Bosnien und Herzegowina - Jahresbericht 2016

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Regionalkonferenz der Verfassungsgerichte in Bosnien und Herzegowina
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Regionalkonferenz der Verfassungsgerichte in Bosnien und Herzegowina

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Wegen der spezifischen Situation des Landes setzt die IRZ seit dem Jahr 2000 einen ihrer Schwerpunkte in Bosnien und Herzegowina. Weil das Land, dessen Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU am 1. Juni 2015 in Kraft trat, kriegsbedingt verspätet mit der Transformation des Rechtssystems begonnen hat, ist die Umsetzung rechtsstaatlicher Standards dort besonders dringlich. Da sich das bosnisch-herzegowinische Recht traditionell am kontinentaleuropäischen orientiert, ist eine Beratung von deutscher Seite besonders sinnvoll und nachhaltig. Schwierigkeiten bei der Projektarbeit ergeben sich in Bosnien und Herzegowina aufgrund des ausgeprägten föderalen Systems, dessen Entitäten nur eingeschränkt miteinander kooperieren, was auch eine Rechtszersplitterung zur Folge hat. Außerdem verursachen innenpolitische Konflikte einen Reformstillstand.

Aufgrund dieser Situation setzt die IRZ in Bosnien und Herzegowina derzeit insbesondere bei der Aus- und Weiterbildung von Juristinnen und Juristen an. Neben der Zusammenarbeit mit praktizierenden Juristen, insbesondere Richterinnen und Richtern aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Verfassungsgerichtsbarkeit, steht die Nachwuchsförderung im Vordergrund. Dadurch soll ein weiterer „Brain drain“ verhindert werden. Außerdem kommt den jungen Juristinnen und Juristen eine besondere Bedeutung zu, weil von ihnen zukünftig wichtige Impulse für den Reformprozess ausgehen können. Viele von ihnen haben zudem als Kriegsflüchtlinge in Deutschland gelebt, sprechen deutsch auf muttersprachlichem Niveau und fühlen sich aufgrund ihrer Auslandserfahrung westeuropäischen rechtlichen Standards verpflichtet.

Konzeption

Die IRZ legt ihren Schwerpunkt in Bosnien und Herzegowina seit Jahren auf den Bereich Rechtsstaat und Justiz. Sie unterstützt die Aus- und Weiterbildung im Bereich des Zivil- und Wirtschaftsrechts an den juristischen Fakultäten und den beiden Richter- und Staatsanwalts-Edukationszentren.

In den letzten Jahren kamen darüber hinaus Aktivitäten im Bereich der Erforschung und Rezeption des deutschen Rechts hinzu, die jeweils an Eigeninitiativen von Projektpartnern im Land anknüpfen. Schließlich hat die IRZ in den letzten Jahren eine Reihe juristischer Publikationen in der Landessprache herausgegeben, die sich auch an Juristinnen und Juristen in anderen Ländern der Region richten. Nicht zuletzt bleibt das Thema Menschenrechte im Post-Konfliktgebiet Bosnien und Herzegowina weiterhin auf der Agenda der IRZ.

Zu den Partnern im Land gehören insbesondere das Verfassungsgericht des Gesamtstaates, die Fortbildungszentren für Richter und Staatsanwälte beider Entitäten und die juristischen Fakultäten der Universitäten Mostar, Sarajevo und Zenica sowie die Rechtsberatungsorganisation „Vaša Prava“. Im Rahmen ihrer Aktivitäten schafft die IRZ bewusst auch Möglichkeiten einer Begegnung für die Angehörigen der verschiedenen Volksgruppen, um so den in letzter Zeit wieder verstärkt spürbaren ethnischen Spannungen entgegenzuwirken.

Tätigkeitsschwerpunkte 2016

Verfassungsrecht / Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Regionale Verfassungsgerichtskonferenz „Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und deren Einfluss auf die nationalen Verfassungsgerichte“ in Sarajevo
  • Beteiligung des Präsidenten des Verfassungsgerichts von Bosnien und Herzegowina und eines weiteren Richters an der zusammen mit dem montenegrinischen Verfassungsgericht veranstalteten Konferenz zum Thema „Verfassungsgerichtliche Überprüfung von Wahlen“ in Budva, Montenegro
  • Beteiligung von Richterinnen und Richtern des Verfassungsgerichts von Bosnien und Herzegowina an der in Zusammenarbeit mit dem serbischen Verfassungsgericht veranstalteten Konferenz zum Thema „Verfassungsgerichtlich geschützte Eigentumsrechte“ in Fruška Gora, Serbien
  • Publikation der Sammlung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts von Bosnien und Herzegowina des Jahres 2015
  • Gemeinsam mit der Juristischen Fakultät der Djemal-Bjedic-Universität ausgerichtete regionale Konferenz zum Thema „Erwachsenenrecht-Betreuungsrecht, Schutz vor vorschnellem Entzug der Geschäftsfähigkeiten u.a.“ in Mostar

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Seminare im Ausbildungsprogramm des Justiztrainingszentrums der Föderation Bosnien und Herzegowina in Sarajevo zu den Themen:
    • Auslegung und Anwendung des neuen Sachenrechtsgesetzes
    • Einfluss des Europarechts auf das nationale Recht
    • Konkurs und Liquidation
  • Seminare im Ausbildungsprogramm des Justiztrainingszentrums der Republika Srpska in Banja Luka zu den Themen:
    • Anwendung des internationalen Rechts in Wirtschaftsrechtsstreitig-keiten / Schwerpunkt: UN-Kaufrecht
    • Arzthaftungsrecht
    • Arbeitsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Mobbingverbots
  • Druck einer Übersetzung des Gesetzes betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG)
  • Ausarbeitung des Einführungsbandes zum Gesetz betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung – GmbHG in Sarajevo
  • Konferenz „Verbot der Diskriminierung im Arbeitsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Benachteiligungsverbots“ zusammen mit der Nichtregierungsorganisation „Vasa prava“ in Sarajevo
  • Regionaler runder Tisch zum Versicherungsrecht an der Juristischen Fakultät der Universität Zenica

Rechtspflege

  • Fortsetzung der Herausgabe der NPR
  • Veranstaltung „Einfluss der deutschen Rechtstradition“ zusammen mit der Universität Mostar und SEALL (South East European Association of Law and related Libraries)
  • Gastvorlesungen zum Thema „Aufarbeitung der juristischen Vergangenheit in Deutschland“ an den juristischen Fakultäten der Universitäten Sarajevo und Zenica

Aus- und Fortbildung

  • Fortführung des deutschrechtlichen Ergänzungsstudiums an der Juristischen Fakultät der Universität Sarajevo durch regelmäßige Vorlesungen in deutscher Sprache durch örtliche Dozentinnen und Dozenten sowie Blockverlesungen deutscher Referentinnen und Referenten
  • Weiterer Ausbau der unterstützenden deutschsprachigen juristischen Bibliothek und Verabschiedung der ersten Generation erfolgreicher Absolventinnen und Absolventen
  • Rechtsterminologie-Kurs „Deutsch für Juristen“ an der Juristischen Fakultät der Universität Sarajevo
  • ELSA (European Law Students’ Association) EX-YU Konferenz „Juristische Herausforderungen im Kampf gegen den Terrorismus“ in Sarajevo
  • Teilnahme bosnisch-herzegowinischer Juristinnen und Juristen sowie Studierender an der IRZ-Sommerschule „Deutsches Recht“ in Brühl und Bonn

Ausblick

Die IRZ wird 2017 ihre Projektarbeit in Bosnien und Herzegowina in enger Abstimmung mit ihren Partnern fortsetzen und vertiefen. Im Zentrum werden dabei wie bisher die Menschenrechte und die Förderung des juristischen Nachwuchses sowie die regionale Kooperation stehen.

Laden Sie hier den gesamten Jahresbericht der IRZ im PDF-Format herunter: Jahresbericht 2016.