Jordanien - Jahresbericht 2017

Studienreise nach Berlin zum Thema „Berufliche Aus- und Weiterbildung von Haftinsassen im Vollzug“: u. a. Ahmed Al Kafaween, Direktor der jordanischen Strafvollzugsbehörde; Colonel Ahed Al Sharaydeh, Leiter der Fortbildungs- und Trainingsakademie für den jordanischen Strafvollzug; Anke Stein, Leiterin der JVA Moabit
Studienreise nach Berlin zum Thema „Berufliche Aus- und Weiterbildung von Haftinsassen im Vollzug“: u. a. Ahmed Al Kafaween, Direktor der jordanischen Strafvollzugsbehörde; Colonel Ahed Al Sharaydeh, Leiter der Fortbildungs- und Trainingsakademie für den jordanischen Strafvollzug; Anke Stein, Leiterin der JVA Moabit

Rechtspolitische Ausgangslage

Das Haschemitische Königreich Jordanien genießt in der Region Nahost nach wie vor eine relative politische und wirtschaftliche Stabilität und bringt sich engagiert und konstruktiv in Friedensinitiativen für die Region ein. Die Vermittlerrolle Jordaniens hat angesichts seiner Nachbarschaft zu Syrien, zum Irak und vor allem auch zu Israel und den palästinensischen Gebieten eine große Bedeutung, zumal ein großer Teil der Bevölkerung Jordaniens palästinensischer Herkunft ist. Jordanien genießt bei seinen Nachbarn ein hohes Ansehen und gilt als vertrauensvoller Mediator bei politischen Konflikten. Dies gilt sowohl in Bezug auf die arabisch-israelische Spannungssituation, als auch für Konflikte zwischen arabischen Ländern, wie sich jüngst in der Krise zwischen Katar und Saudi-Arabien gezeigt hat.

Das Land steht jedoch weiterhin vor immensen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen. Besonders belastend sind die Folgen der Kriegsereignisse in den Nachbarländern Syrien und Irak. Jordanien gilt als bevorzugter Fluchtpunkt für die vom Krieg bedrohten Menschen. Mittlerweile haben über eine Million Flüchtlinge in Jordanien Schutz gefunden. Hinzu kommt eine wachsende Terrorismusgefahr. Der soziale und wirtschaftliche Druck ist enorm. Letzteres wird durch die Unterbrechung der wirtschaftlichen Beziehungen zu Handelspartnern in der Region (z. B. Irak und Ägypten) noch verschärft. Vor diesem Hintergrund rückt in der jordanischen Öffentlichkeit das Sicherheitsdenken gegenüber der Gewährung von Freiheitsrechten immer deutlicher in den Vordergrund. Die Ergebnisse der im September 2016 durchgeführten Parlamentswahlen, die nach neuem Verhältniswahlrecht abgehalten und von internationalen Beobachtern mehrheitlich als transparent bezeichnet wurden, lassen trotz der geringen Wahlbeteiligung auf eine Fortsetzung des begonnenen Reformweges hoffen, um weiter an einer Stärkung rechtsstaatlicher Prinzipien arbeiten zu können. Rechtsstaatlichkeit ist dabei einer von mehreren Faktoren zur Eindämmung von Flucht- und Migrationsursachen in der gesamten Region und verdient daher auch aus diesem Grund besondere Aufmerksamkeit.

Konzeption

Seit Aufnahme der Projektarbeit in Jordanien 2006 unterstützt die IRZ verschiedene Institutionen der jordanischen Justiz durch Fortbildungs- und Trainingsmaßnahmen für Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwender. Außerdem fördert sie den gegenseitigen fachlichen Austausch durch Expertengespräche auf bilateraler und multilateraler Ebene. Mit dem jordanischen Verfassungsgericht, der Strafvollzugsbehörde und der Justizakademie unterhält die IRZ bereits eine bewährte und erfolgreiche langjährige Zusammenarbeit, die auch weiterhin fortgesetzt werden soll. Als neue Projektpartner konnte die IRZ im Berichtsjahr das jordanische Kassationsgericht wie auch die Generalstaatsanwaltschaft Amman gewinnen, die von nun an in die Kooperation mitaufgenommen werden.

Das Verfassungsgericht braucht auch mehr als vier Jahre nach seiner Arbeitsaufnahme noch Unterstützung in Form eines Erfahrungsaustauschs, um die besondere Stellung des Gerichts im Justizwesen und seine Bedeutung für den Rechtsstaat gänzlich begreifbar zu machen. Dies betrifft das Verhältnis des Verfassungsgerichts vor allem zum Kassationsgerichtshof und auch zur ordentlichen Gerichtsbarkeit allgemein. Die Rolle des Verfassungsgerichts im Justizsystem Jordaniens – insbesondere seine Abgrenzung gegenüber der ordentlichen Gerichtsbarkeit – ist weiterhin noch nicht gefestigt. Seitens des Kassationsgerichtshofs besteht ebenfalls Beratungsbedarf. Das Oberste Gericht ist zwar voll funktionsfähig und akzeptiert, jedoch mangelt es an einer einheitlichen Rechtsprechung, sodass in den meisten Fällen keine Rechtssicherheit besteht. Dies ist dadurch bedingt, dass die verschiedenen Kammern des Gerichts in gleichgelagerten Fällen zum Teil zu komplett gegensätzlichen Entscheidungen kommen, weil das Zusammenwirken der unteren gerichtlichen Instanzen mit dem Obersten Gericht nicht effizient verläuft.

Im Bereich des Strafvollzugs leistet die IRZ in mehreren Arbeitsgebieten Unterstützung. Diese erstreckt sich zum einen auf fachgerechte und spezialisierte Trainingsangebote für das Personal (z. B. psychologische Schulung für den täglichen Umgang und die Betreuung der Strafgefangenen). Zudem besteht Beratungsbedarf auf dem Gebiet der Resozialisierung von Häftlingen, beginnend mit der Erstellung von Vollzugsplänen über Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten während der Haft bis hin zu Eingliederungsmaßnahmen nach der Haftentlassung und Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft.

Mit der Generalstaatsanwaltschaft Amman sollen Workshops und Expertengespräche durchgeführt werden, um nunmehr auch den strafrechtlichen Bereich im Rahmen der Projektarbeit in Jordanien stärker in den Fokus zu rücken. Hier besteht insbesondere im Bereich Bekämpfung der organisierten Kriminalität ein erhöhter Beratungsbedarf, vor allem zu Methoden und Strategien sowie auch zur Herstellung von Synergien zwischen den Akteuren und der Bildung eines breiten Netzwerks auf nationaler wie internationaler Ebene.

Die Arbeit der IRZ wird neben den Zuwendungen des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz weiterhin auch durch die Projektförderung des Auswärtigen Amtes unterstützt. Bereits im Zeitraum 2014 bis 2016 hat die IRZ ein Projekt zur Rechtsstaatsförderung in Jordanien im Rahmen der Transformationspartnerschaft für Nordafrika und den Nahen Osten umgesetzt. Die dort begonnene Arbeit wird die IRZ im Zeitraum 2017 bis 2019 durch ein Folgeprojekt zum Thema der Justizfortbildung als stabilisierendem Element der Rechtsstaatlichkeit fortführen.

Tätigkeitsschwerpunkte 2017

Verfassungsrecht/Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Regionalkonferenz „Die Stellung des Verfassungsgerichts innerhalb der Gerichtsbarkeit“ in Amman (multilateraler Erfahrungsaustausch unter Beteiligung von Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts, des Verfassungsgerichts des Königreichs Marokko sowie Verfassungsrechtlerinnen und -rechtlern aus Tunesien)

Rechtspflege

  • „Train-the-Trainer“-Seminar „Methodik und Didaktik für Seminare im richterlichen Bereich“ in Amman

Straf- und Strafvollzugsrecht

  • Studienreise nach Berlin zum Thema „Organisation und Aufgaben der Generalstaatsanwaltschaften in Deutschland sowie internationale rechtliche Zusammenarbeit in Strafsachen“
  • Studienreise nach Berlin zum Thema „Berufliche Aus- und Weiterbildung für inhaftierte Personen im Vollzug“
  • Workshop zum Thema „Haftbedingungen nach internationalen Standards und berufliche Aus- und Weiterbildung von inhaftierten Personen im Vollzug“ in Amman

Ausblick

Die Zusammenarbeit mit den genannten Projektpartnern Verfassungsgericht, Justizakademie, Kassationsgericht, Strafvollzugsbehörde sowie Generalstaatsanwaltschaft Amman wird im kommenden Jahr im Rahmen des genannten Projekts zur Transformationspartnerschaft für Nordafrika und den Nahen Osten und auch im Bereich der institutionellen Zuwendung fortgesetzt werden. Dabei sollen sich die Trainings- und Fortbildungsmaßnahmen zur beruflichen Praxis nicht nur an die einzelnen Rechtspraktikerinnen und Rechtspraktiker wenden, sondern verstärkt vor allem die im jeweiligen Bereich tätigen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren („Train-the-Trainer“) mit einbeziehen.