Armenien - Jahresbericht 2014

Besuch einer Delegation der Strafkammer des Kassationsgerichts und des Gerichtdepartements Armeniens im Justizministerium Baden-Württemberg
Besuch einer Delegation der Strafkammer des Kassationsgerichts und des Gerichtdepartements Armeniens im Justizministerium Baden-Württemberg

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Die Unterzeichnung des Beitrittsabkommens des Landes zur Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) im Oktober 2014 war ein entscheidender Einschnitt in der Zusammenarbeit der EU mit der Republik Armenien. Begründet wurde der Beitritt seitens des armenischen Präsidenten Sersch Sargsyan insbesondere mit sicherheitspolitischen Argumenten. So bilde Armenien zusammen mit Russland und weiteren GUS-Staaten ein Sicherheitsbündnis, das nach Meinung des Präsidenten durch ein Wirtschaftsbündnis ergänzt werden solle. Nach wie vor hat Armenien ein enges Verhältnis zu Russland, das als sogenannte Schutzmacht im Land stationiert und einer der wichtigsten Handelspartner des Landes ist. Insbesondere seine Gaslieferungen erhält Armenien fast ausschließlich aus Russland. Damit hat sich das Land, anders als sein Nachbar Georgien, kurz vor der Unterzeichnung gegen ein EU-Assoziierungsabkommen entschieden. Denn die EU sieht eine Mitgliedschaft in der EAWU mit einem EU-Freihandelsabkommen als nicht vereinbar an. Gerade die jüngere, westlich orientierte Generation, die sich stark an den Werten und Inhalten des europäischen Rechts orientiert, betrachtet diesen Schritt skeptisch. Der Beitritt zur EAWU bedeutet jedoch nicht, dass sich Armenien von Europa abwendet. Im Gegenteil, gerade in den letzten Jahren wurden vor allem in der Strafjustiz grundlegende, am deutschen System orientierte Gesetzesreformen angestrengt. Auch nach dem Rücktritt des Premierministers sowie der gesamten Regierung im Frühjahr 2014 und der Neubesetzung des Justizministeriums wurden insbesondere die Reformbemühungen im Bereich des Rechtssystems intensiviert. Dieses orientiert sich nach wie vor an westlichen Werten, sodass die IRZ ihre Zusammenarbeit mit Armenien fortsetzen konnte.

Konzeption

Die Zusammenarbeit der IRZ mit Armenien konnte seit ihrem Beginn 2011 stetig ausgebaut werden. Sie wurde nach dem oben erwähnten Personalwechsel an der Spitze des Justizministeriums mit den neuen Ansprechpartnern weitergeführt, die von Beginn an ein großes Interesse an der Unterstützung durch die IRZ hatten. Dies mag auch am Erfolg des EU Twinning-Projekts zur Rechtsangleichung und Unterstützung des Übersetzungszentrums gelegen haben, das die IRZ von September 2012 bis August 2014 im Justizministerium durchführte. Die Reform des armenischen Strafvollzugsgesetzes wurde als erstes gemeinsames Projekt identifiziert, zu dem bereits Ende 2014 ein erstes Treffen mit der armenischen Arbeitsgruppe und einem IRZ-Experten vor Ort in Eriwan stattfand. Die IRZ vertiefte 2014 überdies die bestehende Zusammenarbeit sowohl mit der Strafkammer als auch mit dem Gerichtsdepartement des Kassationsgerichts und verfolgte die Ausbildung des juristischen Nachwuchses weiter. Hierzu bot die IRZ in Kooperation mit der Armenischen Vereinigung Junger Juristen (AYLA) nach 2013 wieder eine einwöchige Sommerschule in Armenien für Jurastudierende zur Europäischen Menschenrechtskonvention an. Daneben ergab sich eine intensive Zusammenarbeit mit der staatlichen Universität. Im Rahmen des Masterstudiengangs Kriminologie unterstützte die IRZ eine Vorlesung im Bereich Strafvollzug sowie zwei einjährige Deutschkurse für Studierende der rechtswissenschaftlichen Fakultät. Mit der armenischen Anwaltskammer nahm die IRZ einen ersten Kontakt auf, um mögliche Themenfelder für eine künftige Zusammenarbeit, möglicherweise unter Beteiligung der Bundesrechtsanwaltskammer, zu definieren.

Tätigkeitsschwerpunkte 2014

Verfassungsrecht / Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Einwöchige Sommerschule für Jurastudierende zur Europäischen Menschenrechtskonvention in Arzakan, Armenien

Rechtspflege

  • Studienreise einer Delegation der armenischen Anwaltskammer nach Berlin
  • Approximation Process of EU Acquis and Policies on Judicial Cooperation and Capacity Building of the Translation Centre on Judicial Sector Terminologies and Methodologies (EU-Twinning)

Strafrecht und Strafvollzugsrecht

  • Beratung des Justizministeriums bei der Ausarbeitung eines neuen Entwurfs des armenischen Strafvollzugsgesetzes in Eriwan
  • Studienaufenthalt einer Delegation der Strafkammer des Kassationsgerichts und des Gerichtsdepartements Armeniens zu „Strafzumessung; Bewertung von Richtertätigkeiten“ in Stuttgart und Karlsruhe
  • Vorlesung Bewährungshilfe im Rahmen des Masterstudiengangs Kriminologie an der Juristischen Fakultät der Staatlichen Universität Eriwan
  • Seminar in Kooperation mit dem Law Institute des armenischen Justizministeriums zu „Geltende Beschränkungen des Besuchs und des Einführens von technischen Geräten in Justizvollzugsanstalten“ in Eriwan
  • Fachgespräche zum Jugendstrafrecht und zur Bewährungshilfe sowie Beratung des „Zentrums für die kreative Arbeit mit straffälligen Jugendlichen“ in Eriwan

 Aus- und Fortbildung

  • Durchführung von zwei einjährigen Sprachkursen „Deutsch für Juristinnen und Juristen“ an der Staatlichen Universität Eriwan
  • Teilnahme einer armenischen Jurastudentin an der IRZ Sommerschule Deutsches Recht in Brühl

Ausblick

Ein Schwerpunkt der Arbeit der IRZ in Armenien wird in 2015 aufgrund der Reform des Strafvollzugsrechts im Bereich des Strafrechts liegen. Der Gesetzentwurf für eine reformierte Strafprozessordnung liegt dem armenischen Parlament vor. Aus dieser Reform und der des Strafgesetzbuchs, das ebenfalls derzeit überarbeitet wird, ergibt sich ein umfangreicher Anpassungsbedarf für das Strafvollzugsgesetz. Eine Arbeitsgruppe aus armenischen Expertinnen und Experten, vornehmlich aus der Wissenschaft, sowie einem deutschen Strafvollzugsexperten wird den Entwurf für ein reformiertes Strafvollzugsgesetz ab Anfang 2015 erarbeiten, damit er möglichst zeitgleich mit dem Strafgesetzbuch in den Gesetzgebungsprozess´eingebracht werden kann. Zudem hat das Ministerium für die Kodifizierung der Bewährungshilfe bereits die Unterstützung der IRZ angefragt, sodass es sicherlich nicht bei diesem einen Vorhaben bleiben wird. Auch im Bereich der Fortbildung von Anwältinnen und Anwälten wird die IRZ ihre Zusammenarbeit mit AYLA sowie der Anwaltskammer weiter vertiefen. Schließlich wird die IRZ mit der Strafkammer des Kassationsgerichts sowie dem Gerichtsdepartement weiter zusammenarbeiten.