Armenien - Jahresbericht 2015

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Herbstschule zur Europäischen Menschenrechtskonvention im September in Armenien
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Herbstschule zur Europäischen Menschenrechtskonvention im September in Armenien

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Wie geplant ist Armenien 2015 der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) beigetreten, deren weitere Mitglieder Russland, Kasachstan, Kirgistan und Belarus sind. Damit hat sich Armenien zwar einerseits wirtschafts- und sicherheitspolitisch von der EU abgewandt, dennoch hält das Land auch weiterhin die Beziehungen zu Europa aufrecht und bemüht sich darum, beides miteinander in Einklang zu bringen.

Die wirtschaftliche Abhängigkeit Armeniens von Russland ist nach wie vor sehr hoch. So kommt ein großer Teil der Auslandsinvestitionen aus Russland, und auch wichtige Sektoren wie Energie und Telekommunikation werden von russischen Firmen beherrscht. Der Einbruch der russischen Wirtschaft im letzten Jahr infolge der politischen Entwicklungen war auch in Armenien spürbar. Die Ankündigung der Regierung im Sommer, die Energiepreise zu erhöhen, führte zu massiven Protesten innerhalb der Bevölkerung mit tagelangen Sitzblockaden und Protestmärschen, die jedoch nach einigen Wochen wieder abebbten.

Viel Raum nahmen in Armenien 2015 auch die Gedenkveranstaltungen zu den Ereignissen in der Türkei vor 100 Jahren ein. Deren internationale Anerkennung als Genozid ist für das armenische Volk ein wichtiges Anliegen.

Hinsichtlich der konkreten Projektarbeit der IRZ war der Rücktritt des Justizministers Hovannes Manukyan im Juli eine überraschende Nachricht, hatte dieser doch während seiner 14 Monate währenden Amtszeit die Reformen im Rechtsbereich vorangetrieben und die Kooperationsprojekte der IRZ sehr unterstützt.

Konzeption

In den letzten fünf Jahren der Kooperation mit Armenien hat die IRZ mit den wichtigsten Justizinstitutionen des Landes zusammengearbeitet. Zu den bedeutendsten Partnern zählen nach wie vor das Justizministerium, das Kassationsgericht, die Fakultät für Rechtswissenschaften der Staatlichen Universität Eriwan sowie die Armenische Vereinigung Junger Juristen (AYLA). Als neuen Partner gewann die IRZ 2015 die armenische Anwaltskammer hinzu. Mit ihr fand Ende dieses Jahres in Kooperation mit der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) ein zweitägiges Fachgespräch zu berufsrechtlichen Themen statt. Außerdem wurden Möglichkeiten für eine zukünftige Zusammenarbeit eruiert.

Da der IRZ daran gelegen ist, die regionale Kooperation zu fördern, organisierte sie zum Ende des Jahres überdies in Tiflis einen runden Tisch der Anwaltskammern aus Armenien, Georgien und Deutschland, zu dem die armenische Anwaltskammer fünf Vertreterinnen und Vertreter entsandte.

Des Weiteren führte die IRZ ein Fortbildungsseminar zur EMRK und zu den Modalitäten zur Einreichung einer Klage beim EGMR für Anwältinnen und Anwälte durch. Sämtliche Veranstaltungen zugunsten der Anwaltschaft Armeniens wurden durch das Auswärtige Amt finanziert.

2015 bestimmte jedoch die Zusammenarbeit mit dem Justizministerium die Arbeit der IRZ mit Armenien. Das im Vorjahr begonnene Projekt zur Erarbeitung eines neuen Strafvollzugsgesetzes wurde fortgeführt. Dazu traf sich die Arbeitsgruppe, die durch das armenische Justizministerium mit dem Entwurf des Gesetzes beauftragt wurde, mehrere Male gemeinsam mit dem IRZ-Experten in Eriwan, um ein Konzept für das Gesetz zu erarbeiten und zentrale Punkte gemeinsam zu erörtern. Im Rahmen eines einwöchigen Aufenthalts der Gruppe in Deutschland wurden diese Gespräche fortgesetzt und durch Einblicke in die deutsche Praxis bei Besuchen in Justizvollzugsanstalten ergänzt.

Einen weiteren Schwerpunkt der Zusammenarbeit legte die IRZ auch in diesem Jahr wieder auf die Aus- und Fortbildung des juristischen Nachwuchses, indem sie die Deutsch-Sprachkurse an der Staatlichen Universität für Studierende der Rechtswissenschaften weiterführte. Außerdem wurde eine Gastvorlesung zum Jugendstrafrecht im Rahmen des Masters Kriminologie durchgeführt. Schließlich knüpfte die IRZ mit einer einwöchigen Herbstschule zur EMRK für Studierende der Rechtswissenschaften erfolgreich an die Sommerschulen aus den Vorjahren an.

Tätigkeitsschwerpunkte 2015

Verfassungsrecht / Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Einwöchige Herbstschule für Studierende der Rechtswissenschaften zur EMRK in Arzakan, Armenien
  • Zweitägiges Fortbildungsseminar für Anwältinnen und Anwälte zur EMRK und zum Verfahren der Einreichung einer Klage beim EGMR in Eriwan, Armenien

Rechtspflege

  • Fachgespräche zwischen der BRAK und der armenischen Anwaltskammer zu berufsrechtlichen Themen in Eriwan
  • Teilnahme von fünf Vertreterinnen und Vertretern der armenischen Anwaltskammer am runden Tisch der Anwaltskammern in Tiflis

Öffentliches Recht

  • Teilnahme von zwei Vertretern der armenischen Richterassoziation an der von der IRZ unterstützten internationalen Konferenz der Memorandumsgruppe der Richterassoziationen zum Thema „Verwaltungsgerichtsbarkeit als Instrument des Rechtsstaates" in Chişinău, Moldau

Strafrecht und Strafvollzugsrecht

  • Beratung des Justizministeriums bei der Ausarbeitung eines neuen Entwurfs des armenischen Strafvollzugsgesetzes in Eriwan
  • Studienaufenthalt einer Delegation des armenischen Justizministeriums (Arbeitsgruppe Strafvollzugsgesetz) zu den Themen Strafvollzug und Bewährungshilfe in Oldenburg
  • Gastvorlesung im Bereich Jugendstrafrecht im Rahmen des Masterstudiengangs Kriminologie an der juristischen Fakultät der Staatlichen Universität Eriwan
  • Fachgespräche zwischen dem armenischen Zentrum für die Arbeit mit Strafgefangenen und dem georgischen Zentrum für Kriminalitätsprävention in Tiflis

Aus- und Fortbildung

  • Durchführung von zwei einjährigen Sprachkursen „Deutsch für Juristinnen und Juristen" an der Staatlichen Universität Eriwan
  • Teilnahme einer armenischen Studentin der Rechtswissenschaften an der IRZ-Sommerschule „Deutsches Recht" in Brühl und Bonn

Ausblick

Auch 2016 wird der Schwerpunkt der Zusammenarbeit der IRZ in Armenien im Bereich des Strafrechts liegen. Das neue Strafvollzugsgesetz soll dem Parlament im Jahr 2016 vorgelegt werden. Die IRZ wird hier weiterhin beratend tätig sein und die Arbeitsgruppe unterstützen. Auch die Aus- und Fortbildung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sowie Studierenden im Bereich der EMRK wird im nächsten Jahr wieder im Zentrum der Zusammenarbeit stehen.

Hinsichtlich der politischen Rahmenbedingungen bleibt abzuwarten, wie die noch für 2015 geplante Verfassungsreform von einem präsidialen hin zu einem parlamentarischen System die Justizreformen in Armenien tangiert und wie die Reformen im Justizbereich unter der neuen Justizministerin, die seit September 2015 im Amt ist, vorangetrieben werde