Jordanien – Jahresbericht 2024

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Jordanien befindet sich in einem komplexen rechtspolitischen Umfeld, das von der Modernisierungspolitik geprägt ist, die König Abdullah II. initiiert hat. Diese Komplexität ergibt sich aus den Herausforderungen, die durch wirtschaftliche Schwierigkeiten sowie soziale und geopolitische Spannungen in der Region entstehen. Die Reformen zielen darauf ab, die parlamentarische Beteiligung zu stärken und die Repräsentation der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und politischen Spektren zu gewährleisten.

Im rechtspolitischen Bereich bleibt die Reformstrategie von 2022 bis 2026 für die Justiz weiterhin zentral. Ziel ist es, Gerichtsverfahren und Arbeitsprozesse effizienter zu gestalten, insbesondere durch die Beschleunigung von Verfahren und die Optimierung der Ressourcen in der Zivilgerichtsbarkeit. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Effizienzsteigerung im Handelsrecht, indem die Wirtschaftskammern der Gerichte ausgebaut und leistungsfähiger werden sollen. Ein zentrales Element der Reformen ist die bereichsübergreifende Digitalisierung der Justizprozesse, die nahezu alle Rechtsgebiete betrifft und weiterhin eine wirtschaftliche und rechtspolitische Herausforderung für das Land darstellt.

Insgesamt befindet sich Jordanien an einem Wendepunkt, an dem der politische Wille zur Reform mit den Herausforderungen eines instabilen Umfelds in Einklang gebracht werden muss. Die Entwicklungen im Land könnten nicht nur für die interne Dynamik, sondern auch für die regionalen Beziehungen von Bedeutung sein. Jordanien hat die Möglichkeit, als Vorreiter für politische Modernisierung in der Region zu fungieren, jedoch hängen die Erfolge von der Fähigkeit ab, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zu gewinnen und gleichzeitig auf die äußeren Herausforderungen adäquat zu reagieren.

Konzeption

Seit der Aufnahme der Projektarbeit in Jordanien im Jahr 2006 unterstützt die IRZ verschiedene Institutionen der jordanischen Justiz durch Fortbildungs-, Trainings- und Beratungsmaßnahmen.

Schwerpunkte im Rahmen der institutionellen Förderung in diesem Jahr waren vor allem das Zivil- und Wirtschaftsrecht sowie der Bereich der Rechtspflege. Themen des Wirtschaftsrechts liegen auch weiterhin im Mittelpunkt der Reformbestrebungen und -vorhaben der jordanischen Regierung. Die beratende Unterstützung in diesen Bereichen soll langfristig dazu beitragen, Verfahrensabläufe zu optimieren und die Kapazitäten in der jordanischen Justiz zu erhöhen. Hierbei setzte die IRZ die Kooperation mit langjährigen Partnern (Justizministerium, Justizrat und Justizakademie) und auch die seit 2023 bestehende Zusammenarbeit mit dem erst 2021 gegründeten jordanischen Investitionsministerium fort.

Der mehrtägige Arbeitsbesuch der Mitarbeitenden des jordanischen Justizministeriums im Dezember 2024 in Berlin zur Problematik der Cyberkriminalität knüpfte thematisch an die Maßnahmen im Straf- und Strafvollzugsrecht der vergangenen Jahre an und war besonders relevant im Hinblick auf das 2023 in Kraft getretene jordanische Gesetz zur Cyberkriminalität. Ziel ist es, durch einen nachhaltigen Austausch von Fachwissen und Best Practices einen langfristigen Beitrag zur Stärkung einer funktionsfähigen und rechtssicheren Strafjustiz in Jordanien zu leisten.

Tätigkeitsschwerpunkte 2024

Verfassungsrecht/Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Seminar mit dem jordanischen Verfassungsgericht zur Bedeutung des Vorrangs der Verfassung für die Rechtsstaatlichkeit mit besonderem Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Amman

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Richterfortbildung zu Fragen der Schiedsgerichtsbarkeit in Amman
  • Online-Mediationsfortbildung für Rechtspraktizierende als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Zivil- und Handelsrecht
  • Online-Erfahrungsaustausch zu Fragen der Reglementierung von Investmentfonds mit dem jordanischen Investitionsministerium
  • Online-Seminar zum internationalen Handelsrecht mit dem inhaltlichen Schwerpunkt „Richterliche Herangehensweisen bei Streitigkeiten um Dokumentenakkreditive und Garantien in Bauverträgen“

Rechtspflege

  • Online-Seminar zur Thematik „Faire Verfahren und Rechte von jugendlichen Straftätern in der Jugendgerichtsbarkeit“
  • Online-Erfahrungsaustausch mit der jordanischen Justizakademie zu effektiven Fortbildungsmaßnahmen, Erfolgsmodellen und bewährten Praktiken bei Aus- und Fortbildungen
  • Fortsetzung der „Training of Trainers“-Seminarreihe mit dem Schwerpunkt „Methodik und Didaktik für die richterliche Praxis“in Amman
  • Hybrider Workshop mit der jordanischen Justizakademie zum ­Digitalisierungsprozess im Amt des Notars
  • Erfahrungsaustausch zum Revisionsverfahren im Rahmen einer Studienreise nach Karlsruhe in Zusammenarbeit mit dem jordanischen Justizrat

Straf- und Strafvollzugsrecht

  • Mehrtätiger Arbeitsbesuch von Mitgliedern des jordanischen Justizministeriums in Deutschland zum Austausch über „Rechtliche Antworten auf Cyberkriminalität in der digitalen Welt“

Ausblick

Auch im kommenden Jahr wird die IRZ die Zusammenarbeit mit ihren jordanischen Partnerinstitutionen fortsetzen. Angesichts der diplomatischen und vermittelnden Rolle Jordaniens im Nahen Osten, die durch die dort eskalierenden Konflikte besonders wichtig ist, wird das Land weiterhin als Stabilitätsanker in der Region unterstützt.

Die Zusammenarbeit wird sich auch im nächsten Jahr auf das Zivil- und Wirtschaftsrecht sowie die Rechtspflege konzentrieren, um nachhaltige Wirkungen zu erzielen. Zudem sind verstärkt auch strafrechtliche Themenschwerpunkte vorgesehen.