Verfassungsrechtsprechung auf dem Prüfstand
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- Veröffentlicht: Mittwoch, 04. Juni 2025
Wie lassen sich Verfassungsnormen sicher und systematisch auslegen? Welche Methoden kommen dabei zur Anwendung? Und welche Rolle spielt der gesellschaftliche Wandel für die Rechtsprechung?
Diese Fragen standen im Zentrum einer Fachtagung am 14. Mai 2025 in Amman, bei der Richterinnen und Richter des jordanischen Verfassungsgerichts gemeinsam mit Prof. Dr. Michael Eichberger, Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D., zentrale Aspekte der Verfassungsinterpretation und Urteilsfindung beleuchteten.
Das Gericht selbst ist noch jung – es wurde 2012 als Teil der Verfassungsreform eingerichtet, um erstmals eine unabhängige verfassungsgerichtliche Kontrolle zu ermöglichen. Seitdem berät die IRZ das jordanische Verfassungsgericht zu diversen verfassungsrechtlichen Themen – stets im offenen und vertrauensvollen Austausch.
Die Fachvorträge konzentrierten sich auf methodische Grundlagen der Verfassungsinterpretation – darunter teleologische, systematische und historische Auslegungsansätze – sowie auf deren konkreten Anwendung in der Rechtsprechung.
Ein zweiter Schwerpunkt lag auf der Praxis der Urteilsfindung: Wie entwickelt sich aus einem konkreten Fall eine verfassungsgerichtliche Entscheidung? Welchen Einfluss haben Präzedenzfälle? Und wie lassen sich gesellschaftliche Entwicklungen in den Entscheidungsprozess einbinden? Lebhaft diskutiert wurden hier der Einfluss eines sich wandelnden Familienbildes auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zum Tragen von Kopftüchern.
Besonders erfreulich war die aktive Rolle des Präsidenten des jordanischen Verfassungsgerichts, Richter Mohammad Al Ghazo, der die Diskussion mit fundierten Beiträgen bereicherte. Die Atmosphäre war offen und kollegial – eine gute Grundlage für den fachlichen Austausch.
Während das Thema der Verfassungsinterpretation umfassend behandelt wurde, sieht die IRZ bei der Praxis der Urteilsfindung weiteres Potenzial für vertiefende Veranstaltungen, insbesondere zu unterschiedlichen Formen verfassungsgerichtlicher Entscheidungen – etwa zur Nichtigkeit, zur Wirkung ex nunc oder ex tunc oder zu gesetzgeberischen Fristen.