Armenien - Jahresbericht 2019
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- Veröffentlicht: Mittwoch, 01. Juli 2020
Strategische Rahmenbedingungen
Rechtspolitische Ausgangslage
Nach der friedlichen Revolution in Armenien im Jahr 2018 standen die Neuausrichtung des Landes und damit die Reformen, insbesondere im Justizbereich, im Mittelpunkt. Mit großem Tempo wurden Veränderungen u.a. in den Bereichen Strafrecht, Strafvollzugsrecht und Strafprozessrecht vorangetrieben. Die entsprechend überarbeiteten Gesetzentwürfe sollen Anfang 2020 verabschiedet werden. Aber auch die politischen Reformen schreiten voran, z.B. hat die neue Regierung die Zahl der Ministerien deutlich reduziert.
Die juristische Aufarbeitung des Erbes der Vorgängerregierung läuft indessen nicht ohne Zwischenfälle und ist Ausdruck des raschen Wandels im Lande. So kam es zu Demonstrationen vor und landesweiten Blockaden von Gerichten aus Protest über die Entlassung des früheren Präsidenten Robert Kocharyan aus der Untersuchungshaft.
Mit dem im April 2018, noch während der friedlichen Revolution, in Kraft getretenen Judicial Code (Gesetz zur Reform der Justiz) wurden im Zuge der Verfassungsreform u.a. die Amtszeiten der Richterinnen und Richter des Verfassungsgerichts auf 12 Jahre beschränkt. Kurz bevor diese Änderungen in Kraft getreten sind, wurde der jetzige Verfassungsgerichtspräsident noch nach den alten Regelungen auf Lebenszeit in sein Amt berufen. Ein Vorgang, der von der jetzigen Regierung kritisch gesehen wird, da sie dessen Legitimität bestreitet. Ein Gesetzentwurf, der Ende 2019 vorgestellt wurde, soll nun die Möglichkeit eröffnen, die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter vorzeitig in den Ruhestand zu entlassen. Erwartungsgemäß stieß dieses Vorhaben der Regierung beim Verfassungsgericht und der Opposition auf großen Widerstand.
Konzeption
Das Strafrecht steht auch weiterhin im Mittelpunkt der Zusammenarbeit der IRZ mit Armenien. Die Beratungen zu einem grundlegend neuen Strafvollzugsgesetz konnten 2019 abgeschlossen werden. Nun wird die IRZ die Umsetzung der Reformen in die Praxis begleiten, indem sie in Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen und Anstalten in Armenien maßgeschneiderte Konzepte zum Strafvollzug und zur Bewährungshilfe entwickelt.
Neben den strafrechtlichen Themen hat die IRZ die Beratungen mit weiteren Partnern intensiviert. Diese sind neben dem Justizministerium das Kassationsgericht, die Justizakademie, die Anwaltskammer, die Anwaltsschule, die Notarkammer, das Strafvollzugsdepartment und der Sonderermittlungsdienst Armeniens sowie die Staatliche Universität Eriwan.
Darüber hinaus arbeitete die IRZ im Projekt „@Media Societies – Armenia 2019“ mit dem Yerevan Press Club zusammen. Das medienrechtliche Projekt wird vom Auswärtigen Amt finanziert.
Tätigkeitsschwerpunkte 2019
Rechtspflege
- Workshop in Eriwan für Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer zur Entwicklung eines spezifischen Curriculums und Konkretisierung eines Trainingskonzepts
- Seminare „Umgang mit Medien, Öffentlichkeitsarbeit der Rechtsanwaltskammern“ in Eriwan und Gyumri mit der Rechtsanwaltskammer der Republik Armenien
- Workshop in Tsaghkadzor mit der Rechtsanwaltskammer der Republik Armenien zur anwaltlichen Berufsethik
- Praxisaufenthalt in Berlin für Mentorinnen und Mentoren sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in der Bewährungshilfe
- Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Kassationsgericht der Republik Armenien zum Thema Disziplinarrecht
Straf- und Strafvollzugsrecht
- Drei Workshops zur Entwicklung von maßgeschneiderten Konzepten in den Justizvollzugsanstalten Sevan und Artik
- Vertiefungsphase an den Justizvollzugsanstalten in Armavir und Abovyan
- Beratung des armenischen Justizministeriums zur Analyse eines Gesetzentwurfs zur Beschlagnahme illegal erworbenen Besitzes
- Beratung des armenischen Justizministeriums zum Entwurf des Strafvollzugsgesetzbuchs
- Durchführung eines landesweiten Moot Courts in Agvheran zum Strafrecht
- Fachgespräche in Tsaghkadzor mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sonderermittlungsdienstes der Republik Armenien zu den Themen:
- Korruptionsbekämpfung
- Beschlagnahme des illegal erworbenen Besitzes
- Aufbau des Systems des Rechtshilfeersuchens
- In Kooperation mit der GIZ in Georgien: Publikation des South Caucasus Law Journal, Vol. 9/2018 /2019 (Thema: Jugendstrafrecht)
Aus- und Fortbildung
- Teilnahme von 3 Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der „IRZ-Sommerschule Deutsches Recht“ in Bonn
- Teilnahme eines armenischen Richters an dem IV. Multilateralen Hospitationsprogramm für englischsprachige Zivil- und Handelsrichterinnen und -richter
- Teilnahme einer Richterin und eines Richters an der Internationalen Konferenz der Memorandumgruppe mehrerer nationaler Richterassoziationen in Bonn
- Im Rahmen des Projekts „Medienvielfalt und Meinungspluralismus“:
- Auftaktkonferenz in Eriwan
- Zwei Workshops zum Thema Transparenz in den Medien in Aghveran und Tsaghkadzor
- Zwei Workshops zum Thema Online-Medien in Aghveran und Tsaghkadzor
- Abschlusskonferenz in Eriwan
Ausblick
Ein wichtiger Themenkreis in der Zusammenarbeit mit dem armenischen Justizministerium wird auch 2020 die Begleitung der Reformen des Strafvollzugsgesetzes und dessen praktische Anwendung sein. Im Bereich des Strafvollzugs sind die Fortsetzung und Intensivierung der konkreten Beratungen in einzelnen Vollzugsanstalten vorgesehen. Ebenso wird die fachliche Begleitung im Bereich Bewährungshilfe fortgeführt. Die IRZ wird die Unterstützung der Staatlichen Universität Eriwan durch die umfassende Beratung bei der Einführung einer fallbezogenen Unterrichtsmethodik und Entwicklung von Lehrmaterial für mehr Praxisbezug in der Lehre erweitern. Darüber hinaus erwägt die IRZ die Durchführung von Seasonal Schools zu verschiedenen Rechtsthemen zusammen mit der Staatlichen Universität Eriwan.