Georgien – Jahresbericht 2024
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- Veröffentlicht: Donnerstag, 04. September 2025
Strategische Rahmenbedingungen
Rechtspolitische Ausgangslage
Nachdem Georgien Ende 2023 zunächst der EU-Beitrittskandidatenstatus zuerkannt wurde, verschlechterte sich im Zuge der Verabschiedung mehrerer Gesetze, die die EU als Rückschritt auf dem Weg in die EU-Mitgliedschaft bewertete, das Verhältnis Georgiens zu den westlichen Partnern. Insbesondere die Verabschiedung des „Gesetzes über die Transparenz ausländischer Einflussnahme“ stieß bei der EU, aber auch bei der georgischen Zivilgesellschaft auf große Proteste. Der Europäische Rat erklärte daraufhin, dass diese Entwicklung de facto zu einem Aussetzen des Beitrittsprozesses führe.
Ungeachtet dessen führte die Regierung ihren vielfach als antieuropäisch wahrgenommenen Kurs weiter. Ende Oktober 2024 fanden Parlamentswahlen statt, bei denen die bisherige Regierungspartei ihre Mehrheit nach offiziellen Angaben behielt. Begleitet wurde die Wahl von nationalen Protesten und internationalen Vorwürfen der Wahlbeeinflussung und -fälschung, weshalb die Opposition das Ergebnis nicht anerkannte. Diese Proteste verstärkten sich nochmals, als die Regierungspartei ankündigte, den EU-Beitritt bis 2028 zunächst nicht weiterverfolgen zu wollen.
Konzeption
Richtschnur der Zusammenarbeit mit Georgien sind sowohl die Haltung der EU als auch die der deutschen Bundesregierung. Vor dem Hintergrund der geschilderten Entwicklungen hat die IRZ daher in enger Abstimmung mit dem BMJV die Zusammenarbeit mit den staatlichen Institutionen und der Justiz seit Juni 2024 bis auf Weiteres ruhen lassen. Die in den Tätigkeitsschwerpunkten aufgeführten Maßnahmen in Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen wurden entsprechend ausschließlich in der ersten Jahreshälfte 2024 durchgeführt und orientierten sich dabei maßgeblich an den Empfehlungen der EU-Kommission, insbesondere in den Bereichen Korruptionsbekämpfung und Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz. Gleichzeitig wurden Kooperationen mit der Anwaltschaft und der Zivilgesellschaft verstärkt und ausgebaut. Im Mittelpunkt der Kooperation stehen die Weiterbildung und Professionalisierung der Anwaltschaft sowie die Unterstützung verschiedener juristischer Akteure bei der Reform des dringend reformbedürftigen Ordnungswidrigkeitenrechts.
Die Entwicklungen im Justizbereich werden zudem kritisch durch die von der IRZ finanzierte und viel beachtete Deutsch-Georgische Zeitschrift für Rechtsvergleichung (DGZR) begleitet.
Für 2024 standen für die Zusammenarbeit mit Georgien, der Ukraine und der Republik Moldau erneut Sondermittel des Deutschen Bundestages zur Verfügung, die zielgerichtet für die oben genannten Themenbereiche verwendet werden konnten.
Tätigkeitsschwerpunkte 2024
Zivil- und Wirtschaftsrecht
- Förderung der Herausgabe der Deutsch-Georgischen Zeitschrift für Rechtsvergleichung (DGZR)
- Teilnahme von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten an der Rechtsanwaltshospitation in Deutschland
Öffentliches Recht
- Ausarbeitung von Guidelines zur Beachtung von EGMR-Entscheidungen für die georgische Richterschaft in Zusammenarbeit mit der juristischen Nichtregierungsorganisation Georgian Young Lawyers’ Association (GYLA)
Rechtspflege
- Fachlicher Austausch zwischen Mitgliedern des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages und Mitgliedern des Obersten Justizrats zum Thema „Auswahl und Ernennung der Richterschaft sowie Aufbau und Aufgaben des Obersten Justizrats“ im Februar 2024 in Tiflis
- Studienreise nach München zum Konzept der Anwaltsspezialisierung in Kooperation mit der georgischen Rechtsanwaltskammer und der Bundesrechtsanwaltskammer
Straf- und Strafvollzugsrecht
- Studienreise nach Nordrhein-Westfalen zum Thema „Modernisierung des georgischen Strafvollzugs und Etablierung und Festigung europäischer Standards“
- Online-Training zum Thema „Cyber-Verbrechen“
- Training zum Thema „Korruptionsbekämpfung“ in Kooperation mit der Generalstaatsanwaltschaft Georgiens in Tiflis
- Herausgabe des digitalen Deutsch-Georgischen Strafrechtsglossars
Aus- und Fortbildung
- Training für die Anwaltschaft im Verwaltungs- und Verwaltungsverfahrensrecht in Zusammenarbeit mit der georgischen Rechtsanwaltskammer in Tiflis
- Training für die Anwaltschaft im Steuerrecht in Kooperation mit der georgischen Rechtsanwaltskammer in Tiflis
- Training für die Anwaltschaft hinsichtlich eines modernen Ordnungswidrigkeitenrechts im Hinblick auf eine EU-Annährung in Kooperation mit der georgischen Rechtsanwaltskammer in Tiflis
- Studienreise nach Hamburg für Mitglieder der Georgian Lawyers for Independent Profession (GLIP) zu ausgewählten verwaltungs-, zivil- und strafrechtlichen Themen
Von der Europäischen Union finanziertes Projekt
EU-Technical-Assistance-Projekt „Advancing Reforms in the Justice Sector in Georgia“
Die IRZ implementiert als Juniorpartner das EU-Projekt „Advancing Reforms in the Justice Sector in Georgia“ unter Federführung des belgischen Beratungsunternehmens DAI; weiterer Juniorpartner ist die georgische Firma Egeria Solutions. Die Umsetzung dieses Projekts, mit einer Laufzeit von 36 Monaten und einem Budget in Höhe von 3,6 Millionen Euro, startete im Oktober 2023, die IRZ ist mit einem Langzeitexperten beteiligt.
Dieses EU-Projekt stellt eine Fortsetzung und Vertiefung der seit mehr als zwei Jahrzehnten geleisteten EU-Unterstützung für den Rechtsreformprozess und den Aufbau von Kapazitäten speziell in der Strafjustiz in Georgien dar. Das übergeordnete Ziel ist es, Georgien bei der Durchführung weiterer Reformen im Justizsektor zu unterstützen, wobei der Schwerpunkt auf der Umsetzung der EU-bezogenen Verpflichtungen liegt, die im Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Georgien festgelegt sind. Diese beitrittsrelevanten Reformen beziehen sich auf die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Strafverfolgungsbehörden untereinander, auf die Strafzumessung, die gemeinschaftsorientierte Polizeiarbeit, die Verhütung von Straftaten gegen gefährdete Gruppen, die Gewährleistung eines opferzentrierten Ansatzes und die Einbeziehung der Rechte des Kindes und der Geschlechterperspektive in allen Strafjustizverfahren sowie die Förderung von Sanktionen ohne Freiheitsentzug.
Vor dem Hintergrund der geschilderten politischen Entwicklungen ruht die Arbeit des Projekts seit Dezember 2024. Eine Weiterführung wird maßgeblich von der politischen Richtungsentscheidung der Regierung Georgiens abhängen.
Ausblick
Da die weitere innenpolitische Entwicklung derzeit nicht absehbar ist, wird die IRZ diese beobachten und sich hinsichtlich einer Fortführung oder einer Suspendierung der Zusammenarbeit eng mit dem Zuwendungsgeber BMJV abstimmen.