Bosnien und Herzegowina - Jahresbericht 2018
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- Veröffentlicht: Mittwoch, 10. Juli 2019
Strategische Rahmenbedingungen
Rechtspolitische Ausgangslage
Bosnien und Herzegowina, dessen Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU am 1. Juni 2015 in Kraft trat, und das im Jahr darauf den Antrag auf Beitritt zur EU stellte, hat kriegsbedingt verspätet mit der Transformation des Rechtssystems begonnen. Deshalb ist die Umsetzung rechtsstaatlicher Standards dort ausgesprochen dringlich. Schwierigkeiten bei der Projektarbeit ergeben sich in Bosnien und Herzegowina insbesondere aufgrund des ausgeprägten föderalen Systems, dessen Entitäten nur eingeschränkt miteinander kooperieren, was der Rechtszersplitterung Vorschub leistet. Außerdem verursachen innenpolitische Konflikte nach wie vor einen Reformstillstand. Da sich das bosnisch-herzegowinische Recht jedoch traditionell am kontinentaleuropäischen Recht orientiert, ist eine Beratung von deutscher Seite besonders sinnvoll und nachhaltig.
Konzeption
Die IRZ arbeitet eng mit dem Verfassungsgericht des Gesamtstaats Bosnien und Herzegowina zusammen. Darüber hinaus bestehen Kontakte zur EU-Delegation im Lande, um die Erfahrungen aus dem deutschen Föderalismus in der Föderation Bosnien und Herzegowina nutzbar zu machen. Denn dort besitzen die Kantone viele Zuständigkeiten für Bereiche, in denen die EU-Rechtsharmonisierung zu erfolgen hat. Um die Rechtsberatung unabhängig von den allgemeinen rechtspolitischen Hindernissen konstant aufrechterhalten zu können, setzt die IRZ in Bosnien und Herzegowina derzeit einen besonderen Schwerpunkt bei der Aus- und Weiterbildung von Juristinnen und Juristen. Im Einzelnen unterstützt die IRZ die Aus- und Weiterbildung insbesondere im Bereich des Zivil- und Wirtschaftsrechts an den Richter- und Staatsanwalts-Edukationszentren der beiden Entitäten und an den juristischen Fakultäten der Universitäten Sarajevo und Zenica.
Ein weiterer wichtiger Partner der IRZ ist die Legal Aid-Organisation Vaša Prava.
Schließlich hat die IRZ in den letzten Jahren eine Reihe juristischer Publikationen in der Landessprache herausgegeben, die sich auch an Leserinnen und Leser in anderen Ländern der Region richten.
Im Rahmen ihrer Aktivitäten schafft die IRZ bewusst auch Möglichkeiten einer Begegnung für Angehörige verschiedener Volksgruppen, um so ethnischen Spannungen entgegenzuwirken.
Tätigkeitsschwerpunkte 2018
Verfassungsrecht / Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit
- Veranstaltung einer Regionalkonferenz mit dem Verfassungsgericht des Staates Bosnien und Herzegowina „Das Steuerrecht in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung“ im Distrikt Brčko
- Publikation der Referate der vorstehenden Konferenz und weiterer Materialien (darunter auch einer Darstellung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu steuerrechtlichen Fragen) in einem gesonderten, von der IRZ und dem Verfassungsgericht gemeinsam herausgegebenen Tagungsband
- Beteiligung des Präsidenten des Verfassungsgerichts von Bosnien und Herzegowina und eines weiteren Richters des Verfassungsgerichts an der zusammen mit dem montenegrinischen Verfassungsgericht veranstalteten Regionalkonferenz zum Verhältnis zwischen der Verfassungsgerichtsbarkeit und den Obersten Gerichten in Budva, Montenegro
- Beteiligung des Präsidenten und eines Vizepräsidenten des Verfassungsgerichts von Bosnien und Herzegowina an der in Zusammenarbeit mit dem serbischen Verfassungsgericht veranstalteten Regionalkonferenz zum Thema „Entscheidungen der Verfassungsgerichte im Bereich der abstrakten Normenkontrolle als Beitrag zur Förderung des Rechtsstaats“ in Belgrad, Serbien
- Publikation der Sammlung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts von Bosnien und Herzegowina aus dem Jahr 2017
Zivil- und Wirtschaftsrecht
- Gemeinsam mit der juristischen Fakultät der Djemal-Bjedic-Universität durchgeführte regionale Konferenz zum Thema „Vermögensrechtliche Folgen familienrechtlicher Beziehungen“ im Rahmen der traditionellen jährlichen internationalen Familienrechtskonferenz in Mostar
- Seminare im Ausbildungsprogramm des Justiztrainingszentrums der Föderation Bosnien und Herzegowina in Sarajevo zu den Themen
- Menschenrechtsschutz in der EU sowie in Bosnien und Herzegowina
- Einfluss des Europarechts auf das nationale Recht
- Seminare im Ausbildungsprogramm des Justiztrainingszentrums der Republika Srpska in Banja Luka zu den Themen
- Einführung in das Europarecht für neu eingestellte Richterinnen und Richter
- Einfluss des Europarechts auf das nationale Recht
- Aktuelles aus dem Sachenrecht
Öffentliches Recht
- Konferenz zum Antidiskriminierungsrecht mit der Legal Aid-Organisation Vaša Prava in Sarajevo
Rechtspflege
- Fortsetzung der Herausgabe der Zeitschrift „Nova pravna revija časopis za domaće, njemačko i evropsko pravo“, kurz NPR (Neue Juristische Umschau – Zeitschrift für regionales, deutsches und europäisches Recht)
- Betrieb und Ausbau der Website der vorgenannten Zeitschrift (www.nova-pravna-revija.info) mit umfangreichem Download-Bereich
Aus- und Fortbildung
- Fortführung des deutschrechtlichen Ergänzungsstudiums (dritte Generation) an der juristischen Fakultät der Universität Sarajevo mit regelmäßigen Vorlesungen in deutscher Sprache durch örtliche Dozentinnen und Dozenten sowie Blockvorlesungen deutscher Referentinnen und Referenten
- Beteiligung eines bosnischen Teilnehmers an der achten „IRZ-Sommerschule Deutsches Recht“ in Bonn
- Weiterer Ausbau der unterstützenden deutschsprachigen juristischen Bibliothek
- Seminar „Einführung in die rechtswissenschaftliche Methodenlehre“ unter regionaler Beteiligung in Zenica
Ausblick
Die IRZ wird 2019 ihre Projektarbeit in Bosnien und Herzegowina in enger Abstimmung mit ihren Partnern fortsetzen und vertiefen. Im Fokus werden dabei die Fortführung der Zusammenarbeit mit dem Verfassungsgericht des Staats und den beiden Edukationszentren für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte stehen. Die IRZ wird weiterhin die Rechtsharmonisierung unterstützen, indem sie insbesondere ihre Erfahrungen aus dem deutschen Föderalismus bezüglich der zu harmonisierenden Gesetzgebung der Kantone in der Föderation Bosnien und Herzegowina einbringt.