Bosnien und Herzegowina – Jahresbericht 2020

Strategische Rahmenbedingungen 

Rechtspolitische Ausgangslage 

Bosnien und Herzegowina, dessen Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU am 1. Juni 2015 in Kraft trat und das im Jahr darauf den Antrag auf Beitritt zur EU stellte, hat kriegsbedingt verspätet mit der Transformation des Rechtssystems begonnen. Umso dringlicher ist die Umsetzung rechtsstaatlicher Standards. Schwierigkeiten bei der Projektarbeit ergeben sich in Bosnien und Herzegowina aufgrund des ausgeprägten föderalen Systems, da beide Entitäten nur eingeschränkt miteinander kooperieren, was der Rechtszersplitterung Vorschub leistet. Außerdem verursachen innenpolitische Konflikte nach wie vor einen Reformstillstand. Im Jahr 2020 mussten darüber hinaus aufgrund der COVID-19-Pandemie die Kommunalwahlen verschoben werden.

Konzeption

Aufgrund der geschilderten Situation konzentriert sich die IRZ in Bosnien und Herzegowina insbesondere auf die Aus- und Weiterbildung von Juristinnen und Juristen. Dabei unterstützt die IRZ Veranstaltungen zum Zivil- und Wirtschaftsrecht an den Edukationszentren für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (CEST) der Entitäten Föderation Bosnien und Herzegowina in Sarajevo und Republika Srpska in Banja Luka und an den juristischen Fakultäten der Universitäten Sarajevo, Mostar und Zenica.

Auf dem Gebiet der Menschenrechte arbeitet die IRZ zudem eng mit dem Verfassungsgericht des Gesamtstaats Bosnien und Herzegowina und mit der Rechtshilfeorganisation Vaša Prava zusammen. Im Rahmen ihrer Aktivitäten lädt die IRZ Angehörige verschiedener Volksgruppen zu ihren Maßnahmen ein, um damit auch ethnischen Spannungen entgegenzuwirken.

Tätigkeitsschwerpunkte 2020

Verfassungsrecht, Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Virtuelle, regionale Verfassungsgerichtskonferenz „Sondervoten bei verfassungsrechtlichen Entscheidungen“ zusammen mit dem Verfassungsgericht des Dachstaats Bosnien und Herzegowina
  • Distribution übersetzter Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu verfassungsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie und anderen verfassungsrechtlichen Themen

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Regionale Konferenz zum Thema „Familienrecht im Zeitalter der Globalisierung“ im Rahmen der traditionellen jährlichen internationalen „Tage des Familienrechts“, gemeinsam durchgeführt mit der Juristischen Fakultät der Džemal-Bijedić-Universität in Mostar
  • Online-Seminar „Menschenrechte unter besonderer Berücksichtigung der Geschlechtergleichberechtigung und der Antidiskriminierung“ zusammen mit der Legal-Aid-Organisation Vaša Prava
  • Online-Seminare mit dem CEST FBiH zu den Themen:
    • Das Verhältnis des Europarechts zum nationalen Recht
    • Europäisches und nationales Verbraucherschutzrecht
    • Anwendung des Sachenrechtsgesetzes
    • Vorbereitung und Durchführung von Berufungsverhandlungen in Zivilsachen durch die Richterinnen und Richter
  • Online-Seminare mit dem CEST RS zu den Themen:
    • Rechtliche Aspekte des Verbraucherschutzes
    • Schadensersatz im Zivilrecht
    • Schutz der Eigentumsrechte

Rechtspflege

  • Online-Seminar mit dem CEST FBiH zu den Themen:
    • Richterliche Vorbereitung auf die Gerichtsverhandlung
    • Verfahrensführung und Erlass von Entscheidungen
    • Ethik und Integrität der Richterinnen und Richter unter besonderer Berücksichtigung der Geschlechtergleichberechtigung in der JustiZ
  • Online-Seminare mit dem CEST RS zu den Themen:
  • Gerichtlicher Vergleich
  • Förderung eines gerichtlichen Vergleichs durch das Gericht in der deutschen Praxis

Straf- und Strafvollzugsrecht 

  • Online-Seminare mit dem CEST FBiH zur Korruptionsbekämpfung

Aus- und Fortbildung

  • Online-Seminarreihe zum Thema „Einführung in die juristische Fallmethode“ für Studierende und Promovierende der Juristischen Fakultät der Universität Zenica
  • Beteiligung von Teilnehmenden aus Bosnien und Herzegowina an einer regionalen Online-Workshop-Reihe für deutschsprachige IRZ-Alumni aus den Partnerstaaten Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien zu den Themen:
    • COVID-19 und der deutsche Föderalismus
    • Arbeitsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Corona, Teil I und II
    • Schiedsgerichtsbarkeit in Deutschland
    • Verfassungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit COVID-19, Teil I, II und III
    • Probleme der Sprachmittlung im juristischen Bereich
  • Popularisierung des deutschen und europäischen Rechts durch weiteren Ausbau der „IRZ-Bibliothek des deutschen Rechts“ an der Juristischen Fakultät in Sarajevo sowie die Bereitstellung entsprechender Literatur für einschlägig tätige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Studierende an der Juristischen Fakultät der Džemal-Bijedić-Universität in Mostar und in Zenica

Ausblick

Die IRZ wird 2021 ihre Projektarbeit in enger Abstimmung mit ihren Partnern in Bosnien und Herzegowina fortsetzen und vertiefen. Im Zentrum wird dabei die Fortführung der Zusammenarbeit mit dem Verfassungsgericht des Staats und den Edukationszentren für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte der beiden Entitäten stehen. Die IRZ strebt darüber hinaus an, nach Ende des gegenwärtigen Reformstaus wieder im Bereich der Gesetzgebungsberatung tätig zu werden, um die Rechtsharmonisierung zu unterstützen. Hierbei möchte sie mittels ihrer Expertinnen und Experten insbesondere Erfahrungen aus dem deutschen Föderalismus einbringen und zur Harmonisierung der Gesetzgebung der Entitäten in der Föderation Bosnien und Herzegowina beitragen.