Bosnien und Herzegowina - Jahresbericht 2017

Gruppenfoto des Blockseminars „Einführung in das deutsche Recht“ in Zenica
Gruppenfoto des Blockseminars „Einführung in das deutsche Recht“ in Zenica

Rechtspolitische Ausgangslage

Bosnien und Herzegowina, dessen Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU am 1. Juni 2015 in Kraft trat und das im Jahr 2016 einen Antrag auf Beitritt zur EU gestellt hat, hat kriegsbedingt verspätet mit der Transformation des Rechtssystems begonnen. Deshalb ist die Umsetzung rechtsstaatlicher Standards dort ausgesprochen dringlich. Da sich das bosnisch-herzegowinische Recht traditionell am kontinentaleuropäischen orientiert, ist eine Beratung von deutscher Seite besonders sinnvoll und nachhaltig. Schwierigkeiten bei der Projektarbeit ergeben sich in Bosnien und Herzegowina aufgrund des ausgeprägten föderalen Systems, dessen Entitäten nur eingeschränkt miteinander kooperieren, was auch eine Rechtszersplitterung zur Folge hat. Außerdem verursachen innenpolitische Konflikte einen Reformstillstand. Aufgrund dieser Situation setzt die IRZ in Bosnien und Herzegowina derzeit insbesondere bei der Aus- und Weiterbildung von Juristinnen und Juristen an.

Konzeption

Die IRZ unterstützt die Aus- und Weiterbildung im Bereich des Zivil- und Wirtschaftsrechts an juristischen Fakultäten und den beiden Richter- und Staatsanwalts-Edukationszentren. Weiter ist man im Bereich des Verfassungsrechts tätig. Schließlich hat die IRZ in den letzten Jahren eine Reihe juristischer Publikationen in der Landessprache herausgegeben, die sich auch an Leser in anderen Ländern der Region richten. Zu den Partnern im Land gehören insbesondere das Verfassungsgericht des Gesamtstaates, die Edukationszentren für Richter- und Staatsanwälte beider Entitäten und die juristischen Fakultäten der Universitäten Mostar, Sarajevo und Zenica sowie die Legal Aid Organisation Vaša Prava. Im Rahmen ihrer Aktivitäten schafft die IRZ bewusst auch Möglichkeiten einer Begegnung für Angehörige verschiedener Volksgruppen, um so ethnischen Spannungen entgegenzuwirken.

Tätigkeitsschwerpunkte 2017

Verfassungsrecht/Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Regionale Verfassungskonferenz „Theorie und Praxis der Unabhängigkeit von Verfassungsgerichten“ in Jahorina
  • Publikation der Referate der vorstehenden Konferenz in einem gesonderten, von der IRZ und dem Verfassungsgericht gemeinsam herausgegebenen Tagungsband
  • Beteiligung des Präsidenten des Verfassungsgerichts von Bosnien und Herzegowina und eines weiteren Richters an der zusammen mit dem montenegrinischen Verfassungsgericht veranstalteten Regionalkonferenz zum Thema „Gleichbehandlungsgrundsatz in der verfassungsgerichtlichen Praxis“ in Budva, Montenegro
  • Beteiligung von Richterinnen und Richtern des Verfassungsgerichts von Bosnien und Herzegowina an der in Zusammenarbeit mit dem serbischen Verfassungsgericht veranstalteten Regionalkonferenz zum Thema „Verfassungsgerichtlicher Schutz im Strafrecht“ in Zlatibor, Serbien
  • Publikation der Sammlung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts von Bosnien und Herzegowina des Jahres 2016

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Ausrichtung der regionalen Konferenz zum Thema „Der praktische Einfluss des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auf das nationale Familienrecht“ zusammen mit der Juristischen Fakultät der Džemal Bijedić-Universität in Mostar
  • Seminare im Ausbildungsprogramm des Justiztrainingszentrums der Föderation Bosnien und Herzegowina in Sarajevso zu den Themen:
    • „Factoring“,
    • „Train-the-Trainer im Europarecht“ und
    • „Einfluss des Europarechts auf das nationale Recht“
  • Seminar im Ausbildungsprogramm des Justiztrainingszentrums der Republika Srpska in Banja Luka zum Thema „Einfluss des Europarechts auf das nationale Recht“
  • Ausarbeitung des Einführungsbandes zum Gesetz betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), Sarajevo

Öffentliches Recht

  • Konferenz „Asylrecht und der europäische Einfluss auf die nationale Gesetzgebung“ zusammen mit der Legal Aid Organisation Vaša Prava in Sarajevo

Rechtspflege

  • Fortsetzung der Herausgabe der Zeitschrift „Nova pravna revija časopis za domaće, njemačko i evropsko pravo“, kurz NPR (Neue Juristische Umschau – Zeitschrift für regionales, deutsches und europäisches Recht)
  • Erstellung einer eigenen Homepage der vorgenannten Zeitschrift (http://nova-pravna-revija.info) mit umfangreichem Downloadbereich
  • Veröffentlichung einer mit einer kommentierenden Einleitung versehenen Übersetzung des deutschen Rechtspflegergesetzes im Rahmen der IRZ-Buchreihe mit übersetzten und kommentierten deutschen Gesetzestexten
  • Beteiligung eines Wissenschaftlers aus Bosnien und Herzegowina am gemeinsam mit der Südosteuropa-Gesellschaft veranstalteten interdisziplinären Symposium „Rechtstransformation in Südosteuropa am Beispiel des ehemaligen Jugoslawiens
  • Vorbedingung, Akteure und Misserfolge“ in Berlin
  • Beteiligung eines Rechtswissenschaftlers aus Bosnien und Herzegowina an dem in Zusammenarbeit mit dem Institut für Ostrecht München in München, Nürnberg und Regensburg durchgeführten regionalen Workshop „Methoden der Vergangenheitsbewältigung“

Aus- und Fortbildung

  • Fortführung des deutschrechtlichen Ergänzungsstudiums an der Juristischen Fakultät der Universität Sarajevo mit regelmäßigen Vorlesungen in deutscher Sprache durch örtliche Dozentinnen und Dozenten sowie Blockvorlesungen deutscher Referentinnen und Referenten
  • Weiterer Ausbau der unterstützenden, deutschsprachigen juristischen Bibliothek und Verabschiedung der ersten Generation erfolgreicher Absolventinnen und Absolventen dieses deutschrechtlichen Ergänzungsstudiums
  • Seminar „Einführung in die Methodenlehre der rechtswissenschaftlichen Arbeit“ unter regionaler Beteiligung in Zenica
  • Regionales Blockseminar „Einführung in das deutsche Recht“ an der Juristischen Fakultät Zenica
  • Rechtsterminologie-Kurs „Deutsch für Juristen“ an der Juristischen Fakultät der Universität Sarajevo

Ausblick

Die IRZ wird 2018 ihre Projektarbeit in Bosnien und Herzegowina in enger Abstimmung mit ihren Partnern fortsetzen und vertiefen. Im Zentrum werden dabei die Fortführung der Zusammenarbeit mit dem Verfassungsgericht des Staates und den beiden Edukationszentren für die Richter und Staatsanwälte stehen.