Seminar „Soziale und psychologische Unterstützung der Inhaftierten“ in Casablanca
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- Veröffentlicht: Sonntag, 07. April 2019

Am 27. und 28. März 2019 fand in Casablanca, Marokko, das dritte Seminar zum Thema „Soziale und Psychologische Unterstützung der Inhaftierten“ in Kooperation der IRZ mit der Generaldirektion für Strafvollzug und Resozialisierung (DGAPR) statt. Die Veranstaltung lief im Rahmen des von 2017 bis 2020 durch das Auswärtige Amt geförderten Projekts „Zusammenarbeit mit dem Königreich Marokko auf dem Gebiet des Strafvollzugs“.
Im Auftrag der IRZ wirkten zwei Expertinnen aus dem Berliner Strafvollzug am Seminar mit: Dr. Angelika Burghardt-Kühne, Psychologin, und Vera Schiepe, Gruppenleiterin, die beide an der Justizvollzugsanstalt Heidering tätig sind.
Aufbauend auf den vorherigen Seminaren behandelte die Veranstaltung schwerpunktmäßig folgende Themen:
- Auseinandersetzung der Inhaftierten mit ihrer Straftat,
- Maßnahmen zur Unterstützung des Personals bei der Betreuung der Insassen,
- Unterstützung von Resozialisierungsmaßnahmen durch Vollzugslockerungen sowie
- Einbezug der Familie in therapeutische Maßnahmen.
Zur Resozialisierung werden in Marokko hauptsächlich Maßnahmen zur Bildung und informellen Erziehung zur Bekämpfung des Analphabetismus sowie zur Aus- und Weiterbildung der Inhaftierten durchgeführt. Außerdem gibt es Maßnahmen zur Freizeitgestaltung und eine psychologische Betreuung der Insassen. Hierzu bietet die DGAPR die Sonderprogramme „Nationalprogramm für geistige Gesundheit“ sowie „Nationalprogramm zur Vorsorge und Bekämpfung von Drogensucht“ an. Im Rahmen des letzteren wurden in fünf Haftanstalten Arbeitsgruppen zur Suchtbekämpfung in Kooperation mit dem Gesundheitsministerium gegründet. In diesen Arbeitsgruppen arbeiten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Sozialassistentinnen und Sozialassistenten, Psychologinnen und Psychologen sowie Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner koordiniert zusammen. Einen weiteren wichtigen Beitrag zur Resozialisierung von Inhaftierten leistet die marokkanische Zivilgesellschaft mit kulturellen Programmen und Ausbildungsmaßnahmen.
In Deutschland und Marokko werden ähnliche Programme zur Resozialisierung und Betreuung der Inhaftierten durchgeführt. So ist die Familie eines Inhaftierten in Deutschland an Maßnahmen zu dessen Resozialisierung ebenfalls beteiligt, allerdings im Vergleich zu Marokko nur in einem eingeschränkten Umfang. Ein weiteres zentrales Programm in Deutschland dient der Auseinandersetzung mit der Straftat, die auch im Strafvollzugsgesetz vorgesehen ist. Durch Entwicklung eines Problembewusstseins soll der Inhaftierte Verantwortung für seine Tat übernehmen. Dabei spielen ein gutes Empathievermögen der Strafvollzugsbeamten sowie die gemeinsame Entwicklung von Handlungsalternativen mit den Inhaftierten eine wichtige Rolle.
Die Expertinnen und Experten beider Länder stellten ähnliche Schwierigkeiten bei der Behandlung bestimmter Inhaftiertengruppen fest. Der Umgang mit Inhaftierten, die sich einer Auseinandersetzung mit ihrer Straftat verweigern, stellt den Strafvollzug in beiden Ländern vor Herausforderungen, da eine Teilnahme hieran in Marokko und Deutschland freiwillig ist. Besonders bei Hochrisikotäterinnen und Hochrisikotätern sehen die Expertinnen und Experten nur sehr begrenzte Möglichkeiten der Behandlung.
Eine zentrale Aufgabe des Strafvollzugspersonals besteht darin, Inhaftierte zur Teilnahme an Maßnahmen zur Resozialisierung zu motivieren. Damit dem Personal diese Aufgabe gelingt, ist es notwendig, dass es durch therapeutische Maßnahmen sowie ein behandlungsfreundliches Klima im Alltag unterstützt wird. Die Beamten sollten in einem geschützten Rahmen über ihre Erfahrungen sprechen können. Aus diesem Grund sind berufsübergreifende Fortbildungen als unterstützende Maßnahmen wesentlich.
Für Hochrisikotäter ist auf europäischer Ebene mit VERA 2 ein neues Instrument zur Einschätzung ihrer Gefährlichkeit entwickelt und in ersten deutschen Strafanstalten eingeführt worden. In Marokko besteht weiterhin ein Bedarf an Richtlinien und Handbüchern, um die soziale und psychologische Betreuung der Inhaftierten zu verbessern. Die IRZ hat mit ihrem Projekt in enger Absprache mit den Partnern von der DGAPR auf diesen Bedarf reagiert und in dieser Komponente ebenfalls eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Deren Ziele umfassen die Benennung einer Pilotanstalt, in der ein durch die Arbeitsgruppe geplantes Handbuch umgesetzt werden soll.