Multilateral – Jahresbericht 2024
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- Veröffentlicht: Donnerstag, 04. September 2025
Konzeption
Die multilateralen Veranstaltungen der IRZ verfolgen das Ziel, Rechtsanwendende verschiedener juristischer Berufsfelder mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ländern in einen Austausch über Fach- und Reformthemen zu bringen. Hierdurch können die Beteiligten nicht nur ihre eigenen Kompetenzen und Kenntnisse erweitern, sondern auch neue Impulse für mögliche Reformbereiche in ihrem heimischen Rechtssystem oder der Anwendungspraxis des Rechtsrahmens erhalten.
Bei den Hospitationsprogrammen kommt in besonderem Maß der Einblick in die Rechts- und Justizpraxis in Deutschland hinzu, dabei fokussiert man sich auf den ausgewählten Schwerpunktbereich – in diesem Jahr war es das Zivil- und Handelsrecht. Die Hospitierenden können in diesen Programmen einen unmittelbaren Eindruck bekommen, wie Gerichtsverhandlungen konkret ablaufen, wie Prozessbeteiligte untereinander kommunizieren oder auch wie die Auseinandersetzung mit neueren Entwicklungen (beispielsweise Digitalisierung und Künstliche Intelligenz) in Deutschland erfolgt. Die Hospitationsprogramme werden teilweise in modifizierter Form in englischer Sprache angeboten, um auch Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwender ohne Deutschkenntnisse zu erreichen.
Ein langfristiges Ziel dieser Formate ist die Etablierung eines länderübergreifenden Netzwerks, sowohl innerhalb der jeweiligen Zielgruppen als auch über die Berufsgruppen hinaus. Im Rahmen des internen Monitorings wird vonseiten der deutschen Beteiligten oft als besonders wertvoll hervorgehoben, dass die gastgebenden Institutionen und Kanzleien in Deutschland über die Hospitierenden konkrete Ansprechpersonen in zahlreichen Ländern gewinnen. Auch für die bilaterale Projektarbeit der IRZ sind die so geknüpften Kontakte sehr wichtig und bieten die Möglichkeit für interessante Nachfolgeprojekte, auch mehrere Jahre später, die zum Teil von den ehemaligen Hospitierenden initiiert werden.
Traditionelle multilaterale Programme
Hospitationsprogramm für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
Im Jahr 2024 konnte das Hospitationsprogramm für die Rechtsanwaltschaft zum 30. Mal stattfinden. Insgesamt nahmen von 1993 bis 2024 ca. 530 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte an den Programmen teil.
Das diesjährige deutschsprachige Programm für zwölf Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus den Ländern Armenien, Bulgarien, Georgien, Litauen, Serbien, Slowakei und Ukraine fand im August und September statt und wurde wie gewohnt gemeinsam mit der Bundesrechtsanwaltskammer und dem Deutschen Anwaltverein durchgeführt.
Die Hospitierenden erhielten durch die Referentinnen und Referenten der Bundesrechtsanwaltskammer und des Deutschen Anwaltvereins sowie durch weitere Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte einen Einblick in das anwaltliche Berufsrecht, die anwaltliche Selbstverwaltung, das Vertrags- und Unternehmensrecht, das Beschwerdeverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und in die Auswirkungen der Urteile dieses Gerichtshofs auf die nationalen Rechtsordnungen.
An die Einführungswoche schloss sich für die Teilnehmenden eine dreiwöchige Hospitationsphase in einer Anwaltskanzlei an. Dort hatten sie Gelegenheit, die Arbeit der deutschen Rechtsanwaltschaft kennenzulernen. Nicht zuletzt aufgrund der mehrwöchigen Hospitationszeit wurden die Hospitierenden intensiv in die Arbeit der jeweiligen Kanzlei eingebunden, konnten sich vertieft in Verfahren einarbeiten, nahmen an Mandantengesprächen und Gerichtsverhandlungen teil und standen in regem fachlichem Austausch mit den deutschen Kolleginnen und Kollegen. Die betreuenden Kanzleien schätzten den Aufenthalt der Hospitantinnen und Hospitanten als gewinnbringend ein, in einigen Fällen ist eine zukünftige Zusammenarbeit beabsichtigt.
Hospitationsprogramm für Notarinnen und Notare in englischer Sprache
Gemeinsam mit der Bundesnotarkammer und mit Unterstützung des Verbands deutscher Pfandbriefbanken führte die IRZ im November 2024 die multilaterale praxisorientierte Fortbildung in englischer Sprache für insgesamt elf Notarinnen und Notare sowie Notarassessorinnen und Notarassessoren aus den IRZ-Partnerstaaten Armenien, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Kasachstan, Moldau, Ukraine und Usbekistan durch.
Im Rahmen eines einwöchigen Seminars standen die Rolle der Notarin und des Notars in der vorsorgenden Rechtspflege in Deutschland, der Zugang zum Amt sowie Fragen zur berufsständischen Vertretung auf nationaler und internationaler Ebene im Fokus. Ferner wurden Themen wie Immobilienrecht, Kreditsicherung durch Grundpfandrechte, Geldwäscheprävention, Familien- und Erbrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Internationales Privatrecht in der notariellen Praxis erörtert und die Vorteile und Herausforderungen der Digitalisierung des Notariats diskutiert. In Ergänzung zu den Vorträgen und Diskussionen besuchten die Teilnehmenden das Notariat Dr. Rabl und Dr. Gassen in Bonn, wo unter anderem Fragen der Büroorganisation thematisiert wurden.
Schwerpunkt „Fortbildungsprogramm Naher Osten“
Zur Unterstützung des juristischen Nachwuchses aus dem Nahen Osten konzipierte die IRZ im Jahr 2016 eine Seminarreihe speziell für arabischsprachige geflüchtete Juristinnen und Juristen, die seitdem jährlich durchgeführt wird. Ziel des Fortbildungsprogramms war es, zunächst die Teilnehmenden mit rechtsstaatsbezogenen Themen vertraut zu machen für den Fall einer Rückkehr in ihre Heimatländer, zunehmend rückten dann auch Aspekte der hiesigen gesellschaftlichen und beruflichen Integration in den Vordergrund. Dieses Programm fand in diesem Jahr letztmalig statt. Die im Folgenden aufgeführten Veranstaltungen waren Teil des Programms.
Online-Seminar zum Thema „Die Grundlagen und Prinzipien des humanitären Völkerrechts und die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs bei deren Durchsetzung“
Anknüpfend an das letztjährige Online-Seminar zum Thema „Menschenrechtsschutz“ legte die IRZ auf Wunsch der Teilnehmenden den Schwerpunkt des diesjährigen Online-Seminars auf die Grundlagen und Prinzipien des humanitären Völkerrechts. Die Referierenden behandelten die rechtlichen Rahmenbedingungen bei bewaffneten Konflikten sowie die Rolle des Internationalen Strafgerichtshofs bei der Durchsetzung des humanitären Völkerrechts. Ziel war es, den Teilnehmenden ein tieferes Verständnis des humanitären Völkerrechts zu vermitteln.
Online-Seminar „Rolle und Funktion der Gewaltenteilung und ihre Bedeutung für die Rechtsstaatlichkeit“
Ein weiteres Online-Seminar widmete sich der „Rolle und Funktion der Gewaltenteilung und ihrer Bedeutung für die Rechtsstaatlichkeit“. Im Fokus standen die Grundlagen und Prinzipien des Rechtsstaats, der Grundsatz der Gewaltenteilung sowie Mechanismen zur Kontrolle staatlicher Gewalt. Dabei wurden auch potenzielle Gefahren für den Rechtsstaat erörtert und die Bedeutung der Gewaltenteilung für die Sicherung der Rechtsstaatlichkeit hervorgehoben.
Zweitägige Lehrveranstaltung für Juristinnen und Juristen aus dem Nahen Osten in Berlin
Schließlich hieß die IRZ im Oktober 2024 zwölf Juristinnen und Juristen aus dem Nahen Osten in Berlin willkommen. Der Schwerpunkt der zweitägigen Präsenzveranstaltung lag auf migrations- und arbeitsrechtlich relevanten Themen, unter anderem wurden die rechtlichen Anforderungen an Arbeitsschutz und Gesundheit am Arbeitsplatz sowie das aktuelle Aufenthaltsgesetz behandelt.
Sonstige multilaterale Veranstaltungen
Förderung der Teilnahme von Wettbewerbsbehörden der Partnerstaaten an der Internationalen Kartellkonferenz in Berlin
In langjähriger Tradition förderte die IRZ auch im Berichtsjahr die Präsenzteilnahme von Vertreterinnen und Vertretern der Wettbewerbsbehörden aus den IRZ-Partnerstaaten an der im Zweijahresturnus stattfindenden und vom Bundeskartellamt ausgerichteten Internationalen Kartellkonferenz, die vom 28. Februar bis 1. März 2024 in Berlin stattfand. Den teilnehmenden Vertreterinnen und Vertretern der Wettbewerbsbehörden der IRZ-Partnerstaaten wird es so ermöglicht, sich mit Best Practices von anderen Kartellbehörden sowie mit aktuellen kartellrechtlichen Fragestellungen zu befassen.
Sommerfest
Zum gemeinsamen Sommerfest der IRZ mit dem Deutschen Richterbund, dem Deutschen Notarverein und dem Deutschen Juristinnenbund im Juni 2024 fanden sich Abgeordnete des Deutschen Bundestages, Vertreterinnen und Vertreter aus der Bundes- und den Landesregierungen sowie hochrangige Repräsentanten der Justiz, aus Wirtschaft und Verbänden im Hof des Deutschen Richterbundes ein, darunter die damalige Staatssekretärin im Bundesministerium der Justiz, Dr. Angelika Schlunck, und der damalige Präsident des Kuratoriums der IRZ, Benjamin Strasser, seinerzeit Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz. Dr. Marco Buschmann betonte in seiner Funktion als Bundesminister der Justiz die Bedeutung des Rechtsstaats in herausfordernden Zeiten und unterstrich die Rolle der Justiz als Hüterin des Rechts. Die IRZ-Hauptgeschäftsführerin, Alexandra Albrecht, ging insbesondere auf die EU-Beitrittsperspektive der Ukraine und der Republik Moldau ein und untermauerte das Engagement der IRZ in beiden Partnerstaaten auf dem komplexen Weg in die Europäische Union.