seminars von einer Expertin und einem Experten aus der Justizvollzugsanstalt Tegel in Berlin unterstützt: Silvia Cardini, Leiterin des Psychologischen Dienstes, und Michael Weise, Leiter Allgemeiner Vollzugsdienst.
Der erste Seminartag umfasste ein Treffen des Steering-Komitees aller im Rahmen des Projekts gegründeten Arbeitsgruppen. Nach einer kurzen Vorstellung des Projekts durch die IRZ diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die inhaltliche Gestaltung des anzufertigenden Handbuchs. Dieses soll auf Grundlage des marokkanischen Strafvollzugsgesetzes sowie einschlägiger internationaler Abkommen erarbeitet werden.
Im Verlaufe des zweiten Seminartages kamen mögliche Maßnahmen zur Prävention von Gewalt zwischen den Inhaftierten sowie gegenüber den Strafvollzugsbeamten zur Sprache. Zwei Kernaufgaben der DGAPR in Marokko bilden die Gewährleistung der Sicherheit in den Strafvollzugsanstalten sowie die Qualifizierung der Inhaftierten im Hinblick auf deren Resozialisierung. Zur Erfüllung dieser beiden Ziele setzt die DGAPR auf ein Sicherheitskonzept, das auf zwei Säulen ruht:
Materielle Sicherheit: technische und infrastrukturelle Maßnahmen sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen des Personals.
Dynamische Sicherheit: Aufbau guter Beziehungen zu den Inhaftierten sowie Gewaltprävention durch die Sicherstellung einer menschenwürdigen Behandlung der Inhaftierten.
In Deutschland gelten personenbezogene und strukturelle Faktoren als Ursachen der Gewalt unter Inhaftierten. Deshalb wird neben einer menschenwürdigen Unterbringung zur Prävention verstärkt auf die Nutzung des offenen Vollzugs gesetzt. Hinzu kommen weitere Präventionsmaßnahmen z.B. gegen Gewalt und Drogenkonsum.
In Deutschland sollen ebenso wie in Marokko die Arbeitsbedingungen der Beamten im Strafvollzug u.a. durch folgende Maßnahmen verbessert werden:
eine ausreichende Ausstattung mit gut ausgebildetem Personal,
eine gute Betreuung sowie
ein fortlaufendes Angebot an Weiterbildungen.
Beide Länder arbeiten bei der Durchführung der Gewaltpräventionsmaßnahmen neben vollzugsinternen, vor allem im Aus- und Weiterbildungsbereich sowie bei der Behandlung der Inhaftierten, mit externen Akteuren aus der Zivilgesellschaft oder dem öffentlichen Sektor eng zusammen.
Zur Prävention von religiös motivierter Gewalt setzt Marokko auf eine Strategie der Versöhnung des Inhaftierten mit sich selbst, mit der Gesellschaft und mit den religiösen Texten. In Deutschland bieten religiöse Gelehrte Gruppengespräche an und stehen auf Wunsch der Inhaftierten in regelmäßigem Kontakt zu ihnen. Diese Behandlungsmaßnahmen gliedern sich ebenfalls in die Anstrengungen zur Prävention von Gewalt ein.
Es besteht ein großes beiderseitiges Interesse an einem weiteren Austausch zu diesen Themen.