Moldau - Jahresbericht 2017

Runder Tisch und öffentliche Anhörung vor der zweiten Lesung des Verwaltungskodex mit Vertreterinnen und Vertretern des Parlaments und von Nichtregierungsorganisationen im moldauischen Parlament: Georg Schmidt, Präsident des Verwaltungsgerichts Trier; Dr. Stefan Hülshörster, IRZ-Geschäftsführer; Rolf Hüffer, Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs a. D. (v.l.n.r.)
Runder Tisch und öffentliche Anhörung vor der zweiten Lesung des Verwaltungskodex mit Vertreterinnen und Vertretern des Parlaments und von Nichtregierungsorganisationen im moldauischen Parlament: Georg Schmidt, Präsident des Verwaltungsgerichts Trier; Dr. Stefan Hülshörster, IRZ-Geschäftsführer; Rolf Hüffer, Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs a. D. (v.l.n.r.)

Rechtspolitische Ausgangslage

Nicht erst seit der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU im Juni 2014, vollständig in Kraft getreten im Juli 2016, bemüht sich die Republik Moldau, die auch Teil der Östlichen Partnerschaft der EU ist, die ehrgeizigen Strukturreformen, zu denen sie sich im Rahmen des Abkommens verpflichtet hat, umzusetzen. Damit rückt die Republik Moldau einerseits näher an die EU heran, ist aber andererseits nach der Wahl eines neuen Staatspräsidenten Ende 2016 zwiegespalten zwischen einer Annäherung an die EU und einer russlandfreundlichen Politik. Anfang 2017 war die Rede von einer möglichen Aufhebung des Assoziierungsabkommens; die moldauische Regierung betonte aber, den Weg nach Europa entschlossen fortsetzen zu wollen. Die im Herbst nächsten Jahres anstehenden Parlamentswahlen werden zeigen, ob und mit welcher Intensität der europaorientierte Reformkurs fortgesetzt werden soll.

Konzeption

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinstitutionen in der Republik Moldau gestaltete sich auch 2017 intensiv und wurde mit besonderem Engagement vorangetrieben. Mit Zuwendungen des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz und Projektförderungen des Auswärtigen Amtes wurden insbesondere in den Bereichen der Reform des Strafprozessrechts, des Verwaltungsrechts, des Notarwesens und der Rechtsanwaltschaft zahlreiche Fachveranstaltungen durchgeführt. Einer der Schwerpunkte war die Beratung zur Strafprozessrechtsreform, nicht zuletzt auf besonderen Wunsch des moldauischen Vizejustizministers. Die IRZ hat in diesem Rahmen zahlreiche Beratungen und Arbeitssitzungen ermöglicht, die deutschen Expertinnen und Experten haben mehrfach gutachterliche Stellungnahmen dazu abgegeben. Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit in der Republik Moldau bildeten die Beratungen zum Entwurf eines Verwaltungskodex bestehend aus einem allgemeinen Teil, einem Teil mit einem Verwaltungsverfahrensgesetz sowie einem dritten Teil mit einem Verwaltungsprozessgesetz. Nach jahrelangen Vorarbeiten lag der Entwurf des Kodex nunmehr in der ersten Lesung dem Parlament vor und wurde gemeinsam mit Vertretern des Rechtsausschusses des moldauischen Parlaments vorangetrieben und zwischen erster und zweiter Lesung weiter überarbeitet. Vor diesem Hintergrund wurden die Fortbildungen der zukünftigen Verwaltungsrichterinnen und -richter weiter forciert und werden auch in Zukunft breiteren Raum einnehmen. Im dritten Schwerpunktbereich der Fortbildung und der Nachwuchsförderung wurden gezielt und in Kooperation mit dem Nationalinstitut der Justiz sehr praxisorientierte Fortbildungen für die Richterschaft und die Staatsanwaltschaft sowie ein Begleitstudium an der Staatlichen Universität zur Förderung des juristischen Nachwuchses durchgeführt. Des Weiteren hat die IRZ mit dem Verfassungsgericht eng zusammengearbeitet. Neben dieser Arbeit hat sich die IRZ in verschiedenen EU-Projekten engagiert, die sich fachlich gut in das IRZ-Portfolio einfügen.

Tätigkeitsschwerpunkte 2017

Verfassungsrecht/Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Internationale Konferenz beim Verfassungsgericht der Republik Moldau in Chișinău
  • Fachgespräch zum Zusammenwirken von Verfassungsorganen in Chișinău

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Fortbildung zur Relations- und Urteilstechnik in Chișinău

Öffentliches Recht

  • Fachgespräche mit Textarbeit am Entwurf des moldauischen Verwaltungskodex in Chișinău
  • Klausurtagung zum Verwaltungskodex in Hannover
  • Fachtagung zum Verwaltungsrecht in Chișinău
  • Zweites Rundtischgespräche mit Vertreterinnen und Vertretern des Parlaments und der Zivilgesellschaft über die Änderungen und Neufassung des Verwaltungskodex zwischen erster und zweiter Lesung des Gesetzentwurfs im Parlament in Chișinău
  • Klausurtagung zum Verwaltungskodex in Bonn
  • Klausurtagung zum Verwaltungskodex in Minden und Bückeburg
  • Beteiligung an der Fachtagung europäischer Richterverbände zur Justizreform und zur Integrität der Justiz in Chișinău

Straf- und Strafvollzugsrecht

  • Informationsaufenthalt des stellvertretenden Justizministers der Republik Moldau zur Reformierung des Strafprozessrechts in Bonn, Köln und Düsseldorf
  • Begutachtung von Teilen des moldauischen Strafprozessgesetzes als Grundlage für die anstehenden Reformberatungen
  • Erste Arbeitssitzung zu den vorgesehenen Gesetzesänderungen im moldauischen Strafprozessrecht in Chișinău
  • Zweite Arbeitssitzung zur Reform des Strafprozessgesetzes in Chișinău
  • Dritte Arbeitssitzung zum Reformvorhaben im Strafprozessrecht in Chișinău
  • „Round Table“ mit Vertreterinnen und Vertretern der Polizei, Staatsanwaltschaft und Richterschaft zur Einleitung und Gestaltung des Strafverfahrens sowie zur Verteilung der Kompetenzen
  • Fachgespräch zu den Kosten im Strafverfahren und der Rolle der Staatsanwaltschaft in Chișinău
  • Fachgespräch und Seminar zum Stand der Reformen im Strafvollzugsrecht und zur Erstellung individueller Vollzugspläne in Chișinău
  • Fortbildung zur Vernehmung von Zeuginnen und Zeugen in Chișinău
  • Fortbildung zur Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung in Chișinău
  • Fortbildung zu den Arbeitsmethoden von Strafrichterinnen und Strafrichtern für die Richterschaft und Staatsanwaltschaft in Chișinău
  • Fortbildung für die Mitarbeiterschaft der Antikorruptionsbehörde in Chișinău
  • „Moot Court“ im Strafprozessrecht in Chișinău
  • Teilnahme eines deutschen Experten an einer Konferenz der moldauischen Generalstaatsanwaltschaft in Chișinău

Aus- und Fortbildung

  • Begleitstudium zur Einführung in das deutsche und europäische Recht an der Staatlichen Universität in Chișinău
  • Forschungsaufenthalt für eine Stipendiatin des Begleitstudiums an der Universität Bonn
  • Methodentechnik „Train-the-Trainer“ (Grund- und Aufbauseminar) in Chișinău

Von der Europäischen Union finanzierte Projekte

EU-Technical-Assistance-Projekt: Support to the Pre-Trial Investigation, Prosecution and the Defence Set-Up in Moldova

Im Frühjahr 2017 konnte dieses EU-finanzierte Projekt mit einer Laufzeit von 30 Monaten erfolgreich abgeschlossen werden. Unter anderem erarbeitete das Projekt im Rahmen der ersten Komponente „Gesetzgebungsberatung, Stärkung der institutionellen Kapazität der Strafrechtsbehörden“ einen Änderungsentwurf des Staatsanwaltsgesetzes sowie relevante Ausführungsvorschriften. Das neue Gesetz ist seit August 2016 in Kraft und die wichtigsten Änderungen betreffen die Auswahl der Generalstaatsanwältin bzw. des Generalstaatsanwalts, die bzw. der von nun an auf Vorschlag eines Rats der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte erfolgen wird. Des Weiteren hat das Projekt bei der Ausarbeitung eines Ethikkodex für die Staatsanwaltschaft sowie eines Gesetzes zur Organisation der Generalstaatsanwaltschaft beraten. Neben der Generalstaatsanwaltschaft wird es nur noch zwei spezialisierte Staatsanwaltschaften geben: für den Bereich Antikorruption und die Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Das Projekt hat darüber hinaus Empfehlungen im Bereich Antikorruptionsmaßnahmen und zur Einrichtung einer Antikorruptionsabteilung erarbeitet. Auch 2017 wurden im Rahmen der zweiten Komponente maßgeschneiderte Fortbildungsseminare und Trainings für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Untersuchungsrichterinnen und Untersuchungsrichter in den Bereichen Untersuchungsmethoden, Forensik und Steuerbetrug durchgeführt. Um den Dialog zwischen der Zivilgesellschaft, der Staatsanwaltschaft, der Polizei sowie Journalistinnen und Journalisten zu verbessern, organisierte das Projekt überdies drei Rundtischgespräche. Ferner initiierte es einen sehr gut angenommenen Englischkurs für Mitglieder der Staatsanwaltschaft. Im Rahmen der Umsetzung der dritten Komponente des Projekts „Stärkung des Vertrauens der Bevölkerung“ wurden u. a. drei Umfragen zum Strafrechtswesen mit verschiedenen Zielgruppen durchgeführt und deren Ergebnisse präsentiert. Befragt wurden an Strafverfahren beteiligte Personen, Teile der Bevölkerung sowie Inhaberinnen und Inhaber kleiner und mittelständischer Unternehmen. Zudem leistete das Projekt Unterstützung bei der Entwicklung von Kommunikationsstrategien sowie dem Auftreten in der Öffentlichkeit. Schließlich wurden drei Studienbesuche in Rumänien und Schweden durchgeführt zu Themen wie z. B. elektronisches Fallmanagement, Arbeitsmethodik sowie Umsetzung von Antikorruptionsstrategien.

EU-Technical-Assistance-Projekt: Support to the Constitutional Court of Moldova

Im September 2017 endete nach 19-monatiger Laufzeit dieses Projekt mit einem Volumen von knapp 1,4 Mio. Euro. Das vierköpfige internationale Expertenteam unterstützte das moldauische Verfassungsgericht dabei, die interne Organisation des Gerichts zu verbessern und die Arbeits- und Recherchemethoden insbesondere der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neu zu strukturieren. Dies geschah u. a. mittels Trainings zur methodischen Arbeitsweise sowie einer Fortbildungsreihe zur Auslegung der Rechtsprechung des EGMR und etablierter europäischer Verfassungsgerichte sowie zu Vorgaben der Venedig-Kommission des Europarats. Zudem führten zwei Arbeitsbesuche die Richterinnen und Richter des moldauischen Verfassungsgerichts zum Europarat und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) nach Straßburg, zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe und zum litauischen Verfassungsgericht nach Vilnius. Dabei konnten diese sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen fachlich über die unterschiedlichen Arbeitsabläufe und die Wechselwirkung zwischen der europäischen und der nationalen Ebene austauschen. In der Komponente der Gesetzgebungsberatung waren zwei Projektexperten in der Kommission des Justizministeriums vertreten, die Vorschläge zur Überarbeitung des Verfassungsgerichtsgesetzes zu erarbeiten hatte. Diese Gesetzesreform konnte während der Projektlaufzeit nicht abgeschlossen werden. Viele Aktivitäten dienten zudem dazu, die Öffentlichkeitsarbeit des Gerichts zu verbessern. So fanden etwa Seminare für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Journalistinnen und Journalisten statt, um die Qualität der Berichterstattung in den moldauischen Medien über das Verfassungsgericht zu erhöhen. Das letzte Treffen des Lenkungsausschusses und die Abschlussveranstaltung im September 2017 machten deutlich, wie positiv das Projekt von allen Seiten bewertet wurde. Als Konsortialpartner wirkten das Verfassungsgericht Litauens und die Deutsche Rechtsschule Warschau an diesem Vorhaben mit.

EU-Twinning-Projekt: Capacity Building of the National Centre for Personal Data Protection of the Republic of Moldova

Dieses Twinning-Projekt wird gemeinsam mit dem lettischen Justizministerium als Juniorpartner und dem Nationalen Zentrum für Datenschutz der Republik Moldau durchgeführt. Es startete am 2. Oktober 2017 und hat eine Laufzeit von 24 Monaten. Das Projekt ist mit einem Budget von 1 Mio. Euro ausgestattet. Das übergeordnete Ziel des Projekts ist die Absicherung des persönlichen Datenschutzes und der Privatsphäre in der Republik Moldau in Übereinstimmung mit den rechtlichen Rahmenbedingungen und den Standards in der EU. Zudem soll der Austausch von Daten zwischen den EU-Mitgliedstaaten und der Republik Moldau ab Mai 2018 abgesichert werden, wenn die EU-Datenschutzgrundverordnung in Kraft tritt und zudem die Richtlinie 2016/680 von den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden muss. Das Projekt besteht aus drei Komponenten:

  • Harmonisierung der nationalen Gesetzgebung im Bereich des persönlichen Datenschutzes mit dem EU-Acquis, einschließlich der Regelungen der Datenschutzgrundverordnung und der EU-Richtlinie 2016/680. Die aktuelle Gesetzeslage in der Republik Moldau wird überprüft und mit den beiden EU-Regelungen verglichen. Ein Gesetzentwurf und ein Strategieplan für die Jahre 2020 bis 2022 sollen erarbeitet werden.
  • Unterstützung des Nationalen Zentrums für persönlichen Datenschutz und anderer relevanter Institutionen bei der Umsetzung des neuen, noch zu erarbeitenden Datenschutzgesetzes. Eine Verhaltensanweisung für diejenigen Personen, die Daten sammeln und verarbeiten, wird entworfen und ein „Train-the-Trainer“-Programm durchgeführt. Der Umgang mit Verstößen gegen Datenschutzregelungen wird zudem eingeübt.
  • Sensibilisierung der Öffentlichkeit sowie der Personen, die Daten überprüfen und verarbeiten, in Bezug auf die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung und der EU-Richtlinie 2016/680.

Ausblick

Die IRZ wird die Beratungen, insbesondere zum Verwaltungskodex und zum Strafprozessgesetz, fortsetzen und auch auf parlamentarischer Ebene beratend begleiten. Im April 2017 hat das moldauische Justizministerium das von der Regierung im Dezember 2016 genehmigte Strategiepapier zur Entwicklung des Justizvollzugs für den Zeitraum 2016 bis 2020 vorgestellt. Die IRZ wird die Reformvorhaben im Strafvollzugsbereich in Anlehnung an die bereits erfolgte Beratung zum Strafprozessgesetz und an ein in früherer Zeit durchgeführtes EU-Twinning-Projekt unterstützen und den moldauischen Partnern beratend zur Seite stehen. Weiterhin sind u. a. Veranstaltungen zu den Themen Verfassungsrecht, juristische Fortbildungen und Gesetzgebungstechnik geplant. Nach der Verabschiedung des Verwaltungskodex und gegebenenfalls auch des Strafprozessgesetzes werden die erforderlichen Beratungen bei der Implementierung des Gesetzes mit Nachdruck fortgesetzt.