Bosnien und Herzegowina - Jahresbericht 2014

Länderbericht Bosnien 2014

Staatssekretär a.D. Lutz Diwell begrüßt eine Delegation in den Räumen des Deutschen Richterbundes

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Wegen der spezifischen Situation des Landes setzt die IRZ seit 20 00 einen ihrer Schwerpunkte in Bosnien und Herzegowina. Weil das Land kriegsbedingt verspätet mit der Transformation des Rechtssystems begonnen hat, ist die schnelle Umsetzung rechtsstaatlicher Standards dort besonders dringlich. Da sich das bosnisch-herzegowinische Recht traditionell am kontinental-europäischen orientiert, ist gleichzeitig eine Beratung von deutscher Seite sinnvoll und besonders nachhaltig.

Schwierigkeiten bei der Projektarbeit ergeben sich in Bosnien und Herzegowina aufgrund des ausgeprägten föderalen Systems, dessen Entitäten nur eingeschränkt miteinander kooperieren. Die daraus folgende Rechtszersplitterung
erschwert unter anderem die Schaffung der Voraussetzungen für das 2008 unterzeichnete, aber bislang noch nicht ratifizierte Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU. Ursache hierfür ist die immer noch ausstehende Implementierung des Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) im Fall Sejdic/Finci aus dem Jahr 2009, das die Beseitigung von Diskriminierungen beim passiven Wahlrecht fordert.

Zur Überwindung des Reformstillstandes wurde 2014 die deutschbritische Initiative für eine Wiederbelebung des Reformprozesses und eine Neugestaltung des Annäherungsprozesses an die Europäische Union gestartet, bei der die Rechtstaatlichkeit eine herausragende Rolle einnimmt.

Die IRZ will einen weiteren Brain drain verhindern und misst deshalb den jungen Juristinnen und Juristen eine besondere Bedeutung zu, weil von ihnen zukünftig wichtige Impulse für den Reformprozess ausgehen können. Viele von ihnen haben als Kriegsflüchtlinge in Deutschland gelebt, sprechen Deutsch auf muttersprachlichem Niveau und fühlen sich aufgrund ihrer Auslandserfahrung westeuropäischen rechtlichen Standards verpflichtet.

Konzeption

Die IRZ legt ihren Schwerpunkt in Bosnien und Herzegowina seit Jahren auf den Bereich Rechtsstaat und Justiz. Sie unterstützt die Aus- und Weiterbildung im Bereich des Zivil- und Wirtschaftsrechts an den juristischen Fakultäten und den beiden Richter- und Staatsanwalts-Edukationszentren. In den letzten Jahren kamen darüber hinaus Aktivitäten im Bereich der Erforschung und Rezeption des deutschen Rechts hinzu, die jeweils an Eigeninitiativen von Projektpartnern im Land anknüpfen. Schließlich hat die IRZ in den letzten Jahren eine Reihe juristischer Publikationen in der Landessprache herausgegeben, die sich auch an Juristinnen und Juristen in anderen Ländern der Region richten. Nicht zuletzt bleibt das Thema Menschenrechte im Post-Konflikt-Gebiet Bosnien und Herzegowina weiterhin auf der Agenda der IRZ. Zu den Partnern im Lande gehören insbesondere die Fortbildungszentren für Richter und Staatsanwälte beider Entitäten, die Deutsch-bosnisch-herzegowinische Juristenvereinigung (DBHJV), die juristischen Fakultäten der Universitäten Mostar, Pale, Sarajevo und Zenica sowie die Rechtsberatungsorganisation „Vaša Prava“. Außerdem arbeitet die IRZ bei geeigneten Projekten mit anderen deutschen Institutionen und Organisationen wie der GIZ und dem Goethe-Institut zusammen.

Tätigkeitsschwerpunkte 2014

Verfassungsrecht / Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Beteiligung der Präsidentin des Verfassungsgerichts an der in Zusammenarbeit mit dem serbischen Verfassungsgericht veranstalteten Konferenz zum Thema „Grundrechts- und Menschenrechtsfragen im Zusammenhang mit  freiheitsentziehenden Maßnahmen und Folterverbot“
  • Seminar zum europäischen Antidiskriminierungsrecht in Zusammenarbeit mit dem Justizedukationszentrum der Föderation Bosnien und Herzegowina

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Konferenz zum neuen Sachenrecht der Föderation Bosnien und Herzegowina in Zusammenarbeit mit der Juristischen Fakultät Sarajevo und dem österreichischen Kulturbüro
  • Veranstaltung zum Insolvenzrecht in Zusammenarbeit dem Justizedukationszentrum der Republika Srpksa

Rechtspflege

  • Teilnahme eines Staatsanwalts an der multilateralen Hospitation der IRZ
  • 6. Tag des deutschen Rechts in Bosnien und Herzegowina zum Thema „Europäisches Verbraucherschutzrecht“ in Zenica in Zusammenarbeit mit der Juristischen Fakultät Zenica und der Deutsch-bosnisch-herzegowinischen Juristenvereinigung (DBHJV)
  • Arbeitskreis zu Rechtstaatsfragen der deutschen Botschaft in Zusammenarbeit mit der GIZ
  • Publikation zweier Ausgaben der seit 2010 zusammen mit der DBHJV und der serbischen Gesellschaft für die Erforschung des deutschen Rechts und seiner Rezeption herausgegebenen Rechtszeitschrift „Nova Pravna Revija“
  • Im Auftrag von USAID durchgeführter Arbeitsbesuch von Multiplikatoren in Berlin zum Justizaufbau in einem föderalen System
  • Runder Tisch zum Thema: „Umsetzung des EU-Rechts in das nationale Recht“ in Sarajevo in Zusammenarbeit mit der juristischen Fakultät Sarajevo und dem Goethe Institut
  • Seminar „Einfluss des Europarechts auf das nationale Recht insbesondere im Verbraucherschutz- und Arbeitsrecht“ in Zusammenarbeit mit dem Justiztrainingszentrum der Republika Srpska

Aus- und Fortbildung

  • Begleitstudium im deutschen Recht an der Juristischen Fakultät Sarajevo mit regelmäßigen Vorlesungen in deutscher Sprache, dazu ergänzend:
    • Kurs in deutscher Rechtsterminologie
    • Weiterer Ausbau der „IRZ-Bibliothek des deutschen Rechts“ an der Juristischen Fakultät in Sarajevo
    • Teilnahme von Studierenden an der Sommerschule zum „Deutschen Recht“ in Brühl und Bonn
    • Gemeinsam mit dem BMJV organisierter Studienbesuch in Berlin

Ausblick

Die IRZ wird 2015 ihre Projektarbeit in Bosnien und Herzegowina in enger Abstimmung mit ihren Partnern fortsetzen und vertiefen. Im Zentrum werden dabei wie bisher die Menschenrechte und die Förderung des juristischen Nachwuchses sowie die regionale Kooperation stehen.