Bosnien und Herzegowina - Jahresbericht 2015

Länderbericht BIH 2015
Ergänzungsstudium deutsches Recht: Absolventin Mia Softić Vinšalek bei ihrem Vortrag

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Wegen der spezifischen Situation des Landes setzt die IRZ seit dem Jahr 2000 einen ihrer Schwerpunkte in Bosnien und Herzegowina. Weil das Land kriegsbedingt verspätet mit der Transformation des Rechtssystems begonnen hat, ist die schnelle Umsetzung rechtsstaatlicher Standards dort besonders dringlich. Da sich das bosnisch-herzegowinische Recht traditionell am kontinentaleuropäischen orientiert, ist eine Beratung von deutscher Seite besonders sinnvoll und nachhaltig.

Schwierigkeiten bei der Projektarbeit ergeben sich in Bosnien und Herzegowina aufgrund des ausgeprägten föderalen Systems, dessen Entitäten nur eingeschränkt miteinander kooperieren, was auch eine Rechtszersplitterung zur Folge hat. Trotz dieser und anderer hemmender Faktoren erfolgte mit dem Inkrafttreten des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens mit der EU am 1. Juni 2015 ein weiterer wesentlicher Schritt der EU-Annäherung. Außerdem wurde zur Überwindung des Reformstillstandes 2014 die deutsch-britische Initiative für eine Wiederbelebung des Reformprozesses und eine Neugestaltung des Annäherungsprozesses an die Europäische Union gestartet, bei der die Rechtstaatlichkeit eine herausragende Rolle einnimmt.

Aufgrund des „Reformstaus" setzt die IRZ in Bosnien und Herzegowina derzeit insbesondere bei der Aus- und Weiterbildung von Juristinnen und Juristen an. Neben der Zusammenarbeit mit praktizierenden Juristen, insbesondere Richterinnen und Richtern aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Verfassungsgerichtsbarkeit, steht die Nachwuchsförderung im Vordergrund. Dadurch soll ein weiterer Brain drain verhindert werden. Außerdem kommt den jungen Juristinnen und Juristen eine besondere Bedeutung zu, weil von ihnen zukünftig wichtige Impulse für den Reformprozess ausgehen können. Viele von ihnen haben zudem als Kriegsflüchtlinge in Deutschland gelebt, sprechen deutsch auf muttersprachlichem Niveau und fühlen sich aufgrund ihrer Auslandserfahrung westeuropäischen rechtlichen Standards verpflichtet.

Konzeption

Die IRZ legt ihren Schwerpunkt in Bosnien und Herzegowina seit Jahren auf den Bereich Rechtsstaat und Justiz. Sie unterstützt die Aus- und Weiterbildung im Bereich des Zivil- und Wirtschaftsrechts an den juristischen Fakultäten und den beiden Richter- und Staatsanwalts-Edukationszentren. In den letzten Jahren kamen darüber hinaus Aktivitäten im Bereich der Erforschung und Rezeption des deutschen Rechts hinzu, die jeweils an Eigeninitiativen von Projektpartnern im Land anknüpfen. Schließlich hat die IRZ in den letzten Jahren eine Reihe juristischer Publikationen in der Landessprache herausgegeben, die sich auch an Juristinnen und Juristen in anderen Ländern der Region richten. Nicht zuletzt bleibt das Thema Menschenrechte im Post-Konflikt-Gebiet Bosnien und Herzegowina weiterhin auf der Agenda der IRZ. Zu den Partnern im Land gehören insbesondere die Fortbildungszentren für Richter und Staatsanwälte beider Entitäten, die Deutsch-bosnisch-herzegowinische Juristenvereinigung (DBHJV), die juristischen Fakultäten der Universitäten Mostar, Sarajevo und Zenica sowie die Rechtsberatungsorganisation „Vaša Prava". Außerdem arbeitet die IRZ bei geeigneten Projekten mit anderen deutschen Institutionen und Organisationen wie der GIZ und dem Goethe-Institut zusammen.

Tätigkeitsschwerpunkte 2015

Verfassungsrecht / Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Beteiligung des Präsidenten des Verfassungsgerichts von Bosnien und Herzegowina und eines weiteren Richters an der zusammen mit dem montenegrinischen Verfassungsgericht veranstalteten Konferenz zum Thema Meinungsfreiheit in Bečići, Montenegro
  • Beteiligung von Richterinnen und Richtern des Verfassungsgerichts von Bosnien und Herzegowina an der in Zusammenarbeit mit dem serbischen Verfassungsgericht veranstalteten Konferenz zum Thema "Verfassungsgerichtsbarkeit und Medien" in Kladovo, Serbien
  • Beteiligung des Präsidenten und eines weiteren Richters des Verfassungsgerichts von Bosnien und Herzegowina an der von der IRZ mitveranstalteten internationalen Verfassungsrechtskonferenz in Regensburg
  • Publikation der Sammlung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts von Bosnien und Herzegowina der Jahre 2013 und 2014 sowie eines Bandes mit Rechtsvorschriften zum Verfahren vor diesem Gericht und vor dem EGMR
  • Teilnahme des Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Volkshauses von Bosnien und Herzegowina an der IV. Internationalen Konferenz der parlamentarischen Rechtsausschüsse in Berlin
  • Zusammen mit der juristischen Fakultät der Djemal-Bjedic-Universität ausgerichtete Konferenz zum Thema "Rechtliche Möglichkeiten zur Verringerung der Kinderarmut" in Mostar

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Seminare im Ausbildungsprogramm des Justiztrainingszentrums der Föderation Bosnien und Herzegowina in Sarajevo zu den Themen:
  • Rechtsfragen des neuen Sachenrechtsgesetzes
  • EU-Recht im Rechtssystem von Bosnien und Herzegowina unter besonderer Berücksichtigung des Versicherungsrechts
  • UN-Kaufrecht
  • Seminar im Ausbildungsprogramm der Justiztrainingszentren der Republika Srpska zum Arzthaftungsrecht in Banja Luka
  • Übersetzung des Gesetzes betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) mit erläuterndem Vorwort
  • Regionaler runder Tisch zum Versicherungsrecht an der juristischen Fakultät Zenica und Bereitstellung unterstützender Fachliteratur

Rechtspflege

  • Erstellung des Fünfjahresbandes (2010-2014) der „Nova Pravna Revija - Rechtszeitschrift für regionales, deutsches und europäisches Recht" (NPR) mit zusätzlich Registern und deutschen Übersetzungen
  • Fortsetzung der Herausgabe der NPR, einschließlich einer Sonderveröffentlichung zum Immobilienrecht in Bosnien und Herzegowina
  • Vorstellung der NPR beim Jahrestreffen der Vereinigung der juristischen und artverwandten Bibliotheken Südosteuropas in Ljubljana, Slowenien
  • Vortrag zu den versicherungsrechtlichen Aktivitäten der IRZ bei der Westbalkan-Konferenz des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)
  • Gastvorlesungen zum Thema „Die Diskriminierung der Juden im Nationalsozialismus mit dem Mittel des Zivilrechts" an den juristischen Fakultäten Sarajevo und Zenica
  • Vortrag zur internationalen Rechtsberatung anlässlich der Jahresreise der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesverfassungsgerichts nach Bosnien und Herzegowina
  • Seminar „Justiz und Medien" am Justiztrainingszentrum der Föderation Bosnien und Herzegowina

Aus- und Fortbildung

  • Fortführung des deutschrechtlichen Ergänzungsstudiums an der juristischen Fakultät Sarajevo durch regelmäßige Vorlesungen in deutscher Sprache durch örtliche Dozentinnen und Dozenten sowie Blockverlesungen deutscher Referentinnen und Referenten
  • Weiterer Ausbau der deutschsprachigen juristischen Bibliothek und Verabschiedung der ersten Generation erfolgreicher Absolventen
  • Rechtsterminologie-Kurs "Deutsch für Juristen" an der juristischen Fakultät Sarajevo
  • Teilnahme bosnisch-herzegowinischer Juristinnen und Juristen sowie Studierenden an der IRZ-Sommerschule "Deutsches Recht" in Brühl und Bonn
  • Blockveranstaltung "Einführung in das deutsche Recht für Germanisten als Vorbereitung auf eine zukünftige Übersetzer- und Dolmetschertätigkeit" an der germanistischen Fakultät in Sarajevo

Ausblick

Die IRZ wird 2016 ihre Projektarbeit in Bosnien und Herzegowina in enger Abstimmung mit ihren Partnern fortsetzen und vertiefen. Im Zentrum werden dabei wie bisher die Menschenrechte und die Förderung des juristischen Nachwuchses sowie die regionale Kooperation stehen.