Armenien - Jahresbericht 2017

Delegation des armenischen Justizministeriums vor der IRZ in Bonn: Martina Erb-Klünemann, RinAG Hamm und Verbindungsrichterin (2.v.r.)
Delegation des armenischen Justizministeriums vor der IRZ in Bonn: Martina Erb-Klünemann, RinAG Hamm und Verbindungsrichterin (2.v.r.)

Rechtspolitische Ausgangslage

Im April 2017 fanden in der Republik Armenien Parlamentswahlen statt. Dies waren die ersten Wahlen nach der Verfassungsreform von 2015, die den Wechsel von einem Präsidialsystem zu einem parlamentarischen System beinhaltete. Aus den Wahlen, die laut internationalen Wahlbeobachtern Unregelmäßigkeiten aufwiesen, ging die Republikanische Partei als klarer Sieger hervor. Dieser Partei gehört auch der Staatspräsident an, dessen Amtszeit im April 2018 endet. Da durch die Verfassungsreform unter anderem auch die Exekutivmacht vom Präsidenten auf den Regierungschef übergeht, befürchtet die Opposition, dass der noch amtierende Präsident in das Amt des Regierungschefs wechseln wird. Diese Spekulationen hat der Präsident jedoch dementiert.

Die Wahlen fanden genau ein Jahr nach einem mehrtätigen und blutigen Wiederaufflammen der Kämpfe in Berg-Karabach im April 2016 statt. Seither ist der Konflikt wieder eingefroren, eine diplomatische Lösung ist weiterhin nicht in Sicht. In Armenien wirkt sich dieser Konflikt nach wie vor auch auf die Wirtschaftslage und die gesamte Entwicklung aus. Auch deshalb orientiert sich das Land sehr an Russland als Schutzmacht, von dem es ohnehin energie- und wirtschaftspolitisch abhängig ist.

Zugleich hält Armenien aber auch die Zusammenarbeit mit der Europäischen Union aufrecht. Es gehört zu den Ländern der Östlichen Partnerschaft der EU und hat im November des Berichtsjahres beim Gipfeltreffen der Östlichen Partnerschaft in Brüssel ein umfassendes neues Partnerschaftsabkommen mit der EU unterzeichnet. Dieses steht anstelle eines Assoziierungsabkommens und soll eine Annäherung unter anderem bei den Handelsbeziehungen, bei Produktsicherheit und Verbraucherschutz und bei der Unterstützung der Zivilgesellschaft bringen. Daneben profitiert das Land auch von EU-Programmen zur Justizreform, die sich derzeit auf strukturelle Probleme in der Justiz sowie das Strafrecht konzentriert.

Konzeption

Das Strafrecht steht auch weiterhin im Mittelpunkt der Zusammenarbeit der IRZ mit Armenien. Neben den noch andauernden Beratungen zu einem grundlegend neuen Strafvollzugsgesetz geht es bei den Fachveranstaltungen meist um die Frage, wie bestimmte Vorschriften, etwa zur Strafzumessung oder zur Bekämpfung von Geldwäsche, gemäß internationalen Standards in der armenischen Rechtspraxis umzusetzen sind. Dies gilt etwa auch für die Umsetzung des Haager Kindesentführungsübereinkommens, das Gegenstand einer engen Zusammenarbeit mit der Civil Act Registration Agency beim Justizministerium war.

Im Zusammenhang mit aktuellen Reformen in der Justizverwaltung wurde zudem der Kontakt zum Kassationsgericht und zur armenischen Richtervereinigung intensiviert.

Partner der Zusammenarbeit sind neben dem Justizministerium das Kassationsgericht, die Justizakademie, die armenische Anwaltskammer, die Anwaltsschule, die Notarkammer, das Strafvollzugsdepartment und der Ermittlungsdienst Armeniens sowie die Staatliche Universität Eriwan.

Tätigkeitschwerpunkte 2017

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Begutachtung eines Reformentwurfs des Gesetzes zur Umsetzung des Haager Kindesentführungsübereinkommens (HKÜ) in Armenien
  • Arbeitsbesuch einer Delegation des armenischen Justizministeriums zur Anwendung des HKÜ in Bonn, Hamm und Den Haag
  • Teilnahme einer Mitarbeiterin des armenischen Justizministeriums an der „Summer School on Intellectual Property“ der Universität Bonn

Rechtspflege

  • Arbeitsbesuch des Präsidenten des Kassationsgerichts und seiner Delegation zu Fragen der Justizverwaltung, der richterlichen Unabhängigkeit und dem Institut des Schmerzensgeldes in Berlin und Karlsruhe
  • Seminar für die armenische Notarkammer zu Fragen der täglichen Berufspraxis in Kooperation mit der Bundesnotarkammer in Tsaghkadzor/ Armenien
  • Fortbildung für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Armenien zum anwaltlichen Berufsrecht in Eriwan
  • Teilnahme von Mitgliedern der armenischen Richtervereinigung an der Internationalen Konferenz der Memorandumgruppe der Richterassoziationen in Tiflis/Georgien (s. Multilateral S. 129)

Straf- und Strafvollzugsrecht

  • Fortsetzung der Unterstützung des Justizministeriums der Republik Armenien bei der Erarbeitung eines Entwurfs zum neuen Strafvollzugsgesetz
  • Gastvorlesung an der Staatlichen Universität Eriwan zum Thema „Strafzumessung“
  • Seminare zur Strafzumessung für die Richterschaft und Staatsanwaltschaft in Zusammenarbeit mit der Justizakademie Armeniens in Eriwan
  • Unterstützung bei Reformen im Strafvollzug: Auftaktseminar für Vollzugsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter zu praktischen Fragen im Hinblick auf internationale Standards im Strafvollzug in Tsaghkadzor/Armenien
  • Unterstützung des Bereichs „Bewährungshilfe“ der Staatlichen Universität Eriwan bei der Überarbeitung des Curriculums: Hospitation einer armenischen Dozentin an der Alice Salomon Hochschule in Berlin
  • Fortbildungsseminar für den Sonderermittlungsdienst Armeniens zu Ermittlungsmethoden in Fällen von Geldwäsche in Aghveran/Armenien

Aus- und Fortbildung

  • Teilnahme von zwei armenischen Juristinnen an der „IRZ-Sommerschule Deutsches Recht“ in Bonn
  • Moot Court im Strafrecht, gerichtet an die Studierenden aller Universitäten landesweit, Teilnahme von 24 Studierenden aus sechs Universitäten an der Endrunde in Aghveran/Armenien

Ausblick

Ein wichtiger Themenkreis in der Zusammenarbeit mit dem armenischen Justizministerium wird auch 2018 die Reform des Strafvollzugsgesetzes und des Gesetzes zur Anwendung des HKÜ in Armenien sein, deren künftige Umsetzung ebenfalls eng begleitet werden soll. Im Bereich des Strafvollzugs sind zudem konkrete Beratungen in einzelnen Vollzugsanstalten angedacht. Auch eine fachliche Begleitung der kürzlich eingeführten Bewährungshilfe wird erwogen. Daneben soll die Zusammenarbeit mit allen anderen Partnerinstitutionen in Form von Seminaren und Trainings fortgesetzt und intensiviert werden.