Am 19. und 20. Februar 2019 führte die IRZ in Marrakesch, Marokko, in Kooperation mit der Generaldirektion für Strafvollzug und Resozialisierung (DGAPR) das dritte Seminar zum Thema „Menschenwürdige Behandlung von Inhaftierten im marokkanischen Strafvollzug“ durch. Die Veranstaltung fand im Rahmen des durch das Auswärtige Amt geförderten Projekts zur „Zusammenarbeit mit dem Königreich Marokko auf dem Gebiet des Strafvollzugs“ statt, dessen Umsetzung durch die IRZ in den Jahren 2017 bis 2019 stattfindet.
Als Experten unterstützten zwei Mitarbeiter aus dem Berliner Strafvollzug die IRZ bei der Durchführung des Seminars:
Stefan Tydecks, Psychologe in der Einweisungsabteilung bei der Justizvollzugsanstalt Moabit, und
Michael Weise, Leiter Allgemeiner Vollzugsdienst in der Justizvollzugsanstalt Tegel.
Zu Beginn der Veranstaltung würdigte Reolonane Koutane von der DGAPR die engen und historisch gewachsenen Beziehungen zwischen Marokko und Deutschland, die durch das Seminar eine weitere Vertiefung erführen.
Im Zuge eines Reformprozesses schaffte Marokko beginnend mit der Verfassung von 1962 schrittweise das alte Modell des Strafvollzugs ab. Seitdem liegt der Fokus nicht mehr ausschließlich auf dem Freiheitsentzug der Inhaftierten zum Schutz der Gesellschaft, sondern auf der Wahrung ihrer menschenwürdigen Unterbringung und ihrer Resozialisierung. Die DGAPR strebt ein neues Bild von Justizvollzugsanstalten an, in dem deren pädagogische Arbeit betont wird.
Die Seminarvorträge der Expertinnen und Experten aus Deutschland und Marokko beleuchteten die Historie in der Gesetzgebung zur Wahrung von Menschenrechten im Strafvollzug. In Marokkos Strafvollzugsgesetz sowie in der neuen Verfassung von 2011 ist die Wahrung der Grundrechte Inhaftierter garantiert. Die Einhaltung der Menschenrechte im Strafvollzug überprüfen mehrere eigens gegründete Institutionen, von denen der 2018 reformierte nationale Menschenrechtsrat Marokkos eine der bedeutendsten ist.
Im Zuge der Bemühungen der DGAPR um eine stetige Verbesserung der Einhaltung von Menschenrechten bei den Inhaftierten, wurde die Lebensmittelversorgung privatisiert und außerdem die Versorgung mit Dienstleistungen deutlich verbessert. Darüber hinaus wurde auf nationaler Ebene eine elektronisches Beschwerdemanagement-System eingerichtet.
Im deutschen Strafvollzug ist der Behandlungsauftrag der Justizvollzugsanstalten von entscheidender Bedeutung. Zentrales Ziel des Strafvollzugs in Deutschland ist die Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Mit dem Ziel der Entlassung in ein straffreies Leben stellten die deutschen Experten in ihren Vorträgen Maßnahmen der Vollzugslockerung vor, in deren Rahmen bestimmte Auflagen oder Sicherheitsmaßnahmen bestimmt werden können. Grundsätzlich besteht kein Rechtsanspruch des Inhaftierten auf Vollzugslockerungen. Bei einer positiven Prognose können in Deutschland allerdings auch Hochrisiko-Täter/innen von Vollzugslockerungen profitieren. Terroristinnen und Terroristen sind im deutschen Strafvollzug hiervon jedoch ausgeschlossen. In Marokko wird zur Resozialisierung von Terroristinnen und Terroristen eine Strategie der Versöhnung mit sich selbst, den religiösen Quellen und der Gesellschaft angewandt.
Bei der Unterbringung extremistischer Inhaftierter muss neben Sicherheitsaspekten auch ihre menschenwürdige Unterbringung beachtet werden. Hierzu betonten die deutschen Experten die Notwendigkeit einer ausreichenden Aus- und Fortbildung des Personals im Strafvollzug für den Umgang mit dieser Inhaftiertengruppe.
In den Diskussionen des Seminars wiesen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf ähnliche Erfahrungen im marokkanischen und deutschen Strafvollzug hin und zeigten sich sehr interessiert daran, gemeinsame Problemlösungen zu erarbeiten. Gerade bei der Freilassung auf Bewährung bestehen in beiden Systemen ähnliche Auflagen für die Inhaftierten. Ein reger Austausch fand außerdem zur Gestaltung eines offenen Vollzuges statt. Hier standen die Langzeitstrafen und die Behandlung der Hochrisikotäter/innen im Mittelpunkt.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie Referentinnen und Referenten des Seminars in Rabat Marokko
Am 6. und 7. Februar 2019 veranstaltete die IRZ gemeinsam mit der marokkanischen Staatsanwaltschaft in Marrakesch das Seminar „Einführung in die Toxikologie“. Dieses fand im Rahmen des Projektes „Zusammenarbeit mit dem Königreich Marokko auf dem Gebiet der Rechtsmedizin unter besonderer Berücksichtigung der Belange der dortigen Justiz“ statt, das die IRZ im Zeitraum von 2017 bis 2019 im Rahmen der Projektförderung des Auswärtigen Amtes (Transformationspartnerschaften mit Nordafrika/ dem Nahen Osten) umsetzt.
Wie im vergangenen Jahr wurden bei dieser Veranstaltung rund 30 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner in den Grundlagen der Arbeit in toxikologischen Laboren geschult.
Ziel war es aufzuzeigen, welche Möglichkeiten die Toxikologie im Rahmen der Ermittlungsarbeit bietet. Anhand des Urins, des Blutes, der Haare und Organe lassen sich bereits einige Aussagen zur möglichen Todesursache durch verschiedene Substanzen treffen.
In zahlreichen Fallbeispielen gingen die als Experten geladenen deutschen Toxikologen vom Institut für Rechtsmedizin der Charité Berlin, André Niebel und Lena Westendorf, auf die Bedeutung und Methoden toxikologischer Untersuchungen bei der Aufklärung von Todesfällen ein. Zusätzlich hielten Vertreterinnen und Vertreter der marokkanischen Sûreté Nationale und der Gendarmerie Royale Vorträge über die Arbeit der in ihren Instituten ansässigen toxikologischen Labore.
In Marokko gibt es lediglich drei Labore (zwei in Rabat und eins in Casablanca), wo Proben untersucht werden können. Die unsachgemäße Lagerung der Proben beim Transport stellt folglich ein großes Problem dar.
Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzten die Diskussionsrunden, um aktuelle Probleme bei der Zusammenarbeit zwischen Rechtsmedizin, Toxikologie und Staatsanwaltschaft anzusprechen. Bemängelt wurde insbesondere die Tatsache, dass Toxikologinnen und Toxikologen, nachdem sie von der Staatsanwaltschaft mit einer Untersuchung beauftragt wurden, keine Informationen zu rechtsmedizinischen Gutachten erhalten. Das erschwere die Arbeit erheblich. In Deutschland arbeiten Rechtsmedizin und Toxikologie hingegen Hand in Hand. Die regen Diskussionen zeigen, dass das Thema wichtig ist und weiterer Gesprächs- und Beratungsbedarf besteht.
Ende des Jahres 2019 soll ein weiteres Seminar zu diesem Thema in Tanger stattfinden.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie Referentinnen und Referenten des Seminars in Rabat Marokko
Am 11. und 12. Dezember 2018 fand in der marokkanischen Hauptstadt Rabat in Kooperation mit der Generaldirektion für Strafvollzug und Resozialisierung (DGAPR) das erste Seminar zum Thema „Governance – Kommunikations- und Planungsstrategien“ statt. Die IRZ setzt in den Jahren 2017 bis 2019 ein durch das Auswärtige Amt gefördertes Projekt zur „Zusammenarbeit mit dem Königreich Marokko auf dem Gebiet des Strafvollzugs“ um, in dessen Rahmen diese Veranstaltung stattfand.
Als Experten unterstützten zwei Mitarbeiter des Berliner Strafvollzugs die IRZ bei der Durchführung des Seminars:
Oberregierungsrat Ingo-Uwe Schümann, Referent in der Abteilung III für IT-Steuerung und die Digitalisierung des Berliner Justizvollzuges, und
Martin Guder, Sozialpädagoge und Teilanstaltsleiter in der JVA Tegel.
Zur Begrüßung würdigten der Vertreter der DGAPR, Reolonane Koutane, und Antje Gade, Leiterin der Rechts- und Konsularabteilung der Deutschen Botschaft in Rabat, die Kooperation zwischen Deutschland und Marokko, hier vertreten durch die IRZ und die DGAPR. Vor allem bei der Deradikalisierung der Inhaftierten, ein in Deutschland zunehmend wichtiges Thema, können beide Länder von den gegenseitigen Erfahrungen profitieren.
Zentrale Themen des Seminars waren:
die Entwicklung von Planungskapazitäten unter Einbezug externer Akteure,
interne und externe Kommunikationsstrategien sowie
die digitale Vernetzung in Verbindung mit der Umsetzung einer Dezentralisierung der Verwaltungsstrukturen.
Die deutschen Experten erkennen in der marokkanischen Entwicklung große Ähnlichkeiten zu den Entwicklungen der letzten Jahrzehnte im deutschen Strafvollzug. Durch den Erhalt einer Behördenfunktion gewannen die Justizvollzugsanstalten mehr Verantwortung und Autonomie. In Marokko ist die Dezentralisierung der Verwaltungsstrukturen noch nicht so stark ausgeprägt, jedoch schreibt die Verfassung von 2011 ihre Förderung vor.
Die Aufgaben der DGAPR
Seit 2008 verwaltet die DGAPR eigenständig sämtliche Bereiche des Strafvollzugs. Neben der Zentralverwaltung in Rabat, verfügt die Behörde über Regionalvertretungen, welche die Aufsicht über die einzelnen Haftanstalten führen. Ein Informationsaustausch findet durch Sitzungen unterschiedlicher Regelmäßigkeit zwischen Regional- und Zentralverwaltung sowie den Anstaltsleiterinnen und Anstaltsleitern mit ihren Beamtinnen und Beamten statt. Die Vernetzung der einzelnen Justizvollzugsanstalten untereinander sowie zur Zentralverwaltung ist jedoch noch unzureichend ausgebaut.
Die beiden deutschen Experten legten in ihren Referaten dar, wie die Berliner Senatsverwaltung im Rahmen ihrer Fachaufsicht die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen durch die JVA überwacht. Zu den eingesetzten Steuerungsinstrumenten zählten allgemeine Handlungsleitlinien, eine Strategieplanung, die Jahresprogrammplanung der Einzelmaßnahmen, individuell mit jeder JVA abgeschlossene Zielvereinbarungen sowie die Entwicklung und Messung von Kennzahlen.
Innerhalb des gesetzlichen Rahmens hätten die Justizvollzugsanstalten jedoch einen verfassungsmäßig garantierten Ermessensspielraum. Mithilfe regelmäßiger Besprechungsrunden zwischen Verwaltungs- und Anstaltsleitung werde auch in Deutschland eine direkte Kommunikation sichergestellt.
In den 2019 folgenden Veranstaltungen werden auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse dieses Seminars eine Kommunikations- sowie eine Planungsstrategie in Form von Handlungsempfehlungen für die DGAPR durch eine Arbeitsgruppe entwickelt werden.