Armenien - Jahresbericht 2016

Konferenz zum Notarrecht in Eriwan: Vanine Hovsepyan (1. Reihe, 4.v.r.), Präsidentin der Notarkammer Armeniens; Richard Bock (links daneben), Vize-Präsident der Bundesnotarkammer
Konferenz zum Notarrecht in Eriwan: Vanine Hovsepyan (1. Reihe, 4.v.r.), Präsidentin der Notarkammer Armeniens; Richard Bock (links daneben), Vize-Präsident der Bundesnotarkammer

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Die Republik Armenien blickt erneut auf ein ereignisreiches Jahr zurück. Rechtspolitisch am bedeutendsten war sicherlich die Verfassungsreform, die Ende 2015 in Kraft trat. Die Reform beinhaltet als zentralen Punkt den Wechsel vom momentanen Präsidialsystem hin zu einem parlamentarischen System. Das manifestierte sich unter anderem darin, dass Regierung und Parlament mehr Kompetenzen erhalten haben, der Präsident hingegen vornehmlich repräsentative Aufgaben behält und auch nicht mehr direkt vom Volk gewählt wird. Obwohl die eigentliche Reform nicht nur von internationaler Seite überwiegend als richtiger Schritt gesehen wurde, sorgten einige Aspekte für Unzufriedenheit in der Bevölkerung. In einem Referendum, dessen Vorbereitung und Durchführung von Kritik durch Wahlbeobachter und Vertreter der Zivilgesellschaft begleitet waren, sprach sich dennoch die Mehrheit der Bevölkerung Anfang Dezember 2015 für die Reform aus.

Im nach wie vor schwelenden Konflikt um Berg-Karabach kam es zu heftigen militärischen Zusammenstößen zwischen armenischen und aserbaidschanischen Truppen im April 2016 an der Waffenstillstandslinie. Dabei wurden zahlreiche Soldaten auf beiden Seiten getötet. Hinzu kam eine schwere innenpolitische Krise infolge der zweiwöchigen Besetzung einer Polizeistation in Eriwan im Sommer. Eine radikale oppositionelle Splittergruppe hatte mehrere Geiseln genommen, um politische Forderungen durchzusetzen. Obwohl hierbei ein Polizist getötet wurde, erfuhren die gewalttätigen Besetzer viel Unterstützung aus der Bevölkerung.

Dies lässt auf eine anhaltende Unzufriedenheit der armenischen Bevölkerung über ausbleibende Änderungen ihrer Lebenssituation schließen. Das Vertrauen in die Politik ist gering.

Konzeption

Die IRZ widmet sich in Armenien thematisch vornehmlich dem Strafrecht, das seit einigen Jahren grundlegend reformiert wird. Die zentralen strafrechtlichen Gesetze mussten in Folge der Verfassungsreform 2016 erneut überarbeitet werden. Das hatte wiederum Auswirkungen auf die Reform des Strafvollzugsgesetzes, zu welcher die IRZ seit dem Jahr 2015 berät, und die sich nunmehr weiterhin verzögert.

Neben der Gesetzgebungsberatung stehen Schulungen und Tagungen zu praktischen strafrechtlichen Fragen im Mittelpunkt der Zusammenarbeit. Dies betrifft vor allem Themen, bei denen die armenischen Regelungen am deutschen System orientiert sind oder die länderübergreifend ähnlich gelagert sind. Partner der Zusammenarbeit sind dabei neben dem Justizministerium unter anderem das Kassationsgericht, die armenische Anwaltskammer sowie seit 2016 der Ermittlungsdienst Armeniens.

Über Projekte mit der armenischen Notarkammer und der Anwaltsschule wurden darüber hinaus zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter dieser beiden Berufsgruppen erreicht.

Wichtiges Projekt bleibt daneben die Unterstützung der Rechtsfakultät der Staatlichen Universität Eriwan im Bereich des Strafrechts. Hier erfolgen zum einen Beratungen zur Überarbeitung von Lehrplänen zum Themenkomplex Bewährungshilfe. Zum andern wurde das universitäre Programm durch praxisnahe Lehrveranstaltungen von erfahrenen deutschen Referentinnen und Referenten ergänzt.

Tätigkeitsschwerpunkte 2016

Verfassungsrecht / Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Fortbildungsseminare für Anwältinnen und Anwälte zur EMRK und deren Durchsetzung in Kooperation mit der armenischen Rechtsanwaltskammer in Gyumri und Dilijan
  • Fortbildungsseminar für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ermittlungsdienstes der Republik Armenien zur Ermittlung und Aufdeckung von Fällen von Folter in Tzaghkadzor

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Workshop mit der internationalen Abteilung für Zivilrecht im Justizministerium zur Umsetzung des Haager Kindesentführungsübereinkommens in Eriwan

Rechtspflege

  • Konferenz zu aktuellen Fragen des Notariats in der Republik Armenien und Deutschland in Kooperation mit der Bundesnotarkammer in Eriwan

Öffentliches Recht

  • Teilnahme von zwei Vertretern des armenischen Richtervereins an der Internationalen Konferenz zum Thema „Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung als Aufgabe für die Obersten Gerichte“ in Chişinău, Republik Moldau

Strafrecht und Strafvollzugsrecht

  • Unterstützung des Justizministeriums der Republik Armenien bei der Erarbeitung eines Entwurfs des neuen Strafvollzugsgesetzes
  • Workshop mit der Abteilung „International Legal Assistance and Foreign Relations“ des Justizministeriums der Republik Armenien zu verschiedenen Aspekten des Auslieferungsrechts in Tzaghkadzor
  • Gespräche mit dem Strafvollzugsdepartement des armenischen Justizministeriums zu einer möglichen Kooperation von Justizvollzugsanstalten in Armenien (Armavir) und Deutschland
  • Beratung des „Juvenile Justice Board“ des armenischen Justizministeriums zur Koordinierung der Reformen im Jugendstrafrecht
  • Beratung der Fakultät für Rechtswissenschaften der Staatlichen Universität Eriwan zur Lehrtätigkeit im Bereich Bewährungshilfe
  • Gastvorlesung zu praktischen Aspekten der Bewährungshilfe an der Staatlichen Universität Eriwan
  • Moot Court im Strafrecht in Kooperation mit der Staatlichen Universität Eriwan in Aghveran

Aus- und Fortbildung

  • „Training of Trainers“ für die armenische Anwaltsschule in Kooperation mit der Deutschen Anwaltakademie in Tsaghkadzor
  • Weiterführung von Deutschkursen für Studierende der Rechtsfakultät an der Staatlichen Universität Eriwan
  • Teilnahme von zwei armenischen Juristinnen an der IRZ-Sommerschule „Deutsches Recht“ in Brühl und Bonn
  • Teilnahme einer Juristin am Deutschkurs für Juristen des Goethe-Instituts im September in Bonn

Ausblick

Ein wichtiger Themenkreis in der Zusammenarbeit mit dem Justizministerium wird 2017 voraussichtlich die Reform des Jugendstrafrechts sein. Hierzu erfolgten erste Beratungen, die Grundlage für eine enge Begleitung bei gesetzgeberischen und strukturellen Reformen auf diesem Gebiet sein könnten. In jedem Fall wird der Entwurf eines reformierten Strafvollzugsgesetzes im kommenden Jahr vorgelegt werden. Im Übrigen werden die Aktivitäten weitgehend inhaltlich an die bisherige Tätigkeit anschließen.

Laden Sie hier den gesamten Jahresbericht der IRZ im PDF-Format herunter: Jahresbericht 2016.