Algerien - Jahresbericht 2018
- Details
- Veröffentlicht: Montag, 08. Juli 2019
Strategische Rahmenbedingungen
Rechtspolitische Ausgangslage
Im Gegensatz zu anderen arabischen Ländern der Region galten die Verhältnisse in Algerien lange Zeit als stabil. Seit 1999 war Abdelaziz Bouteflika Präsident des Landes. Im April 2019 musste er nach massiven Protesten der Bevölkerung sein Amt niederlegen. Damit wurde ein Transformationsprozess angestoßen, dessen weitere Ausgestaltung abzuwarten bleibt.
Von der Revolution im Nachbarland Tunesien im Jahr 2011 blieb Algerien weitestgehend unberührt. Dass die Proteste sich nicht ausweiteten, kann unter anderem auf die anhaltende kollektive Erinnerung an den blutigen Bürgerkrieg von 1991 bis 2002 zurückgeführt werden. Auch gewisse Zugeständnisse der Regierung trugen dazu bei. So beendete der Präsident den 19 Jahre andauernden Ausnahmezustand und kündigte eine Verfassungsreform an. Eine entsprechende Änderung der Verfassung trat daraufhin im März 2016 in Kraft. Weiterhin gilt es jedoch, entsprechende Zukunftsperspektiven unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft zu entwickeln.
Das algerische Rechtssystem orientiert sich im Wesentlichen am französischen Vorbild, in dem das Handeln der Exekutive nur in Ausnahmefällen geprüft wird. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist gut ausgebaut, der Rechtsweg wird jedoch nur selten in Anspruch genommen. Bereits im Jahr 2000 setzte Präsident Bouteflika eine Justizreformkommission ein, woraufhin auch beachtliche Umbesetzungen im Justizsystem erfolgt sind. Erforderlich sind nun weitere strukturelle Verbesserungen, unter anderem auch zur Festigung der Unabhängigkeit der Gerichte sowie der Richterinnen und Richter und zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung. Dies bildet auch eine Grundlage für eine Stärkung des Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger in die Justiz.
In den vergangenen Jahren wurden einige Teilbereiche des Straf- und Strafvollzugsrechts reformiert. Für einen Fortgang der Reformen und deren Implementierung besteht weiterhin Beratungsbedarf, insbesondere mit dem Ziel menschenrechtskonformer Haftbedingungen im Vollzug, bei der Resozialisierung und Betreuung von Inhaftierten sowie beim Ausbau der Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen. Hier gibt es bereits entsprechende Initiativen zur Entwicklung von Bildungs- und Ausbildungsprogrammen für Haftinsassen und deren psychologischer und sozialer Betreuung.
Die genannten Themen sind auch für Deutschland von großem Interesse. Die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Algerien unterstrich auch eine Reise der Bundeskanzlerin nach Algerien im September 2018.
Konzeption
Die Zusammenarbeit der IRZ mit algerischen Partnern stellt einen wichtigen Mehrwert für beide Seiten dar und soll langfristig unter anderem auch die Kooperation zwischen deutschen und algerischen Behörden erleichtern und beschleunigen.
Die IRZ führt gegenwärtig ein bilaterales, vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz unterstütztes und durch das Auswärtige Amt gefördertes Projekt im Bereich Strafvollzug und Resozialisierung durch.
Neben der Zusammenarbeit mit dem algerischen Justizministerium und der Strafvollzugsbehörde des Landes sowie den Bediensteten des Strafvollzugs sieht das Projekt eine verstärkte Einbindung externer (staatlicher und nichtstaatlicher) Akteure vor. So kann die Strafvollzugsbehörde noch weitere wertvolle Unterstützung durch andere staatliche und behördliche Akteure wie das Bildungs-, Arbeits- und Gesundheitsministerium, aber auch durch zivilgesellschaftliche Organisationen erhalten. Insbesondere im Bereich der Aus- und Weiterbildungsangebote mit dem Ziel einer erfolgreichen Resozialisierung von Inhaftierten ist dies von zentraler Bedeutung.
Die bereits begonnene Zusammenarbeit mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen in Algerien soll abhängig von der politischen Lage und Entwicklung erweitert und vertieft werden.
Tätigkeitsschwerpunkte 2018
Straf- und Strafvollzugsrecht
- Treffen der im Projekt gegründeten Reformkommission in Algier mit dem Ziel, die vier im Projekt vorgesehenen Arbeitsgruppen und deren Themenschwerpunkte und Aktivitäten festzulegen
- Zwei Workshops der beiden Arbeitsgruppen „Menschenrechtskonforme Behandlung von Inhaftierten bei der Aufnahme“ und „Individueller Vollzugsplan und Klassifizierung“ in Algier zur Arbeit an Handbüchern sowie an Empfehlungen für den algerischen Strafvollzug in Algier
- Studienreise einer Delegation nach Düsseldorf zum Thema menschenrechtskonforme Haftbedingungen und individueller Vollzugsplan und deren Rolle für die Resozialisierung am Beispiel der deutschen Praxis
- Zwei Workshops der beiden Arbeitsgruppen „Zusammenarbeit mit externen Akteuren“ und „Ausbildung des Strafvollzugspersonals“ zur Arbeit an einem Leitfaden für die Zusammenarbeit mit externen Akteuren und an Empfehlungen zur Modernisierung der Ausbildungscurricula für den algerischen Strafvollzug
Ausblick
Neben der Vertiefung der bereits etablierten Zusammenarbeit mit dem Justizministerium und der Strafvollzugsbehörde zielen die Maßnahmen der IRZ weiterhin auch auf die Ausweitung der Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zu menschenrechtlich relevanten Themen ab. Im Jahr 2019 wird das laufende Projekt zahlreiche weitere Aktivitäten vorsehen (Treffen der Reformkommission, Arbeitsgruppentreffen zur Fertigstellung der Leitfäden, Studienreise nach Deutschland) und soll dann mit einer Konferenz seinen Abschluss finden. Im Sinn eines nachhaltigen Engagements in den Bereichen Straf- und Strafvollzugsrecht sowie darüber hinaus im Bereich Zivilrecht und beim Thema Zugang zur Justiz sollte dem weiterhin bestehenden Beratungsbedarf in Algerien auch in Zukunft entsprochen werden.