Multilateral - Jahresbericht 2019

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der neunten „IRZ-Sommerschule Deutsches Recht“ auf der Treppe des alten Rathauses in Bonn
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der neunten „IRZ-Sommerschule Deutsches Recht“ auf der Treppe des alten Rathauses in Bonn

Multilaterale Programme

Konzeption

Auch 2019 führte die IRZ wieder eine Reihe von multilateralen Veranstaltungen und insbesondere Hospitationsprogrammen durch. Ziel dieser Programme ist es, Juristinnen und Juristen aus verschiedenen Partnerstaaten und aus Deutschland eine Austauschplattform zu bieten, um über aktuelle Rechtsreformen zu diskutieren, sich über Herangehensweisen an neue Rechtsgebiete oder ganz allgemein über Herausforderungen im juristischen Berufsalltag auszutauschen. Als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sind die Beteiligten dann in der Lage, die Lösungsansätze und Strategien aus anderen Ländern in ihren Heimatsystemen vorzustellen und so mittels Best Practice Reformprozesse zu fördern. Die Formate dienen daneben der langfristigen Vernetzung von Angehörigen der Justiz oder der freien juristischen Berufe (Anwaltschaft, Notariat) aus dem Ausland.

Besonders erfolgreich sind die Hospitationsprogramme der IRZ, in deren Rahmen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer meist für mehrere Wochen Einblick in den Arbeitsalltag in deutschen Anwaltskanzleien, Gerichten, Staatsanwaltschaften oder Notariaten verschaffen können.

Neben den traditionellen deutschen Programmen bietet die IRZ seit 2016 auch einige Programme auf Englisch an, um eine größere Zielgruppe zu erreichen. Diese Aufenthalte werden in ihren Abläufen so angepasst, dass den besonderen Herausforderungen durch die Sprachmittlung Rechnung getragen wird, die Teilnehmenden aber dennoch einen möglichst praxisnahen Einblick erhalten. So fand 2019 erneut ein englischsprachiges Programm für Zivil- und Handelsrichterinnen und -richter statt.

Für die juristische Zielgruppe in den Ländern des Maghreb begann 2019 ein in zwei Schritten geplantes Programm in französischer Sprache. Im ersten Schritt im September 2019 nahmen Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Notarinnen und Notare aus den Ländern Algerien, Marokko und Tunesien an einem einwöchigen Einführungsseminar im tunesischen Hammamet teil. Die Einführung vermittelte die Grundzüge des deutschen Rechtssystems sowie wichtige berufsspezifische Aspekte für die drei Berufsgruppen. Im zweiten Schritt wird eine Praxisphase im ersten Halbjahr 2020 in Deutschland folgen.

Angesichts der gleichbleibend positiven Resonanz der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf diese neuen Formate plant die IRZ, diese weiterhin, teilweise im Wechsel mit den deutschsprachigen Programmen, anzubieten.

Tätigkeitsschwerpunkte 2019

Konferenz der Memorandumgruppe mehrerer nationaler Richterassoziationen in Bonn

In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Richterbund organisierte die IRZ am 3. und 4. Dezember 2019 in Bonn eine internationale Konferenz der sogenannten Memorandumgruppe mehrerer nationaler Richterassoziationen zum Thema „Internationale Zusammenarbeit in zivil- und strafrechtlichen Angelegenheiten“. An dieser Tagung, die sich als Plattform zum Austausch von Erfahrungen zwischen Richterinnen und Richtern etabliert hat, nahmen dreizehn Vertreterinnen und Vertreter der Richterassoziationen von Armenien, Estland, Georgien, Kasachstan, Moldau, Polen, Ukraine und Usbekistan teil. Von deutscher Seite wirkte – wie bereits bei früheren Konferenzen dieser Art – der Deutsche Richterbund mit, der durch dessen Vorsitzenden Jens Gnisa vertreten war. Fachlich wurde die Konferenz durch zahlreiche deutsche Expertinnen und Experten unterstützt.

Die IRZ fördert seit 2011 diesen fachlichen Austausch zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Justiz aus ihren Partnerstaaten. Ziel ist es, dass sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stärker regional vernetzen und Erfahrungen über ähnlich gelagerte Probleme oder über aktuelle Rechtsreformen austauschen.

Die diesjährige Konferenz widmete sich den Themen Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen, Auslieferungsverkehr mit dem Ausland einschließlich des europäischen Haftbefehls und Auslandsermittlungen bei Computer- und Internetkriminalität. Im Rahmen dieser Tagung beleuchteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz mit den deutschen Expertinnen und Experten umfassend wichtige Aspekte der internationalen Zusammenarbeit in zivil- und strafrechtlichen Angelegenheiten und die diesbezüglichen Probleme, aber auch Lösungsansätze. Die IRZ erreichte auch bei der diesjährigen Veranstaltung ihr Ziel, den Dialog zwischen den oben genannten Ländern zu fördern.

Neunte „IRZ-Sommerschule Deutsches Recht“

Die inzwischen neunte „IRZ-Sommerschule Deutsches Recht“ fand vom 7. bis 13. Juli 2019 in Bonn statt. Es nahmen 34 Studierende aus zehn IRZ-Partnerstaaten daran teil: Armenien (3), Belarus (3), Georgien (3), Kasachstan (2), Kosovo (3), Marokko (1), Russland (3), Serbien (6), Tunesien (1) und Ukraine (9). Die Sommerschule war 2011 ursprünglich als Ergänzung zum deutschsprachigen Begleitstudium zur Einführung in das deutsche Recht an der Nationalen Ivan-Franko-Universität Lwiw (Westukraine) konzipiert worden. Daher stellt die Ukraine nach wie vor die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Auch nach neun Jahren erfreut sich dieses Format einer ungebrochen großen Nachfrage. Unabdingbar für eine Teilnahme sind sehr gute Deutschkenntnisse.

Die diesjährige Sommerschule umfasste wie im Vorjahr Vorlesungen zu folgenden Rechtsgebieten:

  • Grundrechtsschutz durch das Bundesverfassungsgericht, die Europäische Menschenrechtskonvention und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
  • Zivilrecht: Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht
  • Europäisches Zivil- und Wirtschaftsrecht
  • Schiedsgerichtsbarkeit
  • Straf- und Strafprozessrecht
  • Anwaltsrecht
  • Methodenlehre

Teil der Sommerschule waren auch 2019 Besuche von Verhandlungen einer Zivil- und einer Strafkammer beim Landgericht Bonn sowie Gespräche an der Universität Bonn, bei denen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über Studienmöglichkeiten für ausländische Studierende und Postgraduierte erkundigen konnten. Die IRZ-Sommerschule wird auch aufgrund der positiven Resonanz in den kommenden Jahren fortgesetzt, um weiterhin den juristischen Nachwuchs in den IRZ-Partnerstaaten zu erreichen und zu fördern.

Viertes Seminar für arabischsprachige Juristinnen und Juristen

Bereits zum vierten Mal in Folge organisierte die IRZ am 16. und 17. Dezember 2019 das Seminar „Einführung in das deutsche Recht“ für arabischsprachige Juristinnen und Juristen sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus Syrien und aus dem Irak. Ziel dieser Veranstaltung ist es, den Teilnehmenden Kenntnisse des deutschen Gerichtsaufbaus sowie des deutschen Straf- und Zivilrechts zu vermitteln. Dabei wurde der Fokus auf anschauliche Fallbeispiele gelegt, die sowohl die deutsche Rechtspraxis und das Zusammenspiel verschiedener gerichtlicher Instanzen veranschaulichen als auch einen Bezug zu Alltagserfahrungen der Geflüchteten aufweisen und gemeinsam diskutiert wurden. Dies führte nicht nur zu einem regen Austausch und vielen interessierten Nachfragen, sondern fördert auch die Integration der Geflüchteten in die deutsche Gesellschaft und das Verständnis für rechtliche Zusammenhänge. Nicht selten konnten die teilnehmenden Juristinnen und Juristen Parallelen zwischen dem deutschen und dem syrischen oder irakischen Rechtssystem entdecken.

Das Seminar wurde von den erfahrenen Richtern Uwe Stark, Richter am Amtsgericht Siegen, und Dr. Arnd Weishaupt, Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf, geleitet.

Obwohl die Möglichkeiten für geflüchtete Juristinnen und Juristen, in Deutschland beruflich Fuß zu fassen, beschränkt sind, bietet das Seminar ihnen die Möglichkeit, ihr im Heimatland erworbenes Wissen zu vertiefen und Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede zwischen den Rechtssystemen herauszuarbeiten.

Hospitationen

In Kooperationen mit und unterstützt durch die jeweiligen Berufskammern und Berufsverbände sowie die Landesjustizverwaltungen fanden 2019 folgende Programme statt:

  • Zweiwöchiges Hospitationsprogramm für Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter in Zusammenarbeit mit dem Bund Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen
  • Sechswöchiges Hospitationsprogramm für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im Bereich Zivil- und Handelsrecht in Kooperation mit der Bundesrechtsanwaltskammer und dem Deutschen Anwaltverein
  • Zweiwöchiges Hospitationsprogramm für Notarinnen und Notare in Zusammenarbeit mit der Bundesnotarkammer
  • Zweiwöchiges Hospitationsprogram für englischsprachige Zivil- und Handelsrichterinnen und -richter gemeinsam mit dem Deutschen Richterbund und den Landesjustizverwaltungen
  • Dreiwöchiges Hospitationsprogramm für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Kooperation mit dem Deutschen Richterbund und den Landesjustizverwaltungen
  • Einwöchige Einführungsveranstaltung in Tunesien für Vertreterinnen und Vertreter der Justiz und des Notariats aus den Maghreb-Staaten in Vorbereitung für die Hospitation 2020