Algerien – Jahresbericht 2020
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- Veröffentlicht: Mittwoch, 08. September 2021
Strategische Rahmenbedingungen
Rechtspolitische Ausgangslage
Nach massiven Protesten innerhalb der Bevölkerung, der sogenannten „Hirak“-Bewegung, sah sich der seit 20 Jahren regierende Präsident Abdelaziz Bouteflika im April 2019 zum Rücktritt gezwungen. Acht Monate später ging Abdelmadjid Tebboune, ehemaliges Mitglied der Regierungspartei Bouteflikas, als Sieger aus den Präsidentschaftswahlen hervor. Bis zum Ausbruch der COVID-19-Pandemie gab es weitere Demonstrationen mit der Forderung einer Reformierung des gesamten politischen Systems.
Im Februar 2020 wurde ein Aktionsplan der Regierung veröffentlicht, der grundlegende Reformen, beispielsweise im Justizwesen, vorsieht. Schwerpunkt hierbei ist unter anderem die Schaffung eines gleichberechtigten Zugangs zur Justiz für die gesamte Bevölkerung. Aufgrund der COVID19-Pandemie verhängte die algerische Regierung im März 2020 einen Ausnahmezustand mit einer Ausgangssperre und einem Versammlungsverbot. Die Proteste der „Hirak“-Bewegung flachten daraufhin größtenteils ab.
Die Verfassungsänderung, über die die Bevölkerung Algeriens Anfang November 2020 abstimmte, zählt zu den Reformen, die Präsident Tebboune bereits nach seiner Wahl angekündigt hatte. Im Vorfeld des Verfassungsreferendums rief die Protestbewegung „Hirak“ zum Boykott auf, was sich in einer geringen Wahlbeteiligung widerspiegelte. Die Mehrheit der teilnehmenden Wählerschaft stimmte für die Verfassungsänderung, die unter anderem eine Begrenzung der Amtszeit des Präsidenten oder zukünftiger Präsidentinnen sowie der Parlamentsabgeordneten auf zwei Wahlperioden vorsieht. Des Weiteren sollen durch die neue Verfassung weitere wirtschaftliche und soziale Rechte garantiert werden. Präsident Tebboune sieht die Reformen als Entgegenkommen in Bezug auf die Forderungen der Protestbewegung. Kritische Stimmen bezeichnen sie als nicht weitreichend genug.
Konzeption
Die Zusammenarbeit der IRZ mit den algerischen Partnern stellt einen wichtigen Mehrwert für beide Seiten dar und soll langfristig die Kooperation zwischen deutschen und algerischen Institutionen erleichtern und beschleunigen. Allerdings war Algerien im Berichtsjahr von der COVID19-Pandemie sehr stark durch monatelange Ausgangssperren betroffen. Das Land ist zudem wenig digitalisiert, weshalb trotz großer Kooperationsbereitschaft kaum Veranstaltungen durchgeführt werden konnten.
Schwerpunkte der Kooperation waren bisher grundsätzlich die Bereiche des Strafrechts, des Strafvollzugs sowie der Rechtspflege. Durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie ist auch in Algerien das Thema Digitalisierung stärker in den Vordergrund gerückt, sodass die IRZ eine Veranstaltung mit einem Erfahrungsaustausch zu den Themen E-Justiz und elektronischer Rechtsverkehr ermöglicht hat.
Tätigkeitsschwerpunkte 2020
Rechtspflege
- Teilnahme der algerischen Anwaltskammer an der Online-Regionalkonferenz „Elektronischer Rechtsverkehr – Digitalisierung der Justiz“ in Kooperation mit der Bundesrechtsanwaltskammer
- Unterstützung der Fachbibliothek des algerischen Justizministeriums
Ausblick
In der Hoffnung, dass sich die geschilderten Rahmenbedingungen 2021 verbessern, soll die Zusammenarbeit mit Algerien intensiviert werden. Sie wird sich, nach Möglichkeit auch auf elektronischem Weg, themenspezifisch flexibel an aktuellen Herausforderungen ausrichten. Die Veranstaltungen, die pandemiebedingt 2020 ausgefallen sind, sollen im Jahr 2021 nachgeholt werden. Darunter fallen unter anderem Maßnahmen zur Unterstützung der Reformen im Strafprozessrecht mit dem Ziel, Haftstrafen zu verkürzen und die Anwendung alternativer Strafen zu stärken. Zudem ist eine Zusammenarbeit in Strafsachen (internationale Rechtshilfeersuchen, Ermittlungs- und Vollstreckungshilfe), zum Thema Vermögensabschöpfung sowie im Bereich der Rechtspflege geplant. Darüber hinaus ist sowohl eine weitere Kooperation im Zivil- und Wirtschaftsrecht vorgesehen als auch zu den Themen Strafvollzug und Resozialisierung, um die Ergebnisse des in 2019 mit Mitteln des Auswärtigen Amts abgeschlossenen Projekts „Strafvollzugsreform in Algerien“ in diesem Bereich nachhaltig zu sichern.