Georgien - Jahresbericht 2013

Länderbericht Georgien 2013Internationale Konferenz zur richterlichen Unabhängigkeit in Kooperation mit GIZ, Oberstem Gericht u.a. Organisationen in Tiflis

Allgemeines - Konzeptionelle Ausrichtung

Rechtspolitische Ausgangslage

Die Innenpolitik Georgiens war auch in diesem Jahr von bemerkenswerten Veränderungen geprägt. Trotz der angespannten Beziehungen zwischen Regierungs- und Oppositionspartei nach den friedlichen Parlamentswahlen im Oktober 2012 hat die einjährige Kohabitation nicht zu einer politischen Blockade geführt. Vielmehr konnten einige wichtige Reformen eingeleitet werden. Die Kohabitation fand nach der Präsidentschaftswahl Ende Oktober 2013 ihr Ende. Seither ist Gregori Margwelaschwili neues Staatsoberhaupt Georgiens. Damit wurde die Rolle des Parteienbündnisses "Georgischer Traum", das bereits die Parlamentswahlen 2012 für sich entschieden hatte, weiter gestärkt. Der freie, faire und friedliche Verlauf der Wahlen und des sich anschließenden Machtübergangs waren ein weiterer bemerkenswerter Schritt zur Festigung der Demokratie in Georgien.

Aufgrund einer Verfassungsänderung aus dem Jahr 2012 nimmt nunmehr der seit November 2013 amtierende Regierungschef Irakli Garibaschwili die zentralen Funktionen im Staat wahr. Seine Regierung setzt den Kurs Georgiens in Richtung EU- und NATO-Beitritt fort. In Form einer parteiübergreifenden Resolution zur Außenpolitik vom März 2013 bekannte sich das Land zum euroatlantischen Kurs und strebt keine Mitgliedschaft in regionalen Organisationen wie der GUS und der Eurasischen Union an, deren Mitglieder Georgiens territoriale Integrität nicht anerkennen. Der erste Schritt in Richtung EU wurde Ende November 2013 in Vilnius durch die Paraphierung des Assoziierungsabkommens mit der EU getan, die endgültige Unterzeichnung des Vertragswerks soll bis August 2014 erfolgen.

Doch auch das Verhältnis zur Russischen Föderation soll normalisiert werden. Ein erster Schritt der Annäherung erfolgte in der ersten Jahreshälfte 2013, als Russland das 2006 erlassene Embargo auf Wein, Mineralwasser und diverse Agrarerzeugnisse aus Georgien aufhob und zumindest die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Staaten wiederbelebt werden konnten.

Innenpolitisch widmet sich die Regierung weiterhin intensiv der Stärkung demokratischer Institutionen und zahlreichen drängenden Gesetzesreformen. Zudem stehen im Jahr 2014 Kommunalwahlen an.

Bisherige Zusammenarbeit

Die IRZ arbeitet seit 2006 auf Grundlage einer Vereinbarung zwischen dem georgischen und deutschen Justizministerium mit staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen im Lande zusammen. Hauptinhalt der Tätigkeit ist die Unterstützung von Rechtsanwendern vornehmlich im Strafrecht durch Fortbildung und Stärkung von Berufsvertretungen.

Die wichtigsten Tätigkeitsbereiche waren auch 2013 das Strafvollzugswesen, die Stärkung der Anwaltschaft und der Richterschaft, die Unterstützung der (General-)Staatsanwaltschaft sowie die Verbesserung der juristischen Ausbildung. Die Zusammenarbeit der IRZ mit ihren Hauptpartnern Justizministerium, Strafvollzugsministerium und Generalstaatsanwaltschaft verlief dabei äußerst offen und konstruktiv.

Georgien dient zudem auch aufgrund seiner geografischen Lage als geeigneter Ort für multilaterale Veranstaltungen. So fand im Februar 2013 eine wichtige Konferenz für Mitgliedstaaten der Haager Konferenz statt, bei der über die Umsetzung von Haager Übereinkommen diskutiert wurde. Auf Einladung der IRZ, des georgischen Justizministeriums und des Ständigen Büros der Haager Konferenz trafen sich in Tiflis etwa fünfzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus über zehn Staaten Osteuropas und Zentralasiens sowie der Türkei.

Wichtige Partner

  • Justizministerium
  • Strafvollzugsministerium und das ihm unterstellte Trainingszentrum für Strafvollzug und Bewährungshilfe (PPTC)
  • Generalstaatsanwaltschaft
  • Verfassungsgericht
  • Anwaltskammer von Georgien (Georgian Bar Association) und Georgischer Anwaltverein (GLIP)
  • Georgische Vereinigung Junger Juristen (GYLA)
  • Juristische Fakultät der Staatlichen Universität Tiflis (TSU)

Strategie und Vorgehensweise

Die IRZ profitiert in Georgien von den außergewöhnlich guten und langjährigen Beziehungen zwischen der georgischen und der deutschen Rechtswissenschaft und Rechtspraxis sowie vom ausgeprägten Interesse der dortigen Partner an deutscher Expertise. Diese fällt dort in besonderer Weise auf fruchtbaren Boden. Hinzu kommt, dass sich die rechtspolitischen Rahmenbedingungen zuletzt erheblich verbessert haben. Denn eine Erkenntnis der letzten Jahre war, dass viele strafrechtliche Bereiche in

Georgien dringend der Liberalisierung und Reformierung bedürfen. Mit dem Regierungswechsel und dank der derzeitigen generellen Aufbruchsstimmung im Land wurden hierfür die Weichen gestellt, da nun auch viele zentrale Ansprechpartner etwa im Justizministerium diese Meinung teilen. So konnten einige grundlegende Fragestellungen und Reformbestrebungen im Rahmen von Konferenzen und Fortbildungsseminaren vor Ort sowie bei Fachgesprächen in Deutschland aufgegriffen und z.T. vor breitem Publikum diskutiert werden. Diese öffentliche kontroverse Auseinandersetzung zwischen und auch innerhalb von Berufsgruppen, z.B. der Richterschaft, über grundlegende Reformen trifft auf großes Echo. So kann die IRZ innerstaatliche Diskussionen mit dem Blickwinkel von außen anreichern.

Tätigkeitsschwerpunkte 2013

Verfassungsrecht / Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Drei Seminare für georgische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zur Anwendung und Durchsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention in der anwaltlichen Praxis, konzipiert und geleitet von deutschen und georgischen Referenten gemeinsam mit dem georgischen Anwaltverein (GLIP) in Tiflis, Georgien
  • Nationaler Moot Court im Verfassungsrecht für georgische Jurastudierende, Endrunde unter Beteiligung eines deutschen Richters als Jurymitglied in Zusammenarbeit mit dem Verfassungsgericht und GYLA in Batumi, Georgien

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Internationale Konferenz zum Thema "Fostering Cooperation through Hague Conventions" in Kooperation mit dem Ständigen Büro der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht in Tiflis, Georgien
  • Entsendung eines Professors der juristischen Fakultät der TSU als Referent zu der Konferenz "Moldauisches Zivilgesetzbuch: 10 Jahre – Erfolge, Vorbehalte und Perspektiven" in Chisinau, Republik Moldau

Rechtspflege

  • Fachbesuch von Staatssekretärin Dr. Birgit Grundmann beim georgischen Justizministerium, Verfassungsgericht und weiteren Partnern der georgischen Justiz in Tiflis und Batumi, Georgien
  • Teilnahme des Vorsitzenden des Rechtsausschusses des georgischen Parlaments an der III. Internationalen Konferenz der parlamentarischen Rechtsausschüsse zum Thema "Der Weg der Gesetzgebung - Rolle und Einfluss der daran beteiligten Institutionen" in Berlin
  • Konferenz zu aktuellen Fragen der Unabhängigkeit georgischer Richter in Kooperation mit GIZ u.a. in Tiflis, Georgien
  • Fachbesuch des Vorstands des Georgischen Anwaltvereins (GLIP) beim Deutschen Anwaltverein (DAV) und bei der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) in Berlin zu den Themen Organisation von Anwaltskanzleien, Anwaltshaftung, Öffentlichkeits- und Pressearbeit und Professionelle Lobbyarbeit für die Anwaltschaft, Schiedsverfahren

Öffentliches Recht

  • Staatsrechtliches Seminar für deutsche und georgische Studierende in Kooperation mit der Humboldt Universität Berlin und der TSU in Tiflis, Georgien

Strafrecht und Strafvollzugsrecht

  • Internationale Konferenz zum Thema "Liberalisierungsaspekte der Strafgesetzgebung in Georgien" gemeinsam mit TSU in Tiflis, Georgien
  • Unterstützung der georgischen Generalstaatsanwaltschaft bei Aufarbeitung von systematischen Verbrechen in georgischen Haftanstalten und im Militär
  • Fachgespräch mit einer deutschen Staatsanwältin in Tiflis zur Herangehensweise an Aufarbeitung, Umgang mit Vielzahl von Verfahren, Verfolgung von verantwortlichen Entscheidungsträgern; Informationsreise einer Delegation der Generalstaatsanwaltschaft nach Berlin und Karlsruhe zur Ermittlungsarbeit deutscher Staatsanwaltschaften (u.a. zu den Themen Aufgaben, Befugnisse, Pressearbeit) unter Mitwirkung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin, der Bundesanwaltschaft und dem BMJ
  • Studienreise einer Delegation des Strafvollzugsministeriums zu Justizvollzugsanstalten in Sachsen unter Mitwirkung des sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa: Austausch zu den Themen Sicherheit, Therapieangebote, Arbeitsmöglichkeiten
  • Erarbeitung eines Mentor-Programms für den georgischen Strafvollzug mit dem PPTC unter Mitwirkung des Bildungsinstituts des niedersächsischen Justizvollzuges: Informationsaufenthalt der Arbeitsgruppe in Wolfenbüttel, Erarbeitung des Konzepts, gemeinsamer Workshop in Tiflis, Georgien
  • Fortbildung für Führungskräfte des georgischen Strafvollzugs (Konfliktmanagement, Personalführung, Beschwerdemanagement) gemeinsam mit PPTC in Akhaltsikhe, Georgien
  • Armenisch-georgisches Training of Trainers für Ausbilderinnen und Ausbilder im Strafvollzug in Zusammenarbeit mit PPTC und dem armenischen Law Institut in Zarkadzhor, Armenien
  • Fortführung des seit Dezember 2012 laufenden EU-Projekts "Support to the Reform of the Criminal Justice System in Georgia" als Konsortialpartner; intensive Beratungen und Trainingsveranstaltungen v.a. zugunsten des Strafvollzugsministeriums
  • Unterstützung von strafrechtlichen Publikationen

Aus- und Fortbildung

  • Weiterführung des Projekts zur Falllösungsmethodik für die juristische Ausbildung in Georgien (Präsentation der Methodik im Rahmen eines Runden Tisches gegenüber dem Justiz- und Bildungsministerium, Training of Trainers für Pilotprojektdurchführung, Pilot-Anwendung der Methodik an verschiedenen juristischen Fakultäten) in Zusammenarbeit mit GYLA und GIZ in Tiflis, Georgien
  • Teilnahme zweier georgischer Jurastudierender an der "IRZ Sommerschule Deutsches Recht" in Brühl

Ausblick

Die Unterstützung des georgischen Justizministeriums steht 2014 für die IRZ an erster Stelle. Das Memorandum zwischen den Ministerien aus dem Jahr 2006 soll in 2014 in Form eines neuen Aktivitätenplans aktualisiert werden. Als Themen wurden hierfür neben dem Notariat die Implementierung des Jugendstrafrechts identifiziert. Vor dem Hin- tergrund der bevorstehenden Unterzeichnung des Assoziierungsab-kommens mit der EU wird das voraussichtlich nur der erste Schritt von zahlreichen Rechtsharmonisierungsvorhaben sein, zu denen die IRZ ihre Unterstützung anbieten wird.

Angesichts der vielfältigen Anfragen wird die Zusammenarbeit zudem auf neue Partner ausgedehnt. So soll eine Kooperation zwischen dem Appellationsgericht Tiflis und einem deutschen Berufungsgericht etabliert werden, um einen langfristigen Erfahrungsaustausch über strafrechtliche Problemstellungen in der richterlichen Praxis zu ermöglichen. Ein weiterer Schwerpunkt bleibt die Unterstützung der georgischen Anwaltschaft über deren Berufsverbände: der Anwaltskammer (Georgian Bar Association) sowie des Anwaltvereins (GLIP). Speziell die Kammer, deren Vorstand im Dezember 2013 neu besetzt wurde, ist an einem weiteren Austausch mit der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) als ihrem deutschen Pendant interessiert. Gemeinsam mit der BRAK plant die IRZ daher eine Konferenz für Rechtsanwälte in Tiflis, an der beide Institutionen beteiligt sein werden. Auch der inhaltliche Austausch mit dem Verfassungsgericht soll in Form von Fachgesprächen und einer regionalen Fachkonferenz vertieft werden. Die Beratungen zu weiteren Strafvollzugsreformen finden derzeit maß-geblich im Rahmen des oben erwähnten EU-Projekts statt, so dass bilaterale Aktivitäten hier nur in geringem Umfang geplant sind.