Jordanien - Jahresbericht 2018

Studienreise von Richtern des jordanischen Verfassungsgerichts und des Kassationsgerichts nach Karlsruhe: Richterin des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Gabriele Britz (3.v.l.), Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D. Prof. Dr. Michael Eichberger (Mitte), Mansour Hadidi, stellvertretender Präsident des jordanischen Verfassungsgerichts (rechts daneben)
Studienreise von Richtern des jordanischen Verfassungsgerichts und des Kassationsgerichts nach Karlsruhe: Richterin des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Gabriele Britz (3.v.l.), Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D. Prof. Dr. Michael Eichberger (Mitte), Mansour Hadidi, stellvertretender Präsident des jordanischen Verfassungsgerichts (rechts daneben)

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Dem Haschemitischen Königreich Jordanien kommt in der Region des Nahen Ostens eine besondere Rolle zu. Als Garant für Stabilität und in der Rolle als Vermittler bei Konflikten genießt das jordanische Staatsoberhaupt König Abdullah II. nicht nur in der arabischen Welt großes Ansehen. Internationale Zustimmung erhielt das Königreich vor allem für seine Reaktion auf die Proteste 2011. Im Zuge dieser Ereignisse wurden einige Reformen auf den Weg gebracht sowie Verfassungsänderungen vorgenommen. So wurde unter anderem ein Verfassungsgericht etabliert, das 2012 seine Arbeit aufnahm.

Trotz der umfangreichen Modernisierungsbestrebungen steht das Königreich weiterhin vor enormen wirtschaftlichen Herausforderungen. Der Zustrom von Flüchtlingen, der Wegfall der traditionellen Absatzmärkte Syrien und Irak sowie der Druck seitens internationaler Geldgeber spitzen die ohnehin schwierige ökonomische Situation zu. So wurden im Frühjahr 2018 Subventionen für Grundnahrungsmittel abgebaut sowie ein Konzept für eine Einkommenssteuererhöhung beim Parlament vorgelegt, um den Haushalt zu entlasten. Die Pläne der Regierung führten im Mai 2018 zu den größten Protesten seit 2011 und hatten den Rücktritt des Premierministers Hani Al-Mulki zur Folge. Dessen Nachfolger, Omar Al-Razzaz, ist seit Juni 2018 im Amt und kündigte an, weitere Reformen, vor allem im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung, anzustoßen. Im Oktober 2018 kam es zu einer Umstrukturierung des Kabinetts, im Zuge derer Bassam Toulhani zum neuen Justizminister ernannt wurde. Dieser hatte das Amt bereits von 2013 bis 2016 inne.

Konzeption

Seit Aufnahme der Projektarbeit in Jordanien im Jahr 2006 unterstützt die IRZ verschiedene Institutionen der jordanischen Justiz durch Fortbildungs-, Trainings- und Beratungsmaßnahmen.

Ein wichtiger Partner ist das Verfassungsgericht. Dieses braucht auch mehr als sechs Jahre nach seiner Arbeitsaufnahme noch Unterstützung in Form eines Erfahrungsaustauschs, um die besondere Stellung des Gerichts im Justizwesen und seine Bedeutung für den Rechtsstaat gänzlich begreiflich zu machen. Dies betrifft besonders das Verhältnis des Verfassungsgerichts zum Kassationsgerichtshof sowie zur ordentlichen Gerichtsbarkeit im Allgemeinen. Seitens des Kassationsgerichts besteht ebenfalls Beratungsbedarf. Das Gericht ist zwar voll funktionsfähig und wird anerkannt, jedoch mangelt es an einer einheitlichen Rechtsprechung, was zu einer Beeinträchtigung der Rechtssicherheit führen könnte.

Im Bereich des Strafvollzugs leistet die IRZ auf mehreren Arbeitsgebieten Unterstützung. Vor allem auf dem Gebiet der Resozialisierung von Haftinsassen, beginnend mit der Erstellung von Vollzugsplänen über Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten während der Haft bis hin zu Eingliederungsmaßnahmen nach der Haftentlassung und der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft hat die IRZ beraten.

Mit der Generalstaatsanwaltschaft Amman finden im Rahmen der Projektarbeit Workshops und Expertengespräche statt, die nunmehr auch den strafrechtlichen Bereich in Jordanien stärker in den Fokus rücken. Hier besteht insbesondere im Bereich Bekämpfung der organisierten Kriminalität ein erhöhter Beratungsbedarf, vor allem zu Methoden und Strategien sowie zur Herstellung von Synergien zwischen den Akteuren und der Bildung eines breiten Netzwerks auf nationaler sowie internationaler Ebene.

Die Arbeit der IRZ wird neben den Zuwendungen des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz auch durch die Projektförderung des Auswärtigen Amts unterstützt. Hier hat die IRZ bereits im Zeitraum von 2014 bis 2016 ein Projekt zur Rechtsstaatsförderung in Jordanien im Rahmen der Transformationspartnerschaft für Nordafrika und den Nahen Osten umgesetzt. Das aktuelle Projekt zur Justizfortbildung als stabilisierendem Element der Rechtsstaatlichkeit in Jordanien, das Ende 2017 begann, wird bis 2019 fortgesetzt.

Tätigkeitsschwerpunkte 2018

Verfassungsrecht / Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Studienreise einer Delegation von Richtern des jordanischen Verfassungsgerichts und des jordanischen Kassationsgerichts zu den Themen: „Die Stellung des Verfassungsgerichts innerhalb der Gerichtsbarkeit“ und „Zusammenwirken der obersten Revisionsinstanz mit den unteren gerichtlichen Instanzen“ nach Karlsruhe und Straßburg

Rechtspflege

  • Kolloquium zum Thema „Training of Trainers: Soft Skills für die richterliche Praxis mit dem Schwerpunkt Tatsachenfeststellung vor Gericht“ in Amman

Straf- und Strafvollzugsrecht

  • Seminar zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität in Amman
  • Seminar zu den Themen „Vorbereitung der Resozialisierung: Klassifizierung der Häftlinge und Vollzugsplan“ sowie „Einbindung externer Akteure (staatlich und zivilgesellschaftlich) im Resozialisierungsprozess“ in Amman
  • Studienreise zum Thema „Klassifizierung, Vollzugsplan und Einbindung externer Akteure als Grundlage für eine erfolgreiche Resozialisierung von Haftentlassenen“ nach Berlin
  • Erfahrungsaustausch zur internationalen rechtlichen Zusammenarbeit und zu Rechtshilfeverfahren im Bereich des Strafrechts in Amman
  • Expertengespräche zur internationalen Rechtshilfe in Strafsachen auf der Grundlage internationaler und bilateraler Abkommen in Amman

Ausblick

Die Kooperation mit den jordanischen Partnern wird sowohl im Rahmen der institutionellen Zuwendung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz als auch mit den Mitteln des Auswärtigen Amts fortgesetzt. Insbesondere im Rahmen des vom Auswärtigen Amts geförderten Projekts im Rahmen der Transformationspartnerschaft sollen im ersten Quartal 2019 die Projektpartner Verfassungsgericht, Kassationsgericht sowie Justizakademie weiterhin intensiv unterstützt und beraten werden. Ein entsprechender Folgeantrag ist derzeit in Arbeit und soll zusätzlich vertiefende Maßnahmen mit der Strafvollzugsbehörde, Generalstaatsanwaltschaft sowie dem Justizministerium beinhalten. Schwerpunkte der Zusammenarbeit sollen die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, Korruptionsbekämpfung, Implementierung der internationalen Standards im Strafvollzugswesen sowie internationale Rechtshilfe in Strafsachen sein.