Armenien – Jahresbericht 2024

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Nach der militärischen Auseinandersetzung zwischen Aserbaidschan und Armenien löste der Präsident der selbsterklärten und international nicht anerkannten Republik Arzach (früher Republik Bergkarabach) diese per Dekret zum 1. Januar 2024 auf, zog diese Erklärung aber später wieder zurück. Die bis dahin dort ansässige armenische Bevölkerung floh größtenteils nach Armenien, was für das kleine Land eine enorme Herausforderung darstellt. Eine Welle von Protesten ging daraufhin durch ganz Armenien mit Forderungen nach dem Rücktritt der Regierung.

Das Land wendet sich – vor allem seit der „Samtenen Revolution“ im Mai 2018 – zunehmend dem Westen und Europa zu, setzt sich verstärkt für die Annäherung an die Europäische Union ein und führt entsprechende Reformen mit Blick auf die Einführung von EU-Standards durch. Daneben bestehen weiter Beziehungen zu Russland, Armenien nahm auch am GUS-Gipfel für Staatschefs in Moskau im Oktober 2024 teil. Im September 2024 bestätigte Premierminister Nikol Paschinjan die Bedeutung der Einleitung des EU-Beitrittsprozesses, welcher im Zuge der vergangenen Jahre fester Bestandteil der politischen Agenda Armeniens geworden sei. Zudem hat das armenische Parlament bereits im Oktober 2023 das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs ratifiziert. Insbesondere auch im Justizbereich ist Armenien an einer beratenden Unterstützung bei den angestrebten Reformen sehr interessiert.

Konzeption

Die IRZ begleitet weiterhin den Prozess der EU-Rechtsharmonisierung mit durch Zuwendungen des BMJV finanzierten Projekten und engagiert sich im Rahmen von EU-geförderten Projekten. Die Beratungen konzentrieren sich überwiegend auf den Bereich des Strafrechts, wobei hier Geldwäsche sowie Antikorruption im Fokus stehen. Zur Förderung des juristischen Nachwuchses führt die IRZ zunehmend auch Aus- und Fortbildungsmaßnahmen durch.

Tätigkeitsschwerpunkte 2024

Öffentliches Recht

  • Online-Beratung des armenischen Justizministeriums bei der Ausarbeitung einer Studie über die internationalen Best Practices zur Regulierung des Lobbyismus

Straf- und Strafvollzugsrecht

  • Sommerschule für Studierende in Armenien zum Thema „Der Begriff der Schuld im deutschen Strafrecht sowie verdeckte Ermittlungen als Beweismittel“ in Eriwan (Hybridformat)
  • Training zum Thema „Untersuchungsmethodik bei korruptionsbezogenen Straftaten, einschließlich Vermögensdelikten, Geldwäsche und unerlaubter Bereicherung“ in Kooperation mit dem Anti-Korruptions-Komitee Armeniens in Eriwan
  • Online-Abschlussbesprechung der fachlichen Beratung beim Bau einer neuen JVA in Armenien

Aus- und Fortbildung

  • Online-Beratungsgespräch zur Erstellung eines Handbuchs zur Unabhängigkeit der Justiz in Kooperation mit der Justizakademie und der Konrad-Adenauer-Stiftung
  • Abschlusskonferenz zur Vorstellung des Handbuchs zur Unabhängigkeit der Justiz in Kooperation mit der Justizakademie und der Konrad-­Adenauer-Stiftung in Eriwan
  • Seminar in Zusammenarbeit mit der Justizakademie Armeniens zur richterlichen Unabhängigkeit und richterlichen Ethik in Eriwan Moot
  • Court in Kooperation mit der Rechtsfakultät der Staatlichen ­Universität Eriwan zum Straf- und Strafprozessrecht in Aghveran

Von der Europäischen Union finanziertes Projekt

EU-Twinning-Projekt „Förderung der Integrität und Korruptionsprävention im öffentlichen Sektor in Armenien“

Von Juni 2022 bis August 2024 führten die IRZ und das Justizministerium der Republik Lettland als Juniorpartner ein 24-monatiges Projekt zugunsten der Korruptionspräventionskommission (CPC) von Armenien durch. Die übergeordneten Ziele dieses Projekts waren die Förderung der Integrität und die Vermeidung von Korruption im öffentlichen Sektor in Armenien.

Der Aserbaidschan-Konflikt stellte die begünstigten Institutionen vor Herausforderungen im Hinblick auf die für die Projektarbeit zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen. Dennoch verlief die Projektdurchführung im Jahr 2024 nach Anpassung an die aktuelle Situation wie geplant.

Die deutschen und internationalen Expertinnen und Experten, die sich mit dem Aufbau von Kapazitäten und der Durchführung von Schulungen zur Korruptionsprävention befassten, konnten auch in diesem Jahr diverse Schulungen durchführen, etwa für das CPC-Team, für Beamtinnen und Beamte aus verschiedenen Regierungs- und Verwaltungsinstitutionen, für Professorinnen und Professoren an ausgewählten Universitäten und Lehrkräfte an Schulen in Eriwan sowie für Journalistinnen und Journalisten. Es wurden umfangreiches Schulungsmaterial sowie Curricula für Universitäten und auch für Grundschulen erarbeitet und zur Verfügung gestellt. Parallel wurde eine Kommunikationsstrategie für die CPC mit Blick auf Zivilgesellschaft, Medien und externe Interessengruppen entwickelt. Diese Strategie soll die CPC in ihren bisher nicht prioritären Bemühungen unterstützen, die öffentliche Kommunikation zu verbessern. Zudem konnten sechs Mitarbeitende der CPC bei einem Studienbesuch in Berlin den deutschen Kommunikationsansatz zur Korruptionsprävention kennenlernen.

In einer weiteren Komponente entwickelte das lettische Expertinnen- und Expertenteam eine Methodik zum Monitoring und zur Evaluierung (M&E), um die Nachhaltigkeit der Antikorruptionsstrategie zu gewährleisten.

Das deutsch-lettische Team arbeitete darüber hinaus an der Entwicklung von Integritätsmaßnahmen für Staatsbetriebe und öffentliche Unternehmen. Es entwarf eine Bewertungsmethodik und testete diese an Pilotunternehmen. Die Expertinnen und Experten schulten die Mitarbeitenden der CPC, um sie in die Lage zu versetzen, den im Rahmen des Projekts entworfenen Plan zur Verbesserung der Unternehmensintegrität in Armenien auch nach Projektende umzusetzen.

Am 7. Mai 2024 fand die offizielle Abschlussveranstaltung des Projekts in Eriwan statt, auf der die armenischen Komponentenleitenden des CPC die Ergebnisse des Twinning-Projekts vorstellten. Die armenische Anti-Korruptionsbehörde und die EU-Delegation dankten der IRZ für die umfangreiche Unterstützung, für das große Engagement des Expertinnen- und Expertenteams, die lehrreichen Studienreisen nach Riga und Berlin sowie für die erfolgreiche Zusammenarbeit im Rahmen des Twinning-Projekts während der gesamten zweijährigen Projektlaufzeit.

Ausblick

Die IRZ wird die Zusammenarbeit mit den armenischen Partnern in den genannten Fachbereichen fortführen, unter anderem und in Absprache mit den armenischen Partnerinstitutionen zum wichtigen Thema „Korruptionsbekämpfung und -prävention“. Auch die Umsetzung von Fortbildungsmaßnahmen für den juristischen Nachwuchs bildet weiterhin einen Schwerpunkt der Zusammenarbeit der IRZ mit den armenischen Partnern.