Workshop zum neuen serbischen Eintragungsgesetz: Justizrat Richard Bock, seinerzeitiger Vizepräsident der Bundesnotarkammer (rechts) bei seinen Grußworten; Srbislav Cvejić, Präsident der serbischen Notarkammer; Dr. Lovro Tomašić, Notar aus Melrichstadt; Matthias Schikorski, deutsche Botschaft Belgrad (v.r.n.l.)
Workshop zum neuen serbischen Eintragungsgesetz: Justizrat Richard Bock, seinerzeitiger Vizepräsident der Bundesnotarkammer (rechts) bei seinen Grußworten; Srbislav Cvejić, Präsident der serbischen Notarkammer; Dr. Lovro Tomašić, Notar aus Melrichstadt; Matthias Schikorski, deutsche Botschaft Belgrad (v.r.n.l.)

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Die Republik Serbien, mit der die EU im Januar 2014 offiziell Beitrittsverhandlungen aufgenommen hat, eröffnete im Juli 2016 die Verhandlungskapitel 23 (Justiz und Grundrechte) und 24 (Recht, Freiheit und Sicherheit). Deshalb hat sich der Bedarf an Beratung bei der Harmonisierung des Rechts und Unterstützung bei der Schulung der praktischen Rechtsanwendung noch verstärkt. Nach Auffassung der EU bedarf es zudem besonderer Anstrengung in den beiden oben genannten Kapiteln.

Konzeption

Die IRZ begann die rechtliche Zusammenarbeit mit Serbien im Jahr 2000 im Rahmen des Stabilitätspakts für Südosteuropa. Einen besonderen Schwerpunkt in der Zusammenarbeit mit Serbien bildet die langjährige Kooperation mit dem serbischen Verfassungsgericht, die mit der Beratung bei der erfolgreichen Einführung der Verfassungsbeschwerde begann und nun mit der gemeinsamen Ausrichtung regionaler Verfassungsgerichtskonferenzen fortgesetzt wird. Ergänzt werden diese und andere bilaterale Aktivitäten durch Drittmittelprojekte (IPA und Twinning). Zu den Partnern der IRZ gehören das Justizministerium, das Verfassungsgericht, die juristischen Fakultäten der Universitäten Belgrad und Kragujevac, die Delegation der Deutschen Wirtschaft in Serbien, die Gesellschaft für die Erforschung des deutschen Rechts und seiner Rezeption sowie das Harmonius-Netzwerk junger Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftler, dessen Ziel die Förderung der EU-Rechtsharmonisierung ist.

Hauptziel der IRZ in Serbien ist die Unterstützung des Landes auf dem Weg in die EU im Sinn der Westbalkan-Strategie der EU. Hierbei liegt der Fokus auf einer effektiven Gesetzesanwendung, die rechtsstaatlichen Grundsätzen und den europarechtlichen Vorgaben entspricht, und der Beratung entsprechender gesetzgeberischer Reformvorhaben. Die IRZ betont dabei die Bedeutung einer klaren Orientierung an kontinentaleuropäischen Rechtsgrundsätzen und Modellen, um hybride Lösungen zu verhindern. Außerdem stärkt sie die Zusammenarbeit zwischen Juristinnen und Juristen aus Serbien und dessen Nachbarländern.

Tätigkeitsschwerpunkte 2018

Verfassungsrecht / Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Regionale Verfassungskonferenz „Entscheidungen der Verfassungsgerichte im Bereich der abstrakten Normenkontrolle als Beitrag zur Förderung des Rechtsstaats“ in Belgrad
  • Teilnahme serbischer Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter an der in Zusammenarbeit mit dem montenegrinischen Verfassungsgericht ausgerichteten regionalen Konferenz zum Verhältnis zwischen der Verfassungsgerichtsbarkeit und den Obersten Gerichten in Budva, Montenegro
  • Teilnahme serbischer Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter an der regionalen Verfassungsgerichtskonferenz „Das Steuerrecht in der Rechtsprechung der Verfassungsgerichte“ im Distrikt Brčko, Bosnien und Herzegowina
  • Mitveranstaltung der in Belgrad durchgeführten Konferenz „Human Rights in the 21st Century“ zusammen mit der Serbischen Akademie der Wissenschaften und Künste

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Konferenz „Aktuelles aus der Schiedsgerichtsbarkeit“ zusammen mit der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS), der DeutschSerbischen Wirtschaftskammer und der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Belgrad

Rechtspflege

  • Beratung des serbischen Justizministeriums durch Gutachten und Informationen
    • zur Behandlung geringwertiger Forderungen im deutschen Recht
    • zur Musterfeststellungsklage in Deutschland und kollektiven Verbraucherklagen in anderen Rechtssystemen
    • zum Gebührenrecht in Deutschland
  • Zwei Workshops zu Anwendungsfragen des neuen Gesetzes über die Eintragung in das Immobilien- und Wasserkataster, die zusammen mit der serbischen Notarkammer und der deutschen Bundesnotarkammer (BNotK) veranstaltet wurden, und an denen auch ein Experte aus Bosnien und Herzegowina teilnahm
  • Herausgabe der zweiten Ausgabe der Zeitschrift „Kontinentales Recht – Zeitschrift für nachhaltige und zweckmäßige Rechtsentwicklung“ in Zusammenarbeit mit Belgrader Rechtswissenschaftlern
  • Buchpublikation einer mit einer Einleitung von Manfred Georg und Klaus Rellermeyer vom Bund deutscher Rechtspfleger versehenen Übersetzung des deutschen Rechtspflegergesetzes
  • Unterstützung der Veröffentlichung des Tagungsbands zur im Jahr 2017 an der juristischen Fakultät der Universität Belgrad durchgeführten regionalen Konferenz „Recht und Transformation“
  • Veröffentlichung einer Tagungsdokumentation über das in Zusammenarbeit mit der Südosteuropa-Gesellschaft durchgeführte Symposium „Rechtstransformation in Südosteuropa am Beispiel des ehemaligen Jugoslawiens – Vorbedingung, Akteure und Misserfolge“

Aus- und Fortbildung

  • Konferenz zum kontinentaleuropäischen Zivilrecht mit öffentlicher Vorstellung der Zeitschrift „Kontinentales Recht – Zeitschrift für nachhaltige und zweckmäßige Rechtsentwicklung“ an der juristischen Fakultät der Universität Belgrad
  • Betrieb und Ausbau der Website der vorgenannten Zeitschrift (www.kontinentalno-pravo.info)
  • Ausrichtung des ersten regionalen Workshops „Aktuelles aus dem deutschen Recht und den Rechtssystemen der Region“ im Rahmen der ersten Veranstaltung für deutschsprachige IRZ-Alumni aus den Staaten Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien in Belgrad
  • Mitveranstaltung einer Konferenz zur Rolle der Rechtsprechung im Rechtsstaat in Zusammenarbeit mit dem Harmonius-Netzwerk junger Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftler
  • Unterstützung der Studienreise des Masterstudiengangs „Europäische Integration“ an der juristischen Fakultät der Universität Belgrad in Brüssel, Straßburg und Karlsruhe
  • Kurs in deutscher Rechtsterminologie für deutschsprechende Richterinnen und Richter sowie junge Juristinnen und Juristen an der juristischen Fakultät der Universität Belgrad
  • Beteiligung deutschsprechender serbischer Studierender an der achten „IRZ-Sommerschule Deutsches Recht“ in Bonn
  • Unterstützung der siebten Ausgabe der Zeitschrift „Harmonius – Journal of Legal and Social Studies in South East Europe“ in Zusammenarbeit mit dem Harmonius-Netzwerk junger Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftler
  • Unterstützung der Website des Harmonius-Netzwerks mit umfangreichen Download-Materialien
  • Beteiligung serbischer Doktoranden am Workshop für juristische Methodenlehre an der juristischen Fakultät der Universität Zenica, Bosnien und Herzegowina
  • Verbreitung von durch die IRZ in anderen Staaten der Region herausgegebenen, regionalen juristischen Fachpublikationen, insbesondere der regionalen Fachzeitschrift „Nova Pravna Revija“ („Neue Juristische Umschau“), und von Buchpublikationen mit verschiedenen, mit fachlichen Einführungen versehenen, Übersetzungen deutscher Gesetze

Straf- und Strafprozessrecht

  • Übersetzung der deutschen Strafprozessordnung (StPO) und Herausgabe dieser Übersetzung in Buchform mit einer fachlichen Einführung serbischer und deutscher Experten
  • Übersetzung des deutschen Strafgesetzbuchs (StGB)

Von der Europäischen Union finanzierte Projekte

EU-Twinning-Projekt: Improving capacities and capabilities within the prison system in the Republic of Serbia

Seit Mitte 2017 unterstützt die IRZ zusammen mit dem österreichischen Juniorpartner Agency for Economic Cooperation and Development (aed) Serbien im Rahmen des EU-Twinning-Projekts bei der Reform des Strafvollzugssystems. Als Teil der von der serbischen Regierung im Dezember 2013 verabschiedeten „Strategie für die Verbesserung des Strafvollzugs in der Republik Serbien bis 2020“ zielt das Projekt auf die Unterstützung in den drei folgenden Schlüsselbereichen: Beratung des Zentrums für Training und berufliche Ausbildung von Inhaftierten, Aus- und Fortbildung von Strafvollzugsbediensteten, Aus- und Weiterbildung von Insassinnen der Frauenhaftanstalt in Požarevac. Das Projektbüro ist im „Centre for Training and Vocational Education of the Administration for Enforcement of Penal Sanctions“ in Niš angesiedelt.

2018 konnten in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung für die Umsetzung von Strafmaßnahmen im serbischen Justizministerium zwei Schlüsselbereiche des Projekts, die sich mit der Beratung des Zentrums für Training und berufliche Ausbildung von Inhaftierten und der Aus- und Weiterbildung von Insassinnen der Frauenhaftanstalt von Požarevac auseinandersetzen, erfolgreich abgeschlossen werden. Unter anderem wurden notwendige Trainingsbedarfsanalysen und Programme entwickelt, Trainingsprogramme für Führungskräfte im serbischen Strafvollzug ausgearbeitet und ein Programm zur handwerklichen Ausbildung von 50 Insassinnen der Frauenhaftanstalt von Požarevac erfolgreich durchgeführt.

In Rahmen der Aus- und Fortbildung von Strafvollzugsbediensteten konnte im September 2018 überdies ein Studienbesuch einer hochrangigen Delegation der Vertreter des serbischen Justizvollzugs nach Bremen organisiert werden. Teil des Besuchsprogramms waren unter anderem Besuche der Justizvollzugsanstalten Bremen-Oslebshausen und Bremerhaven, der Hochschule für Öffentliche Verwaltung und der Sozialen Dienste der Justiz im Land Bremen. Im Rahmen des Aufenthalts der Delegation wurde ein Modellprojekt aus der Justizvollzugsanstalt Bremerhaven vorgestellt, bei dem die Sozialen Dienste der Justiz den Sozialdienst innerhalb des Vollzugs übernehmen und diesen mit der dortigen Bewährungshilfe personell und inhaltlich eng verknüpfen. In zahlreichen Fachgesprächen konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die fachlichen Standards und die praktische Arbeit im Bremer Justizvollzug und bei den Sozialen Diensten der Justiz informieren. Ferner wurde das Thema des Umgangs mit betäubungsmittelabhängigen Gefangenen und Entlassenen ausführlich debattiert. Das Projekt hat eine Laufzeit bis Ende März 2019.

EU-Technical-Assistance-Projekt: Policy and Legal Advice Centre (PLAC II)

Die IRZ unterstützte ab 2016 in einem vom spanischen Unternehmen Altair Asesores geführten Konsortium im Rahmen des IPA-Projekts „Policy and Legal Advice Centre“ (PLAC II) das Europäische Integrationsministerium der Republik Serbien sowie weitere serbische Institutionen bei der EUAnnäherung, insbesondere im Bereich der Gesetzgebung. Hauptbegünstigt war auf serbischer Seite das Ministerium für Europäische Integration der Republik Serbien. Daneben gab es kleinere Begünstigte, darunter z. B. das Ministerium für Naturschutz, das Finanzministerium, das Wirtschaftsministerium, das Justizministerium sowie die Nationalbank von Serbien

Im Zentrum des Projekts stand das bei den Beitrittsverhandlungen mit der EU eröffnete wichtige Kapitel 24 (Recht, Freiheit und Sicherheit). Jedoch wurden auch andere Kapitel eröffnet, so dass sich das Projekt z. B. auch mit artgerechter Tierhaltung, Treibhausgas-Emissionen oder Strahlenschutz auseinandersetzte. Das Projekt, das auf ein vorangegangenes PLAC-Projekt aufbaute, hatte ein Volumen von rund 2,6 Mio. Euro sowie eine Laufzeit von 30 Monaten. Es konnte im Dezember 2018 erfolgreich abgeschlossen werden.

Ausblick

Die IRZ setzt die Gesetzgebungsberatung, Seminarreihen und Fortbildungsveranstaltungen mit den oben genannten Partnerorganisationen insbesondere im Hinblick auf die Kapitel 23 und 24 der EU-Beitrittsverhandlungen und die Westbalkan-Strategie der EU fort. Hierbei ist geplant, die Gesetzgebungsberatung auf die geplante Reform der Zivilprozessordnung auszudehnen. Außerdem soll die Zusammenarbeit mit Institutionen und einzelnen nationalen Expertinnen und Experten, die sich der kontinentaleuropäischen Rechtstradition sowie der Erforschung des deutschen Rechts und seiner Rezeption widmen, fortgesetzt werden. Schließlich wird der juristische Nachwuchs weiterhin unterstützt.

Im Twinning-Bereich wird die IRZ das Projekt zum Strafvollzug zu Ende führen und ab Februar 2019 als Juniorpartner des Dänischen Patent- und Markenamts das Twinning-Projekt „Protection of Enforcement of Intellectual Property Rights“ durchführen und das serbische Ministerium für Handel, Tourismus und Kommunikation beim Schutz und der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums beraten.

Das auf PLAC II aufbauende Technical-Assistance-Projekt PLAC III wurde in der zweiten Jahreshälfte 2018 ausgeschrieben. Die IRZ hat sich wiederum im Konsortium mit Altair Asesores (Federführung) auf dieses Folgeprojekt beworben, eine Entscheidung wird zum Jahresende erwartet. Im Falle des Zuschlags könnte so die bisher sehr erfolgreiche Arbeit des Konsortiums in Serbien fortgesetzt werden.