Eröffnung der Veranstaltung durch den Präsidenten des Cour Suprême, Abdel Rachid Tibi: Abdelmadjid Silini, Präsident der algerischen Anwaltskammer; Dr. Frauke Bachler, Hauptgeschäftsführerin der IRZ, und Andreas Fiedler, Gesandter der Deutschen Botschaft in Algier (v.l.n.r.) Algerien
Am 28. November 2019 veranstaltete die IRZ in Zusammenarbeit mit der Bundesrechtsanwaltskammer, der algerischen Anwaltskammer und dem algerischen Obersten Gerichtshof (Cour Suprême) eine Konferenz zum Thema „Revisionsentscheidungen höchstinstanzlicher Gerichte“ in Algier. Als IRZ-Experten begleiteten Richter Thomas Offenloch, Richter am Bundesgerichtshof, und Otmar Kury, Fachanwalt für Strafrecht, die Konferenz.
Das Thema der Wiederaufnahme und möglichen Revision von Urteilen höchstinstanzlicher Gerichte wird in Algerien derzeit kontrovers diskutiert. Die Brisanz des Themas zeigte auch die hohe Medienpräsenz während der Veranstaltung. Insbesondere seit dem Rücktritt des ehemaligen Präsidenten Bouteflika und im Vorfeld der für Dezember angesetzten Neuwahlen, steht der algerische Cour Suprême vor großen Herausforderungen und ist enormem politischen Druck ausgesetzt. Das Thema der Revision von „Unrechtsurteilen“ nimmt hierbei eine zentrale Rolle ein. So sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen für Revisionsverfahren in der algerischen Prozessordnung nur sehr vage formuliert. Zudem fehlen zuverlässige „Filter“ für die Vorlage an das Gericht, damit nur ausgewählte Fälle vom Cour Suprême bearbeitet werden. Das Gericht ist daher deutlich überlastet.
Auf der Konferenz diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer u.a. folgende Themen:
die Revisionsmechanismen gerichtlicher Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs in Algerien;
das deutsche Revisionsverfahren am Beispiel des Bundesgerichtshofs in strafrechtlicher und zivilrechtlicher Sicht: Nichtzulassungsbeschwerde, Revisionsverfahren, Tatsachen- und Rechtsfehler;
das deutsche Revisionsverfahren aus anwaltlicher Sicht beim Bundesgerichtshof, Bundesarbeitsgericht, Bundesverwaltungsgericht, Bundessozialgericht und Bundesfinanzhof unter besonderer Berücksichtigung des strafrechtlichen Revisionsverfahrens.
Darüber hinaus wurde mit der Darstellung des Revisionsverfahrens beim Obersten Gerichtshof in Tunesien auch eine regional vergleichende Perspektive einbezogen.
Die Veranstaltung bildete den ersten Schritt in der Zusammenarbeit mit dem Obersten Gerichtshof und der Anwaltskammer in Algerien und fand im Rahmen der institutionellen Zuwendung mit Mitteln des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz statt. Im kommenden Jahr soll die Kooperation mit den Projektpartnern mit dem Ziel intensiviert werden, einen Beitrag zur Sicherung der Rechtseinheit sowie zur Fortbildung des Rechts in Algerien zu leisten.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Arbeitsgruppen Algerien
Vom 15. bis 17. Oktober 2019 fand in Algier das vierte und letzte Treffen der Arbeitsgruppen zur algerischen Strafvollzugsreform statt. Die IRZ organisierte die Veranstaltung im Rahmen des zweijährigen Tandemprojekts zur Strafvollzugsreform in Algerien, welches vom Auswärtigen Amt gemeinsam mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz noch bis Ende 2019 gefördert wird.
Die vier Arbeitsgruppen arbeiteten zu je einem der folgenden Themen:
Menschenrechtskonforme Behandlung von Inhaftierten bei der Aufnahme
Individueller Vollzugsplan und Klassifizierung
Zusammenarbeit mit externen Akteuren
Ausbildung des Strafvollzugspersonals
Die Zusammenarbeit in vier thematischen Arbeitsgruppen soll eine möglichst bedarfsorientierte Ausführung des Projekts gewährleisten. Bei diesem letzten Arbeitstreffen stimmten sich die Gruppen an zwei Arbeitstagen über die finale Version ihrer Arbeitsergebnisse ab. Die durch die Arbeitsgruppen 1 und 2 erstellten Handbücher, sowie die durch die Arbeitsgruppen 3 und 4 erarbeiteten Empfehlungen werden Ende dieses Jahres zum Projektabschluss präsentiert.
Am dritten Tag dieses Treffens besuchten die Arbeitsgruppen gemeinsam die Strafvollzugsanstalt in Koléa (Tipasa). Im Rahmen dieses Besuchs wurden die einzelnen Stationen des Aufnahmeverfahrens gemäß dem erarbeiteten Handbuch exemplarisch dargestellt.
Von deutscher Seite begleiteten im Auftrag der IRZ folgende Experten aus dem Justizvollzug Nordrhein-Westfalens und Berlins die Veranstaltung:
Kai Abraham, Referent in der Abteilung III der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung;
Justizvollzugsamtsinspektor Alexander Gundlach, Dozent der Bildungsstätte Justizvollzug Berlin;
Andreas Illerhaus, Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Abt. IV Justizvollzug – Referat IV B 3 Organisation u. Logistik Justizvollzug;
Mathias Nagel, Referent in der Abteilung III der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Berlin;
Dr. Stefan Cassone, Stellvertretender Leiter der Justizvollzugsanstalt Bochum;
Die für dieses finale Arbeitsgruppentreffen gesetzten Ziele wurden allesamt erreicht, und sowohl die algerische als auch die deutsche Seite lobten die vertrauensvolle und fruchtbare Zusammenarbeit während der vergangenen zwei Jahre. Die Arbeitsgruppen werden ihre Ergebnisse im Rahmen einer Abschlusskonferenz am 26. und 27. November 2019 in Algier vorstellen.
Die algerische Delegation während des Besuchs der Justizvollzugsschule in Wuppertal Algerien
Vom 15. bis 19. Juli 2019 empfing die IRZ eine Delegation des algerischen Strafvollzugs zu Fachgesprächen in Düsseldorf. Die Reise fand im Rahmen eines Tandemprojekts zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz statt, das die IRZ seit 2017 bis 2019 umsetzt.
Die Projektziele sind unter anderem:
die Förderung des Reformprozesses im algerischen Strafvollzugssystem im Einklang mit internationalen Standards,
die Humanisierung des Strafvollzugswesens in Algerien durch die Implementierung menschenrechtlicher Prinzipien und internationaler Standards im Strafvollzug sowie
die Unterstützung der Resozialisierung und der Wiedereingliederung der Gefangenen durch die Stärkung der Rolle der Zivilgesellschaft und weiterer Akteure im Resozialisierungsprozess.
Die letzte Studienreise in diesem Projekt fand jetzt zu den Themen „Zusammenarbeit mit externen Akteuren“ und „Aus- und Fortbildung des Strafvollzugspersonals“ statt.
Beim Fachgespräch im Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen informierte sich die algerische Delegation über den Aufbau und die Organisation des Strafvollzugs in NRW. Sie diskutierten mit ihren Gastgebern die deutschen Erfahrungen vor allem bei folgenden Strafvollzugsthemen:
Sozialarbeit,
Personalgewinnung,
Nachwuchswerbung,
Grundlagen des beruflichen Übergangsmanagements im Justizvollzug,
Bewährungshilfe und
freie Träger in der Straffälligenhilfe.
Während des Praxisteils besuchten die algerischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Justizvollzugsschule (JVS) in Wuppertal sowie die Justizvollzugsanstalt (JVA) Remscheid. Beim Treffen in der JVS ging es insbesondere um die schulischen Aus- und Fortbildungsangebote für das Strafvollzugspersonal. Während des Besuchs der JVA Remscheid standen die Zusammenarbeit mit externen Akteuren und die Besonderheiten des offenen Strafvollzugs in Deutschland im Mittelpunkt. Zudem hatten die algerischen Gäste die Möglichkeit, die Ausbildungsräume der Justizvollzugsschule sowie die Werkstätten, Arbeitstherapieangebote, Fortbildungsbereiche und Sportangebote für die Inhaftierten in der JVA Remscheid kennenzulernen.
Die algerischen Teilenehmerinnen und Teilnehmer beteiligten sich an allen Gesprächen sehr aktiv, stellten viele Fragen und sprachen dabei auch sehr offen über die aktuellen Probleme des Strafvollzugs und die dafür vorgesehenen Umstrukturierungspläne in Algerien.
Im Herbst wird unter der Teilnahme von deutschen Expertinnen und Experten ein abschließendes Treffen der beiden Arbeitsgruppen folgen. Als Ergebnis des Projekts ist ein von den Arbeitsgruppen erarbeitetes Handbuch für den algerischen Strafvollzug vorgesehen.