Armenien – Jahresbericht 2023

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach eskalierte am 20. September 2023. Nachdem Aserbaidschan die Region, die vornehmlich von ethnischen Armenierinnen und Armeniern bewohnt war, militärisch angegriffen und eingenommen hat, sind über

100.000 Menschen aus Bergkarabach nach Armenien geflohen. Dem ging eine monatelange Blockade des sog. Latschin-Korridors voraus, der Hauptverbindung zwischen Bergkarabach und Armenien durch Aserbaidschan, was in Bergkarabach zu einer ernsten Versorgungskrise führte. Russland, das eigentlich für Stabilität in der Region sorgen sollte, griff in den eskalierenden Konflikt nicht ein. Zudem hat Armenien in dem Konflikt auf Unterstützung des von Russland angeführten Militärbündnisses CSTO vertraut. Diese Unterstützung unterblieb, woraufhin sich Armenien noch weiter von Russland abwendete. So trat Armenien dem Internationalen Strafgerichtshof bei und hinterfragt offen die Sinnhaftigkeit der Militärpräsenz Russlands in Armenien. Mit Aserbaidschan strebt Armenien ein Friedensabkommen an. Bereits seit Anfang 2023 ist die zivile EU-Mission EUMA in Armenien aktiv und soll zwischen Armenien und Aserbaidschan vermitteln.

Die außenpolitische Lage führt auch dazu, dass sich Armenien noch deutlicher dem Westen und Europa zuwendet. Auch im Justizbereich ist der Wunsch nach westlicher Unterstützung nach wie vor groß. Armenien setzt daher weiterhin verstärkt auf die Annäherung an die Europäische Union und führt entsprechende Reformen hinsichtlich der Einführung von EU-Standards durch.

Konzeption

Die IRZ unterstützt den Prozess der EU-Rechtsharmonisierung und engagiert sich in Armenien sowohl im Rahmen von EU-geförderten Projekten als auch mit durch Zuwendungen des Bundesministeriums der Justiz finanzierten Projekten. Diese Beratungen liegen überwiegend im Bereich des Straf- und Strafvollzugsrechts. Zur Förderung des juristischen Nachwuchses werden zunehmend auch Aus- und Fortbildungsmaßnahmen durchgeführt.

Tätigkeitsschwerpunkte 2023

Straf- und Strafvollzugsrecht

  • Workshop zu praktischen Fragen im Vollzug für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der JVA in Vanadzor (Teil 2)
  • Training/Schulung der JVA-Fachdienste: Maßnahmen zur Diagnostik und Prognosestellung sowie zu der Implementierung von Behandlungsprogrammen für Inhaftierte, die auf Grundlage der Diagnostik und Prognose individuell für den Inhaftierten erstellt werden in Eriwan
  • Seminar zum Thema „Bekämpfung von Hasskriminalität und Hassreden“ in Zusammenarbeit mit dem Justizministerium Armeniens in Eriwan
  • Seminar zum Thema „Bekämpfung von Hasskriminalität und Hassreden“ in Zusammenarbeit mit dem Büro der Menschenrechtsverteidigerin Armeniens in Eriwan

Aus- und Fortbildung

  • Gastvorlesung für angehende Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Zusammenarbeit mit der Justizakademie zum Thema „Grundlagen des Strafrechts – Urteil und Strafen“ (Hybrid-Veranstaltung) in Eriwan
  • Gastvorlesung für die Studentenschaft in Zusammenarbeit mit der Staatlichen Universität Eriwan zum Thema „Grundlagen des Strafrechts – Urteil und Strafen“ (Online-Veranstaltung)
  • Unterstützung der Justizakademie in Eriwan bei der Erstellung eines Handbuchs zur Unabhängigkeit der Justiz in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung (Online- und Hybrid-Veranstaltungen)

Von der Europäischen Union finanzierte Projekte

EU-Twinning-Projekt „Förderung der Integrität und Korruptionsprävention im öffentlichen Sektor in Armenien“

Seit Juni 2022 führen die IRZ und das Justizministerium der Republik Lettland als Juniorpartner ein 24-monatiges Projekt zugunsten der Korruptionspräventionskommission (CPC) von Armenien durch. Das übergeordnete Ziel dieses Projekts sind die Förderung der Integrität und die Verhinderung von Korruption im öffentlichen Sektor in Armenien.

Die Projektdurchführung verläuft – trotz der schwerwiegenden Auswirkungen des Aserbaidschan-Konflikts auf die der begünstigten Institution zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen – weiterhin wie geplant. Gleichwohl wurden die Projektmaßnahmen auf die aktuelle Situation abgestimmt.

Die deutschen und internationalen Expertinnen und Experten, die sich mit dem Aufbau von Kapazitäten und der Durchführung von Schulungen zur Korruptionsprävention befassen, haben in diesem Jahr bedeutende Erfolge erzielt. Sie führten mehrere Schulungen für das CPC-Team, für Beamtinnen und Beamte aus verschiedenen Regierungs- und Verwaltungsinstitutionen sowie für Journalistinnen und Journalisten durch. Es wurde auch umfangreiches Schulungsmaterial in englischer Sprache mit armenischer Übersetzung bereitgestellt.

Darüber hinaus wurden Lehrpläne und -materialien zur Korruptionsprävention für Grundschulen entwickelt und Lehrkräfte auf die Durchführung dieser Schulungen vorbereitet. Zudem wurden Curricula für Universitätskurse ausgearbeitet, die derzeit mit Professoren armenischer Universitäten erörtert werden.

Zugleich wurde eine Kommunikationsstrategie für die CPC entwickelt, die Kommunikationsmechanismen für die Zivilgesellschaft, die Medien, externe Interessengruppen und die allgemeine Öffentlichkeit umfasst. Diese Strategie soll die CPC in ihren Bemühungen unterstützen, die öffentliche Kommunikation in einer Gesellschaft zu steuern, die diesem Aspekt keine Priorität einräumt. Im Oktober 2023 wurde für sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der CPC ein Studienbesuch in Berlin organisiert, um den deutschen Kommunikationsansatz zur Korruptionsprävention zu demonstrieren.

Parallel dazu steht die Umsetzung der Antikorruptionsstrategie durch das armenische Justizministerium im Rahmen des Projekts kurz vor dem Abschluss. Das lettische Expertinnen- und Expertenteam hat im Rahmen dieser Strategie eine Methodik zum Monitoring und zur Evaluierung (M&E) entwickelt, um die Nachhaltigkeit in der Zukunft zu gewährleisten.

Das deutsch-lettische Expertinnen- und Expertenteam arbeitete darüber hinaus an der Entwicklung von Integritätsmaßnahmen für Staatsbetriebe und öffentliche Unternehmen. Es entwickelte eine Bewertungsmethodik und testete diese an Pilotunternehmen. Die Expertinnen und Experten schulten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der CPC, um sie in die Lage zu versetzen, den im Rahmen des Projekts entworfenen Plan zur Verbesserung der Unternehmensintegrität in Armenien auch nach Projektende umzusetzen.

EU-Technical-Assistance-Projekt „Development and Introduction of E-Justice Solutions in Armenia“

Seit November 2021 wird dieses EU-Projekt mit einem Budget von rund

1.270.000 Euro in einem internationalen Konsortium unter Federführung der französischen Firma GINGER SOFRECO durchgeführt, und es wurde nun bis Ende Dezember 2023 verlängert, um wichtige Aktivitäten abzuschließen. Hauptbegünstigte sind das Justizministerium und das Ministerium für Hightech und Industrie der Republik Armenien sowie der Oberste Justizrat und die Staatsanwaltschaften.

Ziel des EU-Projekts ist die Entwicklung einer einheitlichen E-Justiz-Plattform zur Sicherstellung der Digitalisierung im armenischen Justizsystem. Darüber hinaus soll die im Rahmen des Projekts vorgesehene Einrichtung eines E-Justiz-Portals den Bürgerinnen und Bürgern die Justiz näherbringen und den Justizsektor transparenter und effizienter gestalten, während gleichzeitig die Kosten für Gerichtsverfahren gesenkt werden. Das E-Justiz-Portal wird nicht nur den Zugang zu den bestehenden Systemen im Justizsektor fördern, sondern auch neue, durch das Projekt geschaffene E-Dienste ermöglichen. Hierzu wurden unter anderem Handbücher und Leitfäden sowie Trainings für die zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer des Portals entwickelt.

Die IRZ ist auch durch die Entsendung von nationalen Kurzzeitexpertinnen und Kurzzeitexperten, vor allem aber durch den Einsatz eines Langzeitexperten mit dem Schwerpunkt „Entwicklung und Analyse von IT-Systemen“ an dem Projekt beteiligt.

Ausblick

Die Zusammenarbeit mit den armenischen Partnern im straf- und strafvollzugsrechtlichen Bereich soll im kleineren Rahmen fortgesetzt werden. Gleichzeitig sollen die Themen Korruptionsbekämpfung und Vermögensabschöpfung in der Zusammenarbeit stärker in den Fokus rücken. Die Fortbildung von juristischem Nachwuchs bildet weiterhin einen wichtigen Schwerpunkt der Zusammenarbeit der IRZ mit der Staatlichen Universität Eriwan und der Justizakademie als Kooperationspartnern.

Im Zuge des EU-Twinning-Projekts zur Korruptionsprävention wird eine Vielzahl von Maßnahmen auch im Jahr 2024 umgesetzt.