Multilateral - Jahresbericht 2016
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- Veröffentlicht: Donnerstag, 01. Juni 2017
Strategische Rahmenbedingungen
Konzeption
Neben der beratenden Tätigkeit in den Partnerstaaten arbeitet die IRZ seit 1993 im Rahmen von Symposien und Konferenzen sowie Hospitationsprogrammen auch auf multilateraler Ebene.
Die Symposien und Konferenzen bieten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus den Partnerstaaten ein Forum des Austauschs zu aktuellen und die Beteiligten gleichermaßen interessierenden Fragestellungen im Bereich der Rechts- und Justizreformen. In diesem Jahr standen folgende Themen im Fokus des Interesses: „Politik, Wirtschaft und Menschenrechte“, Verhältnis von Verfassungsgerichtsbarkeit und ordentlicher Gerichtsbarkeit, Unabhängigkeit der Justiz sowie Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Ziel dieser Konferenzen ist es, den internationalen Gedanken- und Erfahrungsaustausch sowie die Netzwerkbildung unter den teilnehmenden Staaten zu fördern.
Die IRZ-Hospitationsprogramme verfolgen ein vergleichbares Ziel. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten in deutschen Rechtsanwaltskanzleien, Notariaten, Gerichten und Staatsanwaltschaften einen Einblick in die Arbeitsweise ihrer deutschen Kolleginnen und Kollegen und können ihre Kenntnisse des deutschen und europäischen Rechts vertiefen. Zwischen den deutschen fachlichen Betreuerinnen und Betreuern und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern geknüpfte Kontakte werden vielfach auch nach Abschluss des Programms weiter gepflegt.
Für die ehemaligen Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Hospitationsprogramm für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gibt es seit 2008 eine Website zur Kontaktpflege (www.irz-netzwerk.eu) inklusive Datenbank, in der sich die am Programm beteiligten deutschen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Kanzleien ebenfalls registrieren können.
Tätigkeitsschwerpunkte 2016
Sechste IRZ-Sommerschule „Deutsches Recht“ in Brühl und Bonn
Die IRZ veranstaltete vom 3. bis 9. Juli 2016 zum sechsten Mal ihre Sommerschule „Deutsches Recht“ in Brühl und Bonn. Die Sommerschule war ursprünglich als Ergänzung zum deutschsprachigen Begleitstudium zur Einführung in das deutsche Recht an der westukrainischen Nationalen Iwan-Franko-Universität Lwiw (Lemberg) konzipiert worden. Inzwischen richtet sich die Sommerschule an zahlreiche Partnerstaaten der IRZ und erfreut sich alljährlich einer immer größeren Nachfrage
Unabdingbar für eine Teilnahme sind sehr gute Deutschkenntnisse
Im Berichtsjahr waren zehn IRZ-Partnerstaaten beteiligt: Armenien, Aserbaidschan, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Kosovo, Moldau, Serbien, Russland, Türkei und die Ukraine. Russland und die Türkei waren zum ersten Mal vertreten
Die Sommerschule umfasst Vorlesungen zum Zivilrecht, insbesondere Sachenrecht / Kreditsicherheiten, Gesellschaftsrecht, Insolvenzrecht, Schiedsgerichtsbarkeit, Europäisches Zivil- und Wirtschaftsrecht, Gerichtsverfassungsrecht, Richterrecht, Anwaltsrecht sowie Menschenrechte. Erstmalig wurde auch eine Vorlesung und Übung zur Methodenlehre ins Programm aufgenommen.
Außerdem gab es im Rahmen der Sommerschule wieder einen Besuch von Verhandlungen einer Zivil- und Strafkammer beim Landgericht und Amtsgericht Bonn sowie Gespräche an der Universität Bonn, bei denen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über Studienmöglichkeiten für ausländische Studierende und Postgraduierte erkundigen konnten.
OSZE-Veranstaltung „Implementierungstreffen in der menschlichen Dimension“ in Warschau – Side-Event „Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit der Justiz“
Vom 19. bis 30. September 2016 fand das Implementierungstreffen in der menschlichen Dimension („Human Dimension Implementation Meeting“) unter der diesjährigen deutschen OSZE-Präsidentschaft in Warschau statt. Zentrale Anliegen des deutschen Vorsitzes im Jahr 2016 waren Medien- und Meinungsfreiheit, Stärkung der Zivilgesellschaft und Toleranz als Grundlage des gesellschaftlichen Miteinanders, Rechtstaatlichkeit und Einhaltung von Menschenrechten im OSZE-Raum. Die IRZ beteiligte sich in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz an der Organisation und Durchführung eines Side-Events im Rahmen der Veranstaltung „Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit der Justiz“, das am 23. September 2016 stattfand. Während der anderthalb stündigen Podiumsdiskussion stellten hochrangige Justizvertreter aus den Partnerländern der IRZ unter anderem die Arbeit der IRZ im Kontext der Rechts- und Justizreformen in den jeweiligen Ländern vor. Im Einzelnen nahmen an der Diskussion Referenten aus Deutschland, der Ukraine, Moldau, Bosnien und Herzegowina, Albanien, Georgien und Kasachstan teil.
Die Veranstaltung bot eine gute Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch und vermittelte den Zuhörerinnen und Zuhörern der Veranstaltung Einblick in die Justizsysteme der vorgestellten Länder.
XVIII. Internationale Verfassungsrechtskonferenz in Regensburg
In Zusammenarbeit mit der Universität Regensburg und der Graduiertenschule für Ost- und Südosteuropastudien organisierte die IRZ am 14. und 15. Oktober 2016 in Regensburg den Internationalen Kongress für europäisches und vergleichendes Verfassungsrecht mit dem diesjährigen Thema „Verfassungsgerichtsbarkeit und Politik“. An diesem Kongress, der sich über die letzten Jahre als wichtiges Forum für einen länderübergreifenden und praxisorientierten Erfahrungsaustausch für Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter etabliert hat, nahmen rund 50 Vertreterinnen und Vertreter der Verfassungsgerichte und anderer Gerichte aus über zwanzig Staaten teil.
Fünfte Internationale Konferenz der Parlamentarischen Rechtsausschüsse zum Thema „Politik, Wirtschaft und Menschenrechte“ in Berlin
Am 24. und 25. Oktober 2016 richtete die IRZ gemeinsam mit dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestags und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundestag die Fünfte Internationale Parlamentarierkonferenz aus. Dazu begrüßten die Veranstalter 30 Gäste aus sieben Staaten der MENA-Region (Algerien, Irak, Iran, Jordanien, Libanon, Marokko, Tunesien) sowie Vertreter der Wirtschaft und von Nichtregierungsorganisationen. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen Fragen zur Gewährleistung und Einhaltung menschenrechtlicher Bestimmungen durch Politik und Wirtschaft, wobei auch die Zivilgesellschaft und Nichtregierungsorganisationen eine wichtige Rolle spielten. Ausgehend von den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte wurden die jeweiligen nationalen Bemühungen zur Umsetzung dieser Grundsätze vorgestellt und diskutiert.
Die beteiligten Parlamentarier waren sich einig, dass der durch die Konferenz ermöglichte Gedankenaustausch lohnenswert sei und idealerweise eine Vernetzung der Parlamente angestrebt werden sollte, um auch auf internationaler Ebene den Bemühungen um einen verbesserten Menschenrechtsschutz zur Wirksamkeit zu verhelfen.
Tagung nationaler Richterverbände zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung in Chişinău
Am 3. und 4. November 2016 richtete der moldauische Richterverband zum wiederholten Male gemeinsam mit der IRZ die jährliche Tagung der sogenannten „Memorandumgruppe“ aus, die vor einigen Jahren innerhalb der Internationalen Richtervereinigung (IAJ) gegründet worden war. In der „Memorandumgruppe“ hat sich eine Gruppe von Richterverbänden vornehmlich postsowjetischer Mitgliedstaaten zusammengeschlossen, die sich nach Möglichkeit im jährlichen Turnus treffen, um die für diese Länder spezifischen rechts- und berufspolitischen Themen gemeinsam zu erörtern.
Die IRZ fördert diesen fachlichen Austausch seit Beginn, zumal viele der hier behandelten Themen entweder auf nationaler Ebene der einzelnen Mitglieder von der IRZ bereits beratend begleitet wurden oder nach den jährlichen Treffen auf bilateraler Ebene aufgegriffen werden. Auf diese Weise können vielfältige Synergien genutzt werden. Diese Konferenzen bieten vor allem Gelegenheit, unterschiedliche Lösungsansätze vor einem vergleichbaren rechtshistorischen und rechtskulturellen Hintergrund und bei ähnlichen politischen Rahmenbedingungen rechtsvergleichend zu erörtern und so bestmögliche Reformansätze in die jeweilige Reformdiskussion einbringen zu können.
So standen und stehen gerade Fragen der richterlichen Unabhängigkeit, des Disziplinarrechts und des Beurteilungswesens ebenso wie z.B. Fragen des Rechtsmittelrechts oder der Beschleunigungsmöglichkeiten von Verfahren auch zur Entlastung der Justiz im Fokus. Dem Deutschen Richterbund (DRB) kommt in der genannten „Memorandumgruppe“ ein Status als Berater zu. Hierdurch können die deutsche Expertise und die deutschen Erfahrungen unmittelbar eingebracht werden.
Die diesjährige Tagung im Obersten Gericht in Chişinău widmete sich der Gewährleistung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Von besonderem Interesse waren für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Republik Moldau, der Ukraine, aus Armenien, Georgien und Kasachstan auch angesichts häufiger und oftmals wenig strukturierter Gesetzesänderungen vor allem das Spannungsverhältnis zwischen dem Interesse an einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung und der Unabhängigkeit der Justiz. Erörtert wurde auch, ob die von den Obersten Gerichten außerhalb des normalen Instanzenzuges erlassenen „beratenden Stellungnahmen“ oder „Empfehlungen“ für die Instanzgerichte verbindlich sind. Die Themen dieser Tagung wird die IRZ mit dem ukrainischen Richterverband im kommenden Jahr bilateral vertiefen. Die nächste Tagung der „Memorandumgruppe“ wird sich voraussichtlich mit Fragen des Beurteilungswesens befassen.
Hospitationen
- Dreiwöchiges Hospitationsprogramm für Notarinnen und Notare in Zusammenarbeit mit der Bundesnotarkammer
- Sechswöchiges Hospitationsprogramm für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im Bereich Zivil- und Handelsrecht in Kooperation mit der Bundesrechtsanwaltskammer und dem Deutschen Anwaltverein
- Dreiwöchiges Hospitationsprogramm für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte gemeinsam mit dem Deutschen Richterbund und den Landesjustizverwaltungen
- Zweiwöchiges Hospitationsprogramm für englischsprachige Zivilrichterinnen und Zivilrichter sowie Handelsrichterinnen und Handelsrichter gemeinsam mit dem Deutschen Richterbund und den Landesjustizverwaltungen
Um die Partnerländer der IRZ künftig noch stärker in die Hospitationsprogramme einbinden zu können, bot die IRZ 2016 erstmals ein Pilotprojekt in englischer Sprache an, an dem 14 Richterinnen und Richter aus folgenden 10 Ländern teilnahmen: Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Jordanien, Kasachstan, Kosovo, Mazedonien, Nepal und Tunesien.
Trotz Sprachbarriere war der Hospitationsaufenthalt für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine sehr wertvolle fachliche Erfahrung. Sie haben den Austausch mit ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen, aber auch untereinander, als sehr bereichernd empfunden.
Ausblick
Die IRZ beabsichtigt, die inzwischen zu einer festen Institution gewordenen Hospitationsprogramme für Angehörige von Justiz und Rechtspflege auch weiterhin anzubieten. Dies gilt gleichermaßen für das Programm in englischer Sprache.
Aufgrund der großen Resonanz soll die IRZ-Sommerschule, die sich vornehmlich an Studierende der Rechtswissenschaft sowie an Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger in juristischen Berufen richtet, ebenfalls in den kommenden Jahren ihre Fortsetzung finden.
Ferner wird die IRZ 2017 multilaterale Konferenzen und Symposien zu ausgewählten Themenstellungen ausrichten.
Laden Sie hier den gesamten Jahresbericht der IRZ im PDF-Format herunter: Jahresbericht 2016.